Montag, 18. September 2017

Es ist kompliziert!



Gestern Vormittag rief ich Mary an, sobald ich aufgestanden war. Geschlafen hatte ich ohnehin nur wenig und nicht am Stück.
„Gunnar ist oben. Ich denke, dass er schläft. Er kam heute Morgen Sturz betrunken mit dem Auto angefahren. Ein Wunder, dass ihm nicht geschah. Der Große Geist, scheint über ihn zu wachen.“
„Hat er irgendetwas erwähnt? Gesagt?“
„Nein. Bis zu diesem Zeitpunkt nicht. Ich denke, wir lassen ihm seine Ruhe. Er wird von selber zu uns kommen, wenn es ihm danach ist. Um das Baby kümmern wir uns im Augenblick. Alexas Eltern scheint er verständig zu haben. Sie riefen heute Morgen zeitig an. Ich wusste nicht, was ich ihnen hätte sagen sollen. Sie kommen hier her, um ihre Tochter abzuholen. Und du, kommst du nicht auch?“
„Ich denke nicht. Mögen sich die Verhältnisse erst einmal ordnen und Gunnar seine Trauer leben. Womöglich bin ich dabei nur im Weg. Wenn er soweit ist, wird er sich bei mir melden. Denn ich weiß nicht, was er denkt und von mir erwartet.“
„Ja. Du hast vermutlich Recht.“
„Aber, soll ich nun tatsächlich Morgen mit Sasha nach Deutschland fliegen? Der Flug ist gebucht.“
„Das musst du entscheiden. Womöglich braucht dich Gunnar hier.“
„Es verlangt mich nicht danach, Alexas Eltern zu begegnen.“
„Das verstehe ich durchaus.“

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Dann rief ich Kevin an und brachte ihm die traurige Kunde. Er war überaus bestürzt. Äußerste jedoch nur vage Vermutungen, wo eine Ursache zu finden sein könnte.
„Du warst immer sehr eifersüchtig und hasserfüllt auf sie.“
An dieser Stelle, stimmte ich ihm zu. Und dann redete er weiter.
„Andererseits, Gunnar war derjenige, der sie kennenlernte und nicht vermochte, von ihr abzulassen. Natürlich warst du eifersüchtig. Das ist doch ganz normal. Am Ende weiß ich nicht wirklich, was ich dazu sagen soll. Wir warten besser an, wie Gunnar es verkraftet. Dann, kann man weiter sehen.“ Kevin hatte mir förmlich die Worte aus dem Mund genommen. Ich sah es ebenso wie er. Auch wenn er etwas irritiert gewesen war, was ich an der Wahl seiner Worte und den zaghaften Art des Sprechens hören konnte.

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Gegen zwei Uhr nachmittags, ich stand vom Sofa auf und legte mein Notebook zur Seite, wollte etwas essen gehen, da kam Sasha zu mir hin. Er war vorher im Keller an den Gewichten gewesen, hatte geduscht und nun gedachte er mich wohl darauf hinzuweisen, dass es an der Zeit sei, endlich essen zu gehen.
„Na, wieder ein paar verschwörerische Geschichten verbreitet?“, fragte er mich etwas spöttelnd, jedoch nicht böse.
„Nein, nur Wahrheiten. Das ist mein Auftrag. Nicht du überzeugst mich, sondern ich dich, was die Sicht auf die Welt betrifft.“, scherzte ich mit ihm. Und im Grunde war es nicht wirklich ein Fake. Ich meinte es durchaus ernst. Denn es war an mir, Sasha von der Wahrheit zu überzeugen. Zumindest von all DEM, was mir bisher bekannt geworden war.
 „Die Politiker tun nichts für ihre Völker. Sie tun genau DAS, was Israel ihnen sagt.“, sagte ich zu Sasha und der runzelte die Stirn. „Siehst du das noch immer nicht?“, fragte ich ungeduldig und hob die Augenbrauen.
Und dann begann eine Diskussion, wie wir sie oft zu Beginn unserer engeren Beziehung hatten.
 „Es ist so schön mit dir.“, bog er dann nach einer Weile ab und wechselte das Thema.
„Also siehst du unser Zusammensein noch nicht als selbstverständlich an?“, stieg ich darauf ein.
„Nein. Und du weißt genau warum.“
„Ja natürlich, wegen dem Tod von Alexa und weil Gunnar sich nun endlich, in absehbarer Zeit, wenn er seine Trauerphase überwunden hat, wieder allein auf mich konzentrieren kann. Aber was ist mit dem Baby?“, sinnierte ich noch weiter, ohne Sasha dabei anzusehen.
Sasha schmunzelte. „Womöglich erwartet Gunnar, dass Du es als das Deine siehst.“, und dann gingen wir essen.

