Es soll die kommende Woche noch einmal wärmer und sonnig
werden. Womöglich bleiben wir doch noch eine Weile länger hier als geplant.
Vergangene Nacht waren es gerade einmal Null, oder sogar geringe Minusgrade gewesen,
dachte ich gestern noch so, bevor etwas Einschneidendes und völlig Überraschendes
geschah.
Nach unserem gemeinsamen Frühstück war Gunnar gerade mit Adam,
seinem Onkel Leo, Michael, Ryan und Robert aufgebrochen, um Angeln zu gehen und
als hätte er genau das Weggehen der Männer abgewartet, stand mit einem Mal
Sasha in der Tür. So überraschend, dass ich das Handtuch fallen ließ, welches
ich gerade noch in der Hand gehalten hatte. Ich stand da wie angewurzelt und
starrte. Der Atem war mir kurzzeitig gestockt. Dann pustete ich, versuchte zu
lächeln und sah ihn mit großen, weit geöffneten Augen an.
„Was tust DU denn hier?“, fragte ich ihn.
Sasha lächelte mich an. „Du willst nicht mit mir reden? Da
dachte ich, ich komme einfach zu dir.“
„Woher wusstest du…..?“, begann ich die Frage zu
formulieren und mit Sashas Mimik beantwortete sich die Frage selbst. Er hatte
natürlich seine „Quellen“. Für IHN scheint förmlich alles möglich zu sein.
Sasha kam auf mich zu. Umarmte und küsste mich. Ich war
nicht in der Lage mich dagegen zu wehren. Denn da waren noch immer Gefühle für
ihn, die in mir emporschossen wie in ein Vulkan, als er mich berührte.
Agnes, Adams Tante, hatte offenbar bemerkt, dass jemand
gekommen war. Stand nun in der Tür und räusperte sich.
Sasha ließ mich los. Er drehte sich um und wir beiden
sahen zu ihr hin.
Ich ergriff sogleich die Initiative. „Du kennst Sasha sicherlich
noch?“, fragte ich mit Unschuld in der Stimme, als wäre nichts weiter
geschehen.
Sie nickte. „Ja.“ Und womöglich war es sogar vorteilhaft,
dass sie letztendlich im Zimmer blieb und sich mit irgendetwas beschäftigte.
Sonst hätte mich Sasha förmlich überrollt, so euphorisch wie er war. Seine
Liebe zu mir scheint nicht abgekühlt zu sein. Ganz im Gegenteil. Sie hat sich
offensichtlich noch potenziert.
Wir redeten miteinander und immer wieder versicherte er
mir, dass er weiter um mich kämpfen wird und ich am Ende ihm gehören würde.
„Komm‘ lass‘ uns nach draußen gehen.“, sagte er und
versuchte meine Hand zu greifen.
Ich tat einen Schritt zurück. War misstrauisch gewesen. „Wer
sagt mir, dass du mich nicht einfach in dein Auto zerrst?“
Er lachte. „Ja. In der Tat. Eine gute Idee. Das könnte ich
tun und vielleicht würde ich es auch. Aber, kommst du freiwillig mit mir nach
draußen, dann lasse ich dich auch wieder gehen.“
WAS war DAS denn für eine Antwort??? Wie hatte ich DAS zu
verstehen.
Dann wurde er milder. Bettelte sogar. „Komm doch mit. Wir
gehen raus zu meinem Wagen. Dort können wir ungestörter reden.“ Und wieder kam er näher zu mir hin und
hauchte mir ins Ohr. „Ich würde so gerne mit dir schlafen.“ Seine Hand fuhr
über meinen Po.
Pfffffhhhhhhh……..Das rief zwiespältige Gefühle in mir
wach. Zum einen hätte ich schon gern……gewollt. Zum anderen dachte ich an die
Schmerzen UND vor allen an Gunnar (!). Gerade JETZT wo keine Andere zwischen
uns stand, wo wir neu begonnen hatten, sollte ausgerechnet ICH ihm untreu
werden??? NEIN! Niemals!!!
„Du hättest doch sicher Lust darauf. Oder sehe ich das
falsch in deinen Augen?“ Sasha sah mich an und schmunzelte.
Und dann ist mir Claire eingefallen. „Du hast mit Claire
geschlafen.“, warf ich ihm vor, was natürlich in keinster Weise ernst zu nehmen
war.
