Dienstag, 6. Februar 2018

Willkommen in der Familie



Sashas Eltern sind unerwartet früh am gestrigen Tag hier angekommen. Er hatte mich bereits vorgewarnt und das Regelwerk bestimmt.
Natürlich war ich beschämt als ich ihnen gegenüber treten musste, nach meinem überraschenden Abgang zu Chanukka.
Nun, ich entschuldigte mich selbstredend förmlich. Die Gesichtszüge steif. Der Blick ein wenig abgekühlt. Jedoch mit der aufgesetzten Maske der heuchelnden Freundlichkeit. Genauso wie sie es zu tun pflegen mit anderen Menschen, die NICHT Ihresgleichen sind. Aber ich bin nicht wie sie. Ich könnte es nie. Allerdings scheint mir hier die Situation eine andere zu sein. Alldieweil diese Familie denkt, ich sei ein Teil ihrer Art. Davon sind sie offenbar überzeugt. Sonst würden sie sich nicht so fair zu mir verhalten. Denn, man vergab mir freundlich lächelnd mit einer Umarmung meinen Verstoß der Etikette. Ich beließ es dabei und um des lieben Friedens willen reihte ich mich (un-) freiwillig ein in das Tun des Familien-Theaters Allerdings hatte ich Mühe.

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Es ist unerträglich für mich, Gunnar nicht erreichen zu können und niemand scheint zu wissen, wo er ist. Malika hatte mich angerufen und mir mit besorgter Stimme mitgeteilt, dass Gunnar nicht zu finden ist. Erik hatte ich in diesem Augenblick ebenso wenig erreicht. Ich werde es späterzu noch einmal versuchen.
„Womöglich ist er mit seinen Brüdern unterwegs. Oder die Trauer hat ihn erneut übermannt.“, war Sashas Beitrag zu meiner offenen Besorgnis um meinen Mann.
„Er würde nie……“, setzte ich an zu widersprechen. Aber dann fiel mir ein,…..er würde doch. Es käme nur darauf an, was ihn augenblicklich beschäftigt. Und seine Trauer ist sicher ein fundamentaler Grund, allein sein zu wollen. Allerdings glaubte und vertraute ich ihm, als er sagte, er würde sich um alles kümmern, sodass ich alsbald zu ihm zurückkommen kann. WAS IST DARAUS GEWORDEN? Warum redet er nicht einmal mit mir?! Da geht etwas anderes vor!
„Sei nicht albern.“, entgegnete Sasha, als ich über meine Befürchtungen sprach. „Womöglich ist es ihm verständlich geworden, dass er nicht wirklich viel tun kann.“
Ich sah Sasha entgeistert an. Sollte dies etwa bedeuten, dass Gunnar (vorerst?) aufgegeben hat, weil er meint, aufgrund der Art der Erpressung so wie so nichts tun zu können? Nein! Das konnte nicht sein! Gunnar würde mich niemals so leichtfertig bei wem auch immer notgedrungen für längere Zeit (ver-) bleiben lassen, gleich aus welchem Grund. Ich vermag mir nicht vorzustellen, dass er auch nur einen Moment lang der Idee verfallen könnte, mich aufzugeben. Unmöglich! Wir lieben uns doch und versprachen uns erst vor kurzem, in jedem Fall den zwanzigsten Hochzeitstag gemeinsam zu begehen. Was hat dieses Schweigen von Gunnar für einen Sinn? Es beunruhigt mich nur. Was wird er sich dabei denken, so tonlos zu sein und so gleichgültig zu erscheinen??? Allerdings war ich nicht zugegen, als Sasha und Gunnar auf der Treppe vor den Büros miteinander sprachen. Daher kann ich nicht sagen/wissen, was die beiden verhandelten. Spreche ich diese Thematik in Sashas Gegenwart an, weicht er mir aus. Aber womöglich sollte ich der Wahrheit ins Auge sehen, dass der Anlass meiner Nötigung bei Sasha sein zu müssen, nicht einfach so verschwinden wird. Diese Erpressung hat eine Art Bestand in der Zeit und KÖNNTE unter Umständen tatsächlich dazu führen, dass ich länger bei/mit Sasha bleiben muss.

Nichtsdestotrotz stelle ich immer wieder und selbstredend fest, dass bei uns beiden ER, also Sasha, derjenige ist, der mehr liebt.
 
Er beschützt mich. Was außer Frage steht, solange ich bereit bin, bei ihm zu bleiben. Dennoch ist er es nicht nur allein. Wir beide spürten eine Verbindung zur gleichen Zeit zu den Wesen, welchen wir einst gegenüber standen in der Nähe von Jerusalem. Es waren zwei. Ich sah das Licht in ihnen. Was für mich zahlreiche Fragen aufwirft und offen lässt. Sollte es mir vielleicht doch bestimmt sein, einige Zeit lang bei Sasha bleiben zu müssen? Bringt mich deshalb das Schicksal immer wieder zu ihm zurück, oder ist es ausschließlich Sashas Vehemenz? Möglicherweise sollte ich mit ihm darüber sprechen.

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Am Abend trafen sich hier im Haus einige Leute und es wurde eine Art friedliches Zusammensein daraus. Allerdings ging es wohl zumeist um geschäftliche Dinge. Claire (als (Sashas) Anwältin) war ebenso unter den Gästen wie Louise und ein David Löwenberg, der seinem Namensvetter David de Luca im Zentrum überaus ähnlich sieht. Er ist ein Detektiv der Portland Police.
Jedoch die Zahl der Anwesenden, so wie die späte des Abends hielten sich glücklicherweise in Grenzen. Ich mag derartige Partys nicht. Hielt jedoch aus bis zum Ende. Es wurde recht spät.