Der Abend war ruhig und viel zu lang. Alldieweil ich ins Geheim auf einen Anruf von Gunnar oder Mary Rainbow Women wartete.
Sex gab es keinen. Auch heute Morgen nicht.
Ich hatte zwar gestern gegen Abend bereits gepackt, wusste jedoch, für mich, noch nicht, wohin die Reise geht. Sollte ich nun doch besser zu Gunnar fliegen? Oder mit Sasha nach Deutschland. DAS war für mich die entscheidende Frag an diesem Morgen.
Zudem hatte ich einen äußerst bizarren Traum, der mich total verstört aufwachen lies.
Als ich mich neben Sasha bewegte, schlug auch er die Augen auf. „Guten Morgen, meine Schöne.“ Er lächelte mich an.
„Gib mir mein iPhone.“, befahl ich in gebieterischem Ton.
Er legte die Stirn in Falten und sah mich fragend an. „Was ist mit dir?“
Ich erzählte ihm kurz von meinem Traum und dann wiederholte ich die Aufforderung, mir mein iPhone zu reichen und Sasha wusste genau warum. Ich hatte beschlossen, Gunnar anzurufen.

Das Gespräch mit meinem Mann, nachdem er seine Mätresse verloren hat.
Es läutete lange, bevor Gunnar Stimme zu hören war.
„Ja.“, sagte er in kratzigem Ton und es verriet mir, dass er wohl offenbar gerade noch am Schlafen gewesen war und sicherlich gleichwohl noch nicht nüchtern. Aber dies verstand ich durchaus. Und ich wusste nicht, wie beginnen? Was sollte ich nur sagen, damit er nicht ärgerlich wird. Denn ich war sicherlich die Letzte gewesen, mit der er im Augenblick zu sprechen gedachte. Zumindest vermutete ich dies. Also stellte ich die unverfänglichste und natürlichste Frage der Welt.
„Wie geht es dir?“ In meine Stimme hatte ich Mitgefühl gelegt und es war in keinster Weise gespielt. Denn er tat mir tatsächlich leid, so wie er derzeit litt.
„Was denkst du wohl.“, kam die etwas patzige Antwort zurück, die mich verschreckte und mein Schuldgefühl sofort um ein Vielfaches potenzierte.
„Es tut mir so leid….“, begann ich einen Satz und ich wusste im Grunde nicht, wie weiter. Aber Gunnar nahm mir diese Entscheidung ab. Denn er fuhr mir ein wenig schroff dazwischen.
„WAS tut dir denn leid? Das sie tot ist? Wohl kaum. Du hast sie doch gehasst. Wolltest, dass sie verschwindet. Jetzt ist sie weg.“, und wie von mir vermutet, schwang in seinen Worten ein Vorwurf in meine Richtung mit. Zumindest deutete ich Gunnars Worte so.
„Du hast Recht.“, wurde ich bestimmter. „Ich habe sie nicht gemocht. Warum hätte ich das auch tun sollen. Ich liebe dich, Gunnar und SIE war mir selbstredend im Weg. Sie beinahe jeden Tag an deiner Seite zu sehen, zu wissen, dass du bei ihr bist und mit ihr schläfst, waren für mich die täglichen Messerstiche in mein Herz….“ Verstehst du das nicht, hätte ich am allerliebsten noch herrisch hinterher gelegt. Jedoch ließ ich es sein, denn ich wusste, dass Gunnar im Augenblick sehr, sehr traurig ist. Infolgedessen milderte ich meinen Tonfall ab. Alles andere wäre herzlos gewesen.
„Warum rufst du überhaupt an? Ich hätte mich schon noch bei dir gemeldet.“ Seine Worte bestürzten mich. Jedoch blieb ich still und er sprach weiter. „Ist es deshalb, weil du dich schuldig fühlst und ich dich von Deiner Schuld freisprechen soll?“
Ups! Nun hatte er (m)einen Nerv getroffen. Jedoch gab ich es nicht zu, sondern lenkte seine Aufmerksamkeit auf den bevorstehenden Flug.
„Nein. Deshalb rufe ich NICHT an. Und ich hätte dich für wahr nicht gestört, so wie du es mir durch Mary hattest übermitteln lassen, ginge es nicht um den heutigen Flug. Soll ich zu dir nach South Dakota fliegen, oder mit Sasha nach Berlin? Denn der Flug nach Berlin, sowie der nach South Dakota gehen in etwa zwei Stunden. Ich muss mich entscheiden. Also, WAS soll ich tun? DESHALB rufe ich dich an.“
Atmen und eine Weile der Stille am anderen Ende.
„Natürlich habe ich darüber nachgedacht. Allerdings finde ich es im Augenblick unangebracht…..irgendwie. Vor allem für dich. Ich nehme an, es ist nicht unbedingt dein Wunsch, Alexas Eltern hier zu treffen. Sie kommen heute hier her, um ihre Tochter mit sich nach Kalifornien zu nehmen, wo sie dann beerdigt wird. Ich werde sie begleiten und Ragnar kommt mit. Was nun genau danach geschehen wird, darüber habe ich im Einzelnen noch nicht nachgedacht. Mir schwebt da vor allem eine Auszeit vor, um mich zu sammeln. In dieser Zeit werde ich Ragnar vermutlich bei ihren Großeltern lassen, bevor ich ihn wieder mit zurück nach Schweden nehme. Er ist MEIN Sohn UND……ich erwarte von dir, jetzt, da Alexa tot ist, dass du ihn als Deinen annimmst. So wären WIR dann die kleine, glückliche Familie, wie du es immer so schön formuliertest. Und für HEUTE gilt, reise mit deinem Juden nach Berlin, wenn du es denn willst.“
Hüstel! Räusper! Schnauf! WOW! Ups! WAS für ein Vortrag und da sagte Gunnar doch tatsächlich, er hätte noch nicht umfassend über die Zukunft nachgedacht. Das Gegenteil scheint mir der Fall zu sein. Das waren doch recht klare Aussagen für jemand, der meint, noch nicht zu wissen, wie es weiter geht. ES ist nun an mir seine Worte zu verdauen und ….ihm (die richtige) Antwort entgegen zu bringen.
Zudem vermute ich auch, dass Alexas Eltern selbst nicht wirklich erfreut sein können, mich zu sehen. Da ich doch die erbittertste Konkurrentin ihrer Tochter war und sie wussten, dass ich sie nicht mag. Es wäre so wie so geheuchelt, würde ich auf ihrer Totenfeier erscheinen, Bedrücktheit mimen und ihnen ehrliches Bedauern entgegen bringen wollen. Selbst, oder gerade ICH möchte mich dieser Situation mitnichten aussetzen. An dieser Stelle gebe ich Gunnar Recht.

