Dienstag, 8. August 2017

Die Reisende......



Ich hatte mich dann doch für New Orleans entschieden und bin bereits wieder hier.

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An diesem Sonntagnachmittag hatte Sasha, wie besprochen, seinen Freund Misha eingeladen. Und ich wusste bisher nicht, dass Sasha einen Bruder hat, mit demselben Namen. Er lebt in Berlin. Ich war überrascht. Er wäre blond, erst 29 Jahre alt und politisch sehr engagiert. Man hätte ihn aus diesem Grund bereits verprügelt. Würde jedoch nicht orthodox leben, wie sein anderer Bruder Elan. ER sei sechsunddreißig Jahre alt. Also ebenso jünger als Sasha. Womit Sasha der älteste der drei Brüder ist.
„Politisch engagiert bedeutet was?“, fragte ich Sasha. „Ist er im Zentralrat der Juden?“
„Das auch. Aber vor allem kämpft er gegen die rechte Gewalt.“
„Rechte Gewalt? Und WER kämpft bitteschön gegen die linke Gewalt?“, wurde ich beinahe wütend. Aber egal. Ich beließ es dann dabei. Fragte nicht weiter nach und konzentrierte mich auf…..die Frage nach seinem zweiten Bruder. Dieser wäre überaus traditionell. Gleichfalls was die Kleidung beträfe, mit Peot, den Schläfenlocken und lebe gleichwohl streng nach den Regeln der jüdischen Religion. Im Allgemeinen hielt er sich, ebenso wie Sasha, in Montreal auf. Würde gelegentlich im Geschäft seiner Eltern helfen. Auch DAVON hatte mir Sasha bisher nie erzählt. Seine Eltern handelten mit Schmuck und Edelsteinen (Diamanten!). Hatten jedoch zugleich ein Antiquitätengeschäft. (Was sonst?!)
Ich wusste/weiß genau genommen noch immer sehr wenig über Sashas Familie. Ist womöglich auch besser so, angesichts des gesamten Klischees, welchen der Rest seiner Familie bedient. (Da kann man glatt Gänsehaut bekommen, so schüttelt es eine davon! Grrr……WIE, um Himmels Willen sollte sich Sasha dann auf meine Seite stellen? Eine Unmöglichkeit in sich!.....bei dieser Familie! (Und Liebe….vergeht.))
Nun, da ich eher mit dem Nachdenken darüber, ob ich nun noch bei Sasha blieben oder nach Winnipeg fliegen soll, um mit Gunnar, Alexa und ihrem Balg nach New Orleans zu reisen, beschäftigt war, war ich nur dürftig in der Lage, mich auf Mishas Nachmittagsbesuch zu konzentrieren. Ich war unruhig, abwesend und zerstreut. Folgte der Konversation nur spärlich. Schob es, auf Sashas Frage hin, der dies selbstredend bemerkte, auf den vollen Mond. Allerdings vermute ich, Sasha wusste genau, worüber ich grübelte. Er hoffte selbstredend, dass ich blieb.

Natürlich hatten ich noch einmal Sex mit Sasha und am frühen Morgen darauf, begleitete er mich dann mit trauriger Mine und recht still zum Flughafen.
In Winnipeg hatte ich noch Zeit. Ich speiste im Restaurant des Airports und ging ein Stück spazieren. Blieb jedoch in der Nähe des Flughafens, alldieweil Gunnar mir mitgeteilt hatte: „Wir treffen uns dort gegen vier.“
Ich setzte mich dann schlicht und einfach zurück ins Restaurant, trank Kaffee, wartete und tatsächlich kamen Gunnar und Alexa samt Balg, früher als erwartet. Ich war natürlich überglücklich meinen Mann wieder zu sehen (ihn zu fühlen, zu riechen, zu schmecken!). Alexa beachtete ich wenig.
Der Flug nach New Orleans verlief problemlos. Gegen halb elf Uhr abends kamen wir bei Marie und Henrik an. Die Zwillinge schliefen bereits.
Wir redeten noch ein wenig miteinander. Ich war sehr müde und erschöpft. Mit Marie hatte ich am Samstagabend bereits lange telefoniert. Wir verstehen uns immer besser, was überaus erleichternd für mich ist.
Und dann endlich wieder mit Gunnar zusammen in einem Bett und zwar OHNE Alexa und ihrem Balg. Die beiden hatten das Zimmer nebenan. Nur gut, dass dieses Haus mehrere Schlafzimmer hat! Und egal wie spät es auch war, Gunnar und ich wurden noch intim miteinander. Endlich mein Mann!!!
In diesen Momenten der Ektase schien es geradewegs so, als bemächtigte sich meiner Ayida, oder Damballah, wie schon einmal, damals, als ich am Ufer des Mississippi einem Ritual, zu Ehren Damballahs, beiwohnte und in Trance gefallen war. Gunnar hatte mich gefunden. Ich lag irgendwo im Unterholz, nahe der Sümpfe, und er hatte mich auf seinen Armen nach Hause getragen. In dieser Ekstase, in der wir uns beide während des Aktes befanden, ließen wir uns völlig gehen. Es kamen Laute aus meiner und Gunnars Kehle, wie damals, als ich mit Gunnar schlief und tatsächlich das Gefäß Damballahs war. Es war nicht genau dasselbe Gefühl wie vor Jahren. Nein. Aus diesem Grund nahm ich an, es sei Ayida. Ich war jedoch dann so derart erschöpft, dass ich sogleich nach dem Sex in Gunnars Armen einschlief wie ein Baby und nicht weiter zum Nachgrübeln darüber kam.

