Montag, 20. Januar 2020

Stichtag „Samhain“?


Es ist geschehen. Das schier Unmögliche ist passiert. Oder anders, DAS, was MIR bisher nicht möglich war zu tun, (alldieweil ich gleichwohl zu feige dazu war) hat sich nun erfüllt/ereignet.
Man erinnere sich, einerseits sehnte ich mich nach Gunnar, meinen einstigen, schwedischen Mann. Ich träumte sogar von ihm. Andererseits wusste ich, dass es Sasha gegenüber nicht rechtens wäre, nicht fair sein kann, Gunnar überhaupt wiederzusehen. Denn mir war nur allzu deutlich bewusst, dass mich ein Treffen mit diesem, einst so überaus geliebten Mann in meinem Fühlen erneut durcheinanderbringt.

Des nachts hatte ich einen Traum, oder war es eher eine Vision? Aller Wahrscheinlichkeit nach jedoch ein telepathischer Informationstransfer, in welchem Gunnar mir zu verstehen gab, dass ich zum Zauberwald fahren solle, würde ich ihn treffen wollen.
Nun, da ich mich im Augenblick gesundheitlich noch nicht in der Lage fühle weitere Strecken zu fahren, rief ich Gunnar schlicht und einfach an, sobald Sasha frühmorgens aus dem Haus gegangen war und siehe da, Gunnar war NICHT überrascht (nach dieser langen Zeit des Schweigens von mir zu hören).
Es brauchte nicht viele Worte um klarzustellen, dass es weder ein Traum noch eine Vision gewesen war. Gunnar hatte mich in der Tat telepathisch kontaktiert. Und da ICH mir zu Beginn nicht wirklich sicher war, dachte ich mir, dass es im Zeitalter der Technik eben das Simpelste sei ihn anzurufen, (wozu ich bisher den Mut nicht fand).
Zuerst schlug ich ihm vor, dass er ins Zentrum kommen solle. Er wollte es nicht. Doch schlussendlich einigten wir uns darauf, uns an einer bestimmten Straße, an einer Kreuzung zu treffen. Das Heikelste für mich war jedoch mit meinem Wagen die Lokalität zu verlassen, sodass es niemand sah. Vor allem Sasha nicht.
Ich war aufgeregt, als ich in mein Auto stieg. Noch viel mehr, als ich am Bürogebäude vorüberfuhr und dann zum Tor hinaus. Mir pochte das Herz wie wild. – War dies nun eine angenehme Aufregung? Oder doch eher schädlich für mich? – Ich hätte mir am aller liebsten eine Tarnung gewünscht.
Der Treffpunkt ist nicht allzu weit vom Zentrum entfernt gewesen und das war gut so. Denn ich bemerkte recht bald, dass meine Kraft noch nicht wirklich ausreicht, um sicher zu fahren.
Von Weitem schon, sah ich an der Abfahrt einen Wagen stehen und ich wusste, dass es Gunnar war, der dort auf mich wartete. Ich parke ein, fasste Mut und stieg aus. Dort stand er nun, keine zehn Meter weit von mir entfernt. Ich ging erwartungsvoll und zügig auf ihn zu. Ohne Worte umarmten wir uns. Er hielt mich fest und tat dann einen Ur-Schrei der Erleichterung, so wie ich auch, kurz nach ihm.
Nach einigen wenigen und eher unbeholfenen Floskeln der Begrüßung und dem Austausch von Höflichkeiten, einigten wir uns darauf doch besser in ein Restaurant zu gehen. Es war nicht wirklich kalt und die Sonne stand bereits am Horizont, nur angesichts meines Gesundheitszustandes schien es mir sicherer zu sein, uns ins Warme zu begeben, wo es uns möglich wäre, eine entspanntere Unterhaltung zu führen. Wir wählten ein Restaurant gleich in der Nähe, da ich nicht gewillt war noch ewig weiter zu fahren. Denn mir war durchaus bewusst, dass mir die Kraft dazu fehlte und ich zudem den Rückweg noch vor mir sah.