Sashas Vermutungen schreiten nun in der Tat durch Gunnars Worte ins Licht. Gunnar möchte, dass ich Alexas Kind als meines annehme und seine Mutter bin. Sicher als Ausgleich dafür, dass ich mir ihren Tot gewünscht und ihn so offenbar magisch forcierte. Sei es nun so oder nicht, dass sie auf meinen magischen Wunsch hin verunglückte/verstorben ist. Ich vermag es nicht zu sagen. Kann es nur vermuten und im Grunde vermag es niemand wirklich zu wissen, oder zu behaupten, dass ich tatsächlich darin involviert bin. Auch Gunnar nicht. Aber dieser Ausgleich ist wohl auf magische Weise sogar gerecht. Also, WAS wird mir am Ende übrig bleiben, als das, was Gunnar von mir verlangt. Aber egal, für den Augenblick, konzentrieren ich mich vorerst auf die Aussage der Auszeit, welche Gunnar da erwähnte UND….auf meinen Flug mit Sasha nach Berlin. Da Gunnar es nun offenbar so will. Oder deute ich da etwas hinein? Will ich es womöglich sogar so?
Im Augenblick sind meine Gefühle so derart zwie-gespalten, dass ich selbst nicht weiß, was ich eigentlich will, oder tun sollte. Ob ich mich nicht selbst mit Gedanken und Worten hintergehe oder ausmanövriere. Ob ich nicht zum größten Teil tatsächlich Gunnar nur deshalb anrief heute Morgen, um mich von der Schuld an Alexas Tod von ihm freisprechen zu lassen.
Es ist kompliziert. Dieser Satz ist durchaus eine treffende Formulierung für so ziemlich alles, was im Augenblick in meinem Leben vor sich geht.

Den größten Teil dieses Eintrages bereitete ich gestern schon vor. Nun sitze ich mit Sasha im Flugzeug nach Deutschland. Aussteigen…..ist nun nicht mehr. Ankunft in Berlin gegen 5.00 Uhr morgens.