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Es ist unruhig geworden in dieser Gegend, gegenüber früher. Zum Ausschlafen kamen wir nicht. Wir wurden einige Male vom Lärm einer großen Baumaschine und auch anderen Autos geweckt. Letztendlich pellten wir und gegen neun aus dem Bett.
An diesem Morgen fand etwas Ungewöhnliches statt. Während Gunnar selbstredend zu Alexa und klein Ragnar hinüber gegangen war, umarmte mich meine Halbschwester Marie so innig wie…..lange nicht mehr. Ich kann mich nicht daran erinnern, WANN dergleichen das letzte Mal geschehen ist. Es ist ewig her.
Sie zog mich in die Küche und wir redeten über Sasha.
„Die Zwillinge werden es so wie so verraten, denke ich mir. Warum sagst du es Gunnar nicht einfach?“
„WAS soll Rea mir sagen?“, fragte Gunnar, welchen ich nicht hatte kommen hören. Er tat zwei Schritte zu mir hin und reckte den Kopf, um mir einen Kuss zu geben.
Ich wehrte ab. „Du stinkst nach ihr. Hast du sie gefickt?“
Gunnar tat empört ob meiner gewöhnlichen Ausdrucksweise. Seine Augen waren weit geöffnet und auf seine Stirn hatten sich Falten gelegt. Marie musste grinsen.
„Ja.“, antwortete er mir.
„Dann gehst du dich besser duschen bevor du mich küsst.“
„Also WAS sollst du mir sagen?“
„Pffffffhhhuuu…..“, blies ich bedenklich die Luft durch meine Lippen. Marie nickte mir zu.
„Also gut. Ich war ein paar Tage mit Sasha hier, bevor ich zu dir nach Ashern kam.“ Mir war nicht wohl bei diesen Worten. Daher machte ich ein besorgtes Gesicht und kaute auf meine Unterlippe herum.
Gunnar begann zu grinsen und lachte dann gerade heraus. „Das weiß ich doch schon längst.“
Ich war erstaunt. Aber warum wunderte mich das nicht? Natürlich hatte Gunnar alles in meinen Gedanken gelesen/gesehen.
„Und du bist nicht böse deshalb?“, fragte ich ihn.
Er lachte weiter. „Nein. Natürlich nicht. Ich bin doch auch mit Alexa hier. Ist schon okay.“ Dann wandte er sich an Marie. „Und wie haben es die Kinder aufgenommen?“, fragte er sie.
„Gunnar, du wirst staunen. Sehr gut.“, erwiderte sie.
„Sie hatten keine Angst vor ihm und schrien nicht?“ Gunnar zog die Mundwinkel nach unten.
„Nein. Im Gegenteil. Sie liefen auf ihn zu, als würden sie ihn bereits kennen. Er brachte sie sogar ins Bett. Sie vertrauen ihm eigenartiger Weise.“
„Haben die beiden irgendetwas dazu geäußert?“
„Ja.“, klinkte ich mich ein. „Sie sagten, dass Sasha ebenso anders wäre.“
„Ha! Meine klugen Kinder. Sie haben sofort erkannt, dass auch er, auf seine Weise, ein Magier ist und Gedanken lesen kann.“ Gunnar wiegte den Kopf. „Na ja, er ist ein Okkultist und natürlich nicht ganz wie wir. Was weiß ich schon, in welcher Weise er seine Magie bisher gebrauchte. Und wir werden sehen, wie das zukünftig wird. Wohin er tendiert. Ob seine Gegenwart gefährlich für uns ist oder nicht.“
„Ja. Mag sein, dass Sasha Gedanken lesen kann.“, steuerte Marie nachdenklich noch eine Theorie mit bei. „Aber womöglich meinten die Kinder das auch noch anders.“
„Wie?“, fragte sie Gunnar und kniff die Augen zusammen.
„Das er eben NICHT wie alle andern seiner Art ist?“
„Art?“ Gunnar stutzte. „Du meinst seiner Religion?“
„Ja. Zum einen schon. Aber wer weiß, was da noch in Sashas DNA so ist, dass ihn von anderen seiner Art unterscheidet.“
„Wie meinst du das?“
„Das kann ich dir noch nicht sagen.“, sagte Marie darauf. „Ich habe nur so ein Gefühl. Hatte die beiden Kinder beim Spielen beobachtet und ihnen zugehört. Nur was es bedeutet, weiß ich nicht. Und ich glaube, sie sind noch zu jung, um uns ausführlicher zu erklären, was sie meinen.“
„Ja. Du hast Recht, Marie. Zumindest könnte man sagen, dass die Kinder, als Wächter des Tores, die sie sind,  den Juden nicht als Bedrohung sehen?“
Marie nickte und Gunnar schien recht zufrieden damit zu sein.
„Vielleicht“, mutmaßte ich abschließend, „vermag ich Sasha von der Wahrheit, wie wir sie sehen, zu überzeugen.“
Gunnars Gesicht zeigte Zweifel. „Ich dachte, die strengen Regeln seiner Religion lassen keine Skepsis oder Abweichung zu?“
„Er lebt nicht so streng danach.“, sagte ich zu ihm. Erzählte ihm jedoch ebenfalls vom Rest der Familie und was ich über diese erfahren hatte.
„Oh mein Gott!“, rief Gunnar aus und stöhnte. „Ich glaube nicht, dass du das schaffst, Rea. Bei dieser Familie! Und seine Liebe zu dir vergeht irgendwann.“
„Ja. Ich weiß.“, erwiderte ich. „Daran dachte ich bereits ebenfalls.“
Gunnar ging mit Alexa duschen und kam dann mit dem glorreichen Einfall zurück, ich solle Sasha doch zu uns einladen.
„Ich vermute, er würde sicherlich so wie so am liebsten zu dir kommen. Oder irre ich mich da?“
„Ja. Du hast Recht.“, gab ich zu und ließ mich von Gunnar innig küssen. (Nun stank er nicht mehr nach Alexa!)