Als wir dann so zusammensaßen, war es, als hätte es nie eine Zeit dazwischen gegeben. Eine Zeit, in welcher wir getrennt gewesen waren. Es war alles so vertraut,…MIT ihm. Einer von uns beiden begann einen Satz und der andere beendete ihn. So erstaunlich für mich und……ich sah, mir gegenüber diesen wunderschönen Mann, welchen……..ich nie aufgehörte hatte zu lieben. Ich sagte es ihm und wir sprachen über alles was war, was ist und……sein könnte, wenn ich es nur will.
Natürlich wäre er für einen kurzen Moment böse auf mich gewesen, als ich ihm eröffnete, dass ich bei Sasha bleiben will. Aber Erik hätte mit ihm darüber gesprochen, ihm erklärt, dass es womöglich gut wäre mir Zeit und Ruhe zu lassen, um vorerst diese Krankheit zu überstehen und im Nachhinein, sagte er, hätte er es ebenso gesehen und sich recht zügig beruhigt. Zudem auch selbst gewusst, dass unser Plan nach wie vor steht. Er selbst hätte ihn immer verfolgt, nie aufgegeben und gewusst, dass wir in nicht allzu ferner Zeit wieder beieinander wären. All seine Worte unterschieden sich nicht von DEM, was ich fühlte. Also schlussfolgere ich nun, es wird tatsächlich wieder so sein, dass wir, Gunnar und ich, in nicht allzu ferner Zeit, wieder zusammen sind.

Bei allen Träumen und schönen Worten, kam ich dann auf meine Kränklichkeiten zu sprechen und wie es mir derzeit so ging. Ich äußerte meine Befürchtungen dahingehen, dass er mit meinen zusätzlichen körperlichen Einschränkungen und Veränderungen womöglich nicht umgehen kann. Insbesondere mit nur einer Brust. Denn ich hatte ein Implantat oder eine spätere OP abgelehnt. Gunnar stimmte mir dahingehend sogar zu. Das wäre selbstverständlich so okay. Er hätte nichts Anderes von mir erwartet. Gerade was die Schulmedizin betrifft, sind wir einer Meinung. Daher verstand er auch meine Zustimmung zu der Chemo nicht.
„Du musst es sehen! Schau es dir an! Ich will das du es siehst!“, sagte ich zu ihm.
Er wendete den Kopf und zeigt in Richtung Ausgang. Ich stand auf und ging voraus zu den Toiletten. Gunnar folgte mir. Wir betraten beide den Restroom für Frauen und er bedeutete den zwei Frauen, welche sich dort befanden, zu gehen. Die Eine schaute zweifeln. Kniff die Augen zusammen, erwiderte jedoch nichts. Die andere empörte sich, aber ging.
Ich öffnete Mantel und Bluse. Hob mein Top und zeigte ihm……den Schnitt, die Narbe. Kein Entsetzen, keine Befremdlichkeit, nicht eine negative oder auch nur der Hauch einer abstoßenden Veränderung der Mimik zeigte sich auf Gunnars Gesicht. Keinen noch so kleinen Augenblick lang. Im Gegenteil. Er schmunzelte.
„Nun, dann bin ich eben mit der einen Brust zufrieden.“, sagte er.
Ich sah ihn trotz alledem zweifelnd an.
Bevor wir uns trennten unterhielten wir uns noch über seine anderen Frauen. Denn ich wollte nicht, dass es wieder so wird, wie es einst war.
Er versprach mir im Wesentlichen treu zu sein und ich glaubte ihm nicht. Gab ihm dies zu verstehen und ebenso, dass mir derzeit, und wohl ebenso zukünftig nicht täglich nach Sex sein würde, so wie er es vielleicht erwartet.
„Du wirst es nicht aushalten ohne fremd zu gehen.“, sagte ich zu ihm.
Er wiegte den Kopf hin und her. „Versuchen wir es. Ich bin guten Willens. In mir hat sich viel verändert, durch die Zeit bei Erik.“
„Ja, das mag sein.“, stimmte ich recht skeptisch zu. „Nur kann ich dir tatsächlich Glauben schenken, dass es keine anderen Frauen mehr für dich geben wird?“
Und in diesem Augenblick kam Gunnar auf Sasha zu sprechen. „Ist ER dir stets treu gewesen?“, fragte er.
OHA! Nun kam ich in Erklärungsnot und dennoch blieb ich bei der Wahrheit, wie es sich geziemt für Menschen, welche sich einst schworen, sich immer die Wahrheit zu sagen. Infolgedessen kam ich nicht umhin ihm zu gestehen, dass auch Sasha nicht 100% treu gewesen war. Gunnar lächelte nur.
„Ja, ich weiß. Was erwarte ich dann erst von dir?“
„Rea, du musst dich deshalb nicht sorgen. Es wird nicht wieder so wie früher sein. Glaube mir. Auch wenn es dir jetzt noch weniger nach Sex zumute ist. Das verstehe ich doch.“
„Ich wünschte, ich könnte dir glauben.“
„Dann glaube es mir doch ganz einfach und wir versuchen es erneut miteinander, genau SO, wie wir es vor über einem Jahr vereinbart hatten.“
„Bist du nicht noch immer mit Malika verheiratet?“, fragte ich ihn.
„Ja. Es braucht ein Jahr damit ihre Familie bleiben kann. Ich werde mich im Juli, August, oder spätestens im September von ihr scheiden lassen. Sie weiß Bescheid. Aber bis dahin, wenn du magst, können wir schon zusammen sein.“
Ich tat einen tiefen Atemzug und Gunnar wusste um meine Bedenken. Dass es gleichwohl um Sasha ging.
„Du hast dich bereits an ihn gewöhnt. Nichtwahr?“, fragte er mich und ich vermochte es nicht zu verneinen.
„Aber da ist doch seine Liebe, seine Loyalität und Aufrichtigkeit.“, warf ich ein.
„Aufrichtigkeit?“ Gunnar runzelte die Stirn. „Er hat dich von Anfang an belogen. Weißt du es nicht mehr? Und späterhin sicherlich auch.“
Ich antwortete nicht. Dachte (an die Fake-Hochzeit aus politischen Gründen) nur, WELCHER von all den Männern lügt denn nicht???