Er lachte. „Und du mit deinem Mann.“
„Aber ICH bin verheiratet mit ihm!“, verteidigte ich mich
und dann begann eine kurze Diskussion um diese Frau, in welcher er mir erklärte,
was sie für ihn noch bedeutet.
In jedem Fall beabsichtigt Sasha um mich zu kämpfen bis zum
Ende. Und er ist sich sicher, dass er mich am letzten Endes doch bekommt.
Claire wäre, im Augenblick, ähnlich wie Hanna Martensson, eher
eine Bettmatratze, auf der er schlafen kann, wenn es ihm beliebt. Oder wenn
meinetwegen frustriert sei. Dann doch lieber mit ihr als allein, hatte er
angemerkt.
„Mag sein, dass sie mir früher einmal etwas bedeutet hat,
zugegeben, sie war und ist immer noch eine schöne Frau, aber seit ich dich
gesehen und dann kennengelernt habe, war sie für mich uninteressant.“
„Du solltest sie heiraten. Sie passt gut zu dir und träumt
von einem Leben mit dir zusammen.“
Sasha antwortete nicht darauf. Stattdessen startete er
einen neuen Versuch, mich aus dem Haus zu locken, auf welchen ich
selbstverständlich NICHT eingegangen bin.
Nach ewigem hin und her, Streicheln, Berührungen und
weiteren Küssen, denen ich mich willig hingegeben hatte, gab er schließlich
auf. Denn ich ließ keinen Zweifel daran, dass ich Gunnar über alles liebe und
es mitnichten meine Absicht sei, ihn zu betrügen.
Dann stellte er mir eine letzte Frage. „Gäbe es Gunnar
nicht, kämst du dann mit mir?“
Ich überlegte kurz und nickte dann. Weil es der Wahrheit
entsprach, und das nicht NUR in diesem Augenblick.
Als Sasha gegangen war, dachte ich darüber nach, wie es
möglich war, dass ich noch immer etwas für ihn empfand. Als er mich berührte
und küsste, war ich kurz davor nachzugeben und mit ihm raus zu seinem Wagen zu
gehen.
Die Vernunft hat gesiegt.
Als Gunnar am Abend kam und ich ihm erzählte, was
geschehen war, war er außer sich vor Sorge. Er umarmte mich und hielt mich
fest. „Ich bleibe bei dir. Gehe nicht wieder fort. Lass dich keine Minute mehr
aus den Augen.“, sprach es und drückt mich noch fester an seinen Körper, was
mich ein erleichterndes „ahhhh“ ausatmen ließ.
„Der Mann ist nicht fähig einzusehen, wenn er verloren
hat. Der geht aufs Ganze und kann es offensichtlich auch. Mit all seinem Geld
und den Verbindungen seiner Familie.“ Gunnar hatte mich losgelassen und ging
nun aufgeregt vor mir hin und her. Hatte einer Denkerpose angenommen, mit dem
ausgestreckten Zeigefinger kratzte er sich den Kopf. „Er wird tatsächlich nicht
aufgeben. Hat keinerlei Achtung vor einem fairen Kampf, wie man ihn pflegt
unter Männer auszutragen, geht es um eine Frau. Ich meine, da gab es Troels,
Ian und Derek. Sie haben alle fair gekämpft und ich wusste, dass mir keiner
gefährlich werden kann. Aber dieser Kerl, ist der Ausbund an Hinterhältigkeit.“
„Er hätte mich genauso gut schon heute in sein Auto zerren
können.“; merkte ich an und verteidigte Sasha sogar noch unwissentlich damit.
„Er spielt. Liebt es seine Macht zu demonstrieren. Wie
eine Katze, die genau weiß, dass sie der Maus in jedem Augenblick den Todesbiss
zufügen kann.“
„Ist es nicht genau DAS, was Männer mögen? Die Jagd.“
Gunnar lächelte betreten. „Ja. Aber ICH würde niemals
unfair kämpfen.“
„Was hat er bisher so Unfaires getan?“ Diese Frage hätte
ich nicht stellen dürfen.
