Sashas Eltern sind unerwartet früh am gestrigen Tag hier
angekommen. Er hatte mich bereits vorgewarnt und das Regelwerk bestimmt.
Natürlich war ich beschämt als ich ihnen gegenüber treten
musste, nach meinem überraschenden Abgang zu Chanukka.
Nun, ich entschuldigte mich selbstredend förmlich. Die
Gesichtszüge steif. Der Blick ein wenig abgekühlt. Jedoch mit der aufgesetzten
Maske der heuchelnden Freundlichkeit. Genauso wie sie es zu tun pflegen mit
anderen Menschen, die NICHT Ihresgleichen sind. Aber ich bin nicht wie sie. Ich
könnte es nie. Allerdings scheint mir hier die Situation eine andere zu sein.
Alldieweil diese Familie denkt, ich sei ein Teil ihrer Art. Davon sind sie offenbar
überzeugt. Sonst würden sie sich nicht so fair zu mir verhalten. Denn, man
vergab mir freundlich lächelnd mit einer Umarmung meinen Verstoß der Etikette.
Ich beließ es dabei und um des lieben Friedens willen reihte ich mich (un-)
freiwillig ein in das Tun des Familien-Theaters Allerdings hatte ich Mühe.
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Es ist unerträglich für mich, Gunnar nicht erreichen zu
können und niemand scheint zu wissen, wo er ist. Malika hatte mich angerufen
und mir mit besorgter Stimme mitgeteilt, dass Gunnar nicht zu finden ist. Erik
hatte ich in diesem Augenblick ebenso wenig erreicht. Ich werde es späterzu
noch einmal versuchen.
„Womöglich ist er mit seinen Brüdern unterwegs. Oder die
Trauer hat ihn erneut übermannt.“, war Sashas Beitrag zu meiner offenen
Besorgnis um meinen Mann.
„Er würde nie……“, setzte ich an zu widersprechen. Aber
dann fiel mir ein,…..er würde doch. Es käme nur darauf an, was ihn
augenblicklich beschäftigt. Und seine Trauer ist sicher ein fundamentaler
Grund, allein sein zu wollen. Allerdings glaubte und vertraute ich ihm, als er
sagte, er würde sich um alles kümmern, sodass ich alsbald zu ihm zurückkommen
kann. WAS IST DARAUS GEWORDEN? Warum redet er nicht einmal mit mir?! Da geht
etwas anderes vor!
„Sei nicht albern.“, entgegnete Sasha, als ich über meine
Befürchtungen sprach. „Womöglich ist es ihm verständlich geworden, dass er
nicht wirklich viel tun kann.“
Ich sah Sasha entgeistert an. Sollte dies etwa bedeuten,
dass Gunnar (vorerst?) aufgegeben hat, weil er meint, aufgrund der Art der
Erpressung so wie so nichts tun zu können? Nein! Das konnte nicht sein! Gunnar
würde mich niemals so leichtfertig
bei wem auch immer notgedrungen für längere Zeit (ver-) bleiben lassen, gleich
aus welchem Grund. Ich vermag mir nicht vorzustellen, dass er auch nur einen
Moment lang der Idee verfallen könnte, mich aufzugeben. Unmöglich! Wir lieben
uns doch und versprachen uns erst vor kurzem, in jedem Fall den zwanzigsten
Hochzeitstag gemeinsam zu begehen. Was hat dieses Schweigen von Gunnar für
einen Sinn? Es beunruhigt mich nur. Was wird er sich dabei denken, so tonlos zu
sein und so gleichgültig zu erscheinen??? Allerdings war ich nicht zugegen, als
Sasha und Gunnar auf der Treppe vor den Büros miteinander sprachen. Daher kann
ich nicht sagen/wissen, was die beiden verhandelten. Spreche ich diese Thematik
in Sashas Gegenwart an, weicht er mir aus. Aber womöglich sollte ich der
Wahrheit ins Auge sehen, dass der Anlass meiner Nötigung bei Sasha sein zu
müssen, nicht einfach so verschwinden wird. Diese Erpressung hat eine Art Bestand
in der Zeit und KÖNNTE unter Umständen tatsächlich dazu führen, dass ich länger
bei/mit Sasha bleiben muss.
Nichtsdestotrotz stelle ich immer wieder und selbstredend fest,
dass bei uns beiden ER, also Sasha, derjenige ist, der mehr liebt.
Er beschützt mich. Was außer Frage steht, solange ich
bereit bin, bei ihm zu bleiben. Dennoch ist er es nicht nur allein.
Wir beide spürten eine Verbindung zur gleichen Zeit zu den Wesen, welchen wir
einst gegenüber standen in der Nähe von Jerusalem. Es waren zwei. Ich sah das
Licht in ihnen. Was für mich zahlreiche Fragen aufwirft und offen lässt. Sollte
es mir vielleicht doch bestimmt sein, einige Zeit lang bei Sasha bleiben zu
müssen? Bringt mich deshalb das Schicksal immer wieder zu ihm zurück, oder ist
es ausschließlich Sashas Vehemenz? Möglicherweise sollte ich mit ihm darüber
sprechen.
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Am Abend trafen sich hier im Haus einige Leute und es
wurde eine Art friedliches Zusammensein daraus. Allerdings ging es wohl zumeist
um geschäftliche Dinge. Claire (als (Sashas) Anwältin) war ebenso unter den
Gästen wie Louise und ein David Löwenberg, der seinem
Namensvetter David de Luca im Zentrum überaus ähnlich sieht. Er ist ein
Detektiv der Portland Police.
Jedoch die Zahl der Anwesenden, so wie die späte des
Abends hielten sich glücklicherweise in Grenzen. Ich mag derartige Partys
nicht. Hielt jedoch aus bis zum Ende. Es wurde recht spät.