Mehr als ich es beabsichtigte, ließ ich mich auf Gunnars Gedankenspiele ein und wir sprachen über das Datum unserer Hochzeit. Es soll erneut Beltane sein, womit ich einverstanden war.
„Wir könnten aber vorher schon zusammen sein, wenn du magst.“, schlug er noch einmal vor. „Wie wäre es, wenn wir das Neujahrsfest der Kelten als Stichtag wählen. Samhain. Etwas Altes geht zu Ende und etwas Neues beginnt.“ Gunnar zwinkerte mir zu und lächelte mich an.
Somit hatte er mir Zeit gegeben. Mich nicht gedrängt. In den Monaten bis dahin konnte ich noch ein wenig genesen und mich an den Gedanken gewöhnen, bald wieder mit Gunnar zusammen zu sein. Außerdem……..mich von Sasha im Inneren zu verabschieden. Nur, ist DAS wirklich MEIN Wunsch, nachdem er mir in diesen schweren Zeiten so loyal und liebevoll zur Seite stand??? Ich weiß es nicht? Genau DARÜBER muss ich nachdenken.
Gunnar sorgte sich dann noch um mich, wollte mich zurück zum Zentrum bringen und dann von dort aus ein Taxi zurück zu seinen Wagen nehmen. Es wäre ohnehin nicht wirklich weit gewesen. Daher versicherte ich ihm, dass ich durchaus in der Lage wäre diese kurze Strecke zurück alleine zu bewältigen,…….obwohl ICH mir selbst dann doch nicht wirklich sicher war.


Noch rechtzeitig war ich zum Lunch im Zentrum zurück. Hielt gleich am Bürogebäude an, alldieweil ich davon ausgehen musste, dass mich Sasha so wie so mit dem Wagen gesehen hatte. Nachdem ich mich die Treppen zum Büro hinaufgequält hatte, erklärte ich ihm, dass ich nur versuchsweise ein kleines Stück gefahren sei (und er nahm die Lüge hin/an). Allerdings hatte ich Mühe Gunnar aus meinen Gedanken zu verbannen, damit Sasha es nicht noch bemerkt. Das war nicht leicht.
Sasha und ich unterhielten uns noch kurz über Geschäftliches, gingen gemächlich die paar Schritte zum Restaurant hinüber und dann fuhr ich (mit letzter Kraft) das kurze Stück mit meinem Wagen zurück zu meinem Haus, während Sasha ins Bürogebäude ging. Ich war total erschöpft. Ruhte aus und…..schrieb dann das Geschehene auf.