Montag, 28. Januar 2019

Die verlorene Tochter


Trotz der für mich recht anstrengenden Reise nach Tel Aviv, bestand Sasha darauf am Abend noch auszugehen. Wir waren in einem Club und trafen dort einige seiner alten Freunde. Unter anderem ebenso eine, oder besser DIE Frau, mit welcher Sasha damals, vor etwa zwanzig Jahren zusammen war. Bei unserem letzten Besuch in dieser Stadt, hatte er sie nicht gefunden. Denn er vermutet, dass ihre Tochter die Seine sei. Infolgedessen suchten wir heute diese Frau auf. Sasha hatte sich am Morgen bereits mit einem Freund  (in Hebräisch) am Handy über sie unterhalten und ihre Adresse bekommen. Da ich es nicht verstanden hatte, berichtet er mir dann, dass seine ehemalige Freundin verheiratet sei, was er bereits wusste, und eine Tochter hätte, die er in jedem Fall sehen möchte. Die Frau selbst (Asha Ashkenazi-Lublinsky), - Namen spielen hier nicht wirklich eine Rolle -schien kein Kind von Traurigkeit zu sein. Die einstige Truppe -  zu welcher Sasha damals ebenso zählte -  die Partys der ausschweifenden (vulgären) Art feierte, bestand offenbar noch immer. In Tel Aviv ist dergleichen offenbar möglich. In Jerusalem wäre es das nicht. Gerade in den letzten Tagen, in denen ich mit Sasha dort weilte, wurde zwei offenherzige Mädchen, mitten auf der Straße, von orthodoxen Juden mit Dreck und allerlei anderen Sachen beworfen.
Nun gut, wir fanden das Haus, die Frau und ihr Ehemann war ebenso zugegen. Sasha hatte darauf bestanden, dass ich ihn dorthin begleite und….ich wollte es auch. Die Unterhaltung mit Asha, seiner einstigen Freundin, gestaltete sich schwierig. Sie scheint mir überaus dominant zu sein. Ihre Terminologie eher vulgär und gewöhnlich, was mir und Sasha selbstredend missfiel. Letztendlich entbrannt beinahe noch ein Streit um die Tochter, die nicht zugegen war. Sasha sprach einen Vaterschaftstest an, wie bereits am gestrigen Abend, welchen Asha nach wie vor am Ablehnen war. Am gestrigen Abend sollte Sasha mit ihr schlafen, um die Wahrheit über ihre Tochter zu erfahren. – Ich dachte mir, sie sei betrunken und scherze.  -  Und es war ihr in der Tat ernst damit. Sasha lehnte ab, gestern wie heute, mit dem Hinweis auf mich, als seine Frau, die er nicht betrügen würde, und darauf, dass er schließlich keine achtzehn mehr sei.  
Wir blieben nicht allzu lange im Haus von Sashas ehemaliger Flamme. Er war die Art von Asha offenbar leid. Ich selbst hätte es nie für möglich gehalten, dass es unter Juden derartiges gibt, wie diese Frau. Erstaunlich und eigenartig.

Sasha und ich saßen noch eine Weile draußen vor dem Haus von dieser Asha im Auto und redeten miteinander. Urplötzlich klopfte eine junge Frau an die Scheibe des Wagens. Sasha öffnete, um zu erfahren, was sie will.
„Bist du mein Vater?“, fragte sie unverblümt.
Sasha stutzte. Wusste nicht, was er erwidern sollte. „Entschuldige bitte. Wer bist du denn überhaupt und wie kommst du darauf?“
„Ich bin Deborah, die Tochter von Asha. Gestern Nacht belauschte ich einen Streit meiner Eltern, wie sie eigentlich des Öfteren welche haben. Dort war die Rede von einem Mann, der anscheinend mein richtiger Vater sein soll. Bist du das?“
Sasha räusperte sich verlegen, ob Deborahs offener Geradlinigkeit. „Mädchen, wenn du tatsächlich Ashas Tochter bist“, er stockte, sah sie ein wenig zweifeln und argwöhnisch an, „dann bräuchte es wohl einen Vaterschaftstest, um zu erfahren, ob ICH dein Vater bin.“
Ohne Umschweife kam ihre Antwort: „Ja. Genau DAS will ich haben. Dann kannst du mich mitnehmen, denn ich will nicht hier bleiben. Meine Mutter ist einfach schrecklich.“
Oha! Was nun? Da tobt offenbar der bekannte, familiäre Kampf zwischen Mutter und Tochter.
Sasha atmete tief durch. Überlegte kurz und sagte dann zu ihr: „Wir bereden das besser mit deiner Mutter. Vielleicht Morgen. Denn, sie sagte, sie sei dagegen.“
Deborah richtete sich auf und trat einen halben Schritt zurück. „Wieso Morgen und vielleicht?", ein trotziger Ton lag in ihrer Stimme. "Wenn ich das möchte, dann must du das tun. Ich bin alt genug, um selbst über mich zu entscheiden. Also steig aus und wir gehen rein.“
Nun, ich dachte nur: Wie die Mutter, so die Tochter. Bestimmend. Frech. Selbstbewusst und…..nun ja, schön ist relativ. In jedem Fall war nicht zu leugnen, dass sie Sasha ein wenig ähnlich sah.
Sasha und dieses Mädchen diskutierten noch eine Weile, bis sie dann endlich mit einer von Sashas Antworten zufrieden war. Sie gab ihm noch die Nummer ihres Handys und dann fuhren wir, obwohl diese Deborah genau genommen darauf bestanden hatte, dass wir umgehend zurück ins Haus gehen und die Sache klären sollten. Was stellt sich dieses Mädchen vor? Dass sich diese Angelegenheit, die bereits so lange schwärt, in Minuten regelt? Ungeduld wohnt der Jugend inne. Das kenne ich noch all zu gut.

Alles in allem befürchte ich nun, dass wir länger bleiben als vorgesehen. Zudem scheint sich in Sashas Kopf beinahe alles um Deborah zu drehen. Er ist ganz aufgeregt. Was ich durchaus verstehe. (Was ihn allerdings nicht davor abhielt, heute Morgen gleich zwei Mal mit mir….nun ja….)
Das Leben mit Sasha ist ein völlig anders als DAS mit Gunnar. Und im Augenblick verlangt es mich nicht zurückzukehren zu meinem schwedischen Mann (obwohl ich ihn nach wie vor über alles liebe). Trotz der aus dem Nichts erschienen Tochter.
Beginnt es jetzt gleichwohl mit Sasha kompliziert-er zu werden? Ich denke nicht. Ich werde es locker nehmen. Ich fühle/ich weiß, dass er mich wirklich liebt und nicht betrügen wird. Er ist nicht….wie Gunnar. Natürlich nicht. Eben anders. Allerding kenne ich ihn noch immer nicht wirklich. Und manchmal, wenn ich über die Zukunft von uns beiden sinniere, ängstigt mich meine Unwissenheit. Es könnte schließlich möglich sein, dass ich noch Ungeahntes entdecke (was mir möglicherweise nicht gefällt). Sasha allerdings lacht darüber nur. Da gäbe es nichts herauszufinden. Er hätte keine Geheimnisse vor mir. Nun, seine Worte in der Göttin Ohr!