Während des Frühstücks redete ich noch einmal mit meinem Mann. Gestand ihm und allen anderen, dass ich kein gutes Gefühl dabei hatte, wenn ich Sasha hier her einlud. „Du weißt doch genau, wie es damals mit Derek war. Ich fühle mich nicht wohl dabei.“, sagte ich zu ihm. „Denkst du mit Sasha wird es besser sein? Wie stellst du dir das überhaupt vor?“
Gunnar hob kurz die Schultern und senkte sie wieder. „Alexa ist doch auch hier bei mir.“
„Wenn Sasha hier her kommen würde, ist das natürlich die Rechtfertigung für dich, wieder bei Alexa schlafen zu können.“
„Es war nicht böse gemeint.“ Gunnars Gesicht war ernst und sein Blick war liebevoll. „Ich dachte nur,….damit du nicht alleine schlafen musst, wenn…...“ Gunnar begann zu schmunzeln und ich wusste genau, was jetzt kam. „Aber wir könnten natürlich auch wieder alle drei in einem Bett schlafen, die hier wirklich groß genug dafür sind.“
„Nein. Und Nein.“, antwortete ich ihm entschieden!
Ich vermute Gunnar gedachte Sasha auf den Zahn zu fühlen und die Zwillinge zu beobachten, wie sie mit ihm umgingen. Aber, mir war schlicht und einfach nicht danach, Sasha hier zusammen mit Gunnar zusammen zu bringen. Denn ich konnte mich noch überaus gut daran erinnern, wie es damals mit Derek war. Es fühlte sich für mich nicht wirklich angenehm an.
Wir diskutierten noch eine Weile darüber. Marie und Henrik merkten ebenfalls dazu einiges an und sogar Óðinn Asger und Inula Castanea stimmten dem Gedanken ihres Vaters kindlich zu, Onkel Sasha wiedersehen zu können.
„Er wird gut.“, sagte der kleine Óðinn.
„Onkel Sasha ist zwei.“, meinte Inula Castanea dazu. Was auch immer das für die beiden bedeuten mag. Marie hatte Recht. Die Kinder waren noch nicht in der Lage, uns Erwachsenen begreiflich zu machen, WAS sie nun damit meinten. Oder WIR, als Erwachsene, vermochten einfach nicht zu verstehen, was die beiden damit sagen wollten. Selbst mit Gedankenlesen kamen wir nicht weit. Es waren Bilder die wir sahen und Gefühle der ehrlichen Freude, die wir wahrnahmen. Nichts weiter. Zudem merkte Gunnar an, dass die magischen Zwillinge bereits jetzt schon in der Lage wären, eine Blockade vor ihre Gedanken zu legen. Schlicht und einfach aus dem Instinkt heraus. Sie konnten es, ohne dass es ihnen jemand beigebracht hätte. Nichts destotrotz sollten sie sich DAS auch bewahren UND….noch viel mehr von DEM, was sie JETZT als Kinder wussten, wo sie noch die Verbindung zu ALLEM WAS IST  hatten.

Natürlich rief mich Sasha an. Oder besser ich ihn, als Gunnar mit Alexa am Duschen war. Es war nur ein kurzes Gespräch der üblichen Art, in welchen er sein Bedauern ausdrückte, dass ich nicht bei ihm war.
Und im Augenblick bedrängt mich Alexa. Sie müsse mit mir reden. Es war vorhin bereits kurz die Rede davon, dass wir beide endlich lernen müssten, miteinander auszukommen. Bla, bla, bla, bla………