„Dich unter Drogen gesetzt und entführt. Dich verhexen
lassen. Dich beeinflusst und gegen mich aufgewiegelt. Mit dir gelebt, als hätte
er dich bereits in seinem Besitz. Der Mann ist gefährlich. Wir müssen
vorsichtig sein.“ Zum Glück war Gunnar so aufgeregt, dass er es offenbar nicht
einmal bemerkte, dass ich kurzzeitig sogar Position für Sasha bezog. Oder
zumindest um Verständnis für ihn heischte.
„Du hast Recht.“, sagte ich schließlich zu Gunnar und
meinte es genauso. Ich krallte mich an ihm fest. Hatte meinen Kopf an seine
Brust gelehnt.
„Hat er dich berührt? Geküsst?“, fragte Gunnar mit einem
Mal und ich vermag nun einmal nicht zu lügen.
„Ja und ich ließ es zu. Gedachte nicht, ihn zu verärgern.
Es war niemand weiter dagewesen außer Agnes. WER hätte mir helfen sollen, hätte
er mich schlussendlich doch noch in seinen Wagen gezerrt?“, rechtfertigte ich
mich. „Es war einfach nur eine Strategie, um ihn nicht zu provozieren und ihn
guter Stimmung zu halten. Und ich hatte Glück. Letztendlich ist er doch
gegangen. Ich hatte es ihm deutlichst gesagt, dass ich nicht mit ihm gehen
will. Nicht einmal zu seinem Wagen und auch zukünftig nicht. Ich hatte ihm unmissverständliche
Worte gegeben, das ich dich liebe, Gunnar, und niemals mehr verlassen werde.“
Das alles, was ich Gunnar nun zu meiner Verteidigung gegenüber brachte,
entsprach der absoluten Wahrheit. Ich log keineswegs. Das könnte ich nicht! Und
er wusste das.
Wir diskutierten noch lange über das Geschehen.
Insbesondere Gunnar machte sich Sorgen und meinte, es wäre wohl besser bei mir
zu bleiben, anstatt mit den anderen am nächsten Tag erneut in den Wald zu
gehen.
„Wollen wir noch bleiben? Oder fliegen wir nun doch
woandershin?“, fragte ich meinen Mann.
Der wiegte seinen Kopf hin und her. Zog die Brauen hoch. „Er
weiß, dass wir hier sind und kann jeden Moment erneut hier erscheinen. Was bedeutet,
dass ich dich besser keinen Augenblick mehr aus den Augen verlieren darf.“
Letztendlich entschlossen wir uns, doch noch einige Tage
zu bleiben.
„Und was ist unser nächstes Ziel?“, fragte ich Gunnar
schlussendlich.
„South Dakota.“, antwortete er mir mit einem traurig,
versonnenen Blick.
„Und du meinst, das ist klug?“, fragte ich ihn.
„Magst du nicht bei Mary und Rodney sein?“
„Doch schon. Ich dachte nur an dich dabei. Brächte es
nicht schmerzliche Erinnerungen zurück?“
„Dann nach New Orleans vielleicht?“
New Orleans ist für mich nicht mehr DAS, was es einst
gewesen war. Durch Gunnars Kinder dort, verlor dieser Ort für mich seinen Reiz.
Gunnar sah mir mein Unbehagen an und stutzte. „Nach
Kalifornien willst du sicher nicht.“
„Nein.“, entgegnete ich rasch.
„Was dann? Hawaii?“
„DAS wäre mir recht.“
„Oder fliegen wir besser wieder nach Hause, jetzt wo
dieser Jude offenbar zu einem Schlag gegen uns ausholen wird.“
Ich dachte kurz nach. „Ja. Vielleicht hast du sogar Recht.
Wir bleiben noch ein paar Tage hier bei Adam und dann geht es zurück nach
Schweden.“
„Kevin wird erleichtert sein.“, versuchte Gunnar noch zu
witzeln und mich aufzuheitern. Jedoch bemerkte ich, wie angespannt er war. Aber
dann wurde er ernster. „Da hast du dir eine Laus in den Pelz gesetzt.“
„Ja. In der Tat. Ich hätte ihn damals nicht erst
einstellen sollen.“, war mein abschließender Kommentar dazu.
Heute Morgen hielt es Gunnar nicht mehr…..aus. Er rief
Sasha von meinem iPhone aus an und am Ende war er noch niedergeschlagen als
zuvor. So hatte ich ihn noch nie gesehen. Er sorgte sich um uns und hat aller
Wahrscheinlichkeit nach jeglichen Grund, dies zu tun.