Donnerstag, 2. April 2015

Schatten der Vergangenheit



Denkt mein Mann nur noch an andere Frauen?
Gestern Abend telefonierte er geschlagene zwei Stunden mit dieser Alexa! Was zum Kuckuck hat man so lange Zeit miteinander zu reden? Wenn die Wichtigkeit des Gespräches mir gegenüber doch beständig herunter gespielt wird.
Nach dem Telefonat verhielt er sich eigenartig. Druckste herum. Ich fragte nicht weiter nach. Trotzte mit Schweigen.
Aber, nachdem er mir heute Morgen gestanden hatte, dass er des Nachts erneut bei Lara gewesen war, erklärte er mir, dass Alexa heute hier her ins Zentrum kommen wird.
Denn, als ich heute Morgen aufwachte, hatte ich bemerkt, dass Gunnars Körper nicht die Wärme aufwies, die er eigentlich haben sollte, wenn man die gesamte Nacht über in einem warmen Bett beieinander liegt.
„Du bist so kühl.“, sagte ich noch wahr nehmend zu ihm und mutmaßte, dass er womöglich kurz vorher im Bad gewesen war.
„Ja. Ähh ja. Ich, ich...“, begann er zu stottern und im selben Moment wurde mir bewusst, dass er gerade erst hier eingetroffen sein musste. „Ich war bei Lara.“
Nur bei Lara? Schoss es mir zynisch durch den Kopf. Aber was hatte das jetzt noch für eine Relevanz?
Gunnar schnaufte. „Nein. Nicht nur bei Lara. Deshalb ist es auch heute Morgen so spät geworden.......“, er verzog ein wenig schief lächelnd den Mund, „mit der Rückkehr.“
Ich drehte mich ab. Weg von ihm. Wusste nicht was ich fühlen sollte. Eifersucht? Wut? Enttäuschung? „Wo?“, fragte ich dann doch noch leise.
„Varis.“
„Aha.“ Jetzt waren es bereit zwei Frauen pro Nacht. Hatte Gunnar etwa Torschlusspanik? Und wusste Lara davon? Aller Wahrscheinlichkeit nach nicht. Fragte sie überhaupt danach? Oder „belästigte“ sie Gunnar nicht mit so derart lapidaren Fragen?
Damit nicht genug, eröffnete er mir, dass am Samstagnachmittag seine favorisierte Fußballmannschaft gegen Häcken spielen würde. Alexa würde ihn vielleicht sogar dorthin begleiten. „Du betonst schließlich immer wieder, dass dir derartige Veranstaltungen nicht zusagen.“, entschuldigte er sein Vorhaben.
Ja. In der Tat. Damit hatte er vollkommen Recht!

Trotz aller widerstrebenden Gefühle, schmiegte ich mich noch einmal an meinen Ehemann.
„Weißt du überhaupt noch WER deine Frau ist?“, fragte ich dann mehr rhetorisch, aus einem Gedankenfluss heraus, in welchen mir Bilder von meinem Ehemann mit verschiedenen Frauen, durch den Kopf schossen.
Gunnar bäumte sich auf. Physisch, psychisch, seelisch und sprachlich. „Was in aller Welt denkst du eigentlich? Natürlich. Ich liebe dich Rea. Wir werden immer zusammen sein!“
Du hast eine merkwürdige Art mir das zu zeigen. Dachte ich. Sprach es jedoch nicht aus. Und genau genommen hatte er mir wieder und wieder versprochen sich zu bessern. Sich zumindest Mühe zu geben! Aber nein. Stattdessen schien es nur schlimmer zu werden.
„Nein. Das ist nicht so.“, antwortete er noch unverzüglich auf meine Gedanken. (Was gleichwohl mein Ziel gewesen war. Weil ich genau wusste, dass Gunnar in meinem Kopf stöberte.)
„Wie dann?`“
„Und es ist auch keine Torschlusspanik.“
Auch schau an! Auch dies hatte er bereits in meinem Kopf gesehen. Und er wusste, dass ich auf eine Erklärung wartete.
Gunnar schnaufte. (Wieder einmal!) „Ich mache mir genauso Gedanken darüber, warum es mir nicht gelingt dir treu zu sein. Obwohl ich es mir immer wieder vornehme. Und ja. Im Augenblick scheint es tatsächlich so zu sein, als würde ich noch mehr Zeit mit anderen Frauen verbringen als bisher. Ich glaube, DAS liegt daran, dass ich womöglich das Angebot hier noch einmal nutzen möchten, bevor wir das Zentrum verlassen.“
Ha! Um Ausreden war Gunnar noch nie verlegen.
„Andererseits sind es nervenaufreibende, stressige und auch problematische Zeiten.“, setzte er seine Erklärungen (Spekulationen) fort. „Vielleicht ist Sex eine Option für mich, mit all dem besser fertig zu werden.“
Ach! Da schau her! Ein weiterer Vorwand, um seine Verfehlungen, Betrügereien, oder sogar seine Sexsucht, die er sich offensichtlich selbst nicht eingestehen konnte, zu rechtfertigen.
„Nein! Nein! Du verstehst das nicht!“ Natürlich wusste Gunnar um das Geschehen in meinem Kopf. Und ich hatte gerade Atem geholt und gedachte zum Reden anzusetzen, als er mich mit seinem nein, nein, ausbremste. „Ich verstehe es ja selbst kaum.“, räumte er dann fast kapitulierend ein.
„Vielleicht solltest du dir dann doch professionelle Hilfe holen.“, sprach ich es dieses Mal aus. Obwohl ich genau wusste, das es speziell im psychischen Bereich noch immer nur vermutende, anstelle von handfesten Methoden gab, welche genau genommen nicht wirklich zu einem positiven Ergebnis oder ganz und gar zu einer Heilung führen konnten. Denn Heilung von derartigen „Krankheiten“ gab es ohnehin nicht. Wenn, dann aller höchstens „Linderung“ oder Beherrschung des bestehenden Zustandes. Nicht mehr und nicht weniger. Denn was in „prägenden Jahren“ erlebt und somit gelernt wurde, bleibt zukünftig haften. Und dies wusste Gunnar genauso wie ich, und andere, die es betraf, oder die es wissen sollten.
Alles in allen hatte ich Gunnar, ob seines Wissens, seiner magischen Künste UND mit Eriks Hilfe, durchaus zugetraut und geglaubt, dass er seine Begierden in den Griff bekommt. Nur scheint ihm unter Stress die Kontrolle jedes Mal zu entgleiten. Oder hatte er sie überhaupt jemals?
„Nein. Nicht wirklich.“, war seine selbst erkennende und nüchterne Antwort auf mein Gedachtes.
„Wird sich denn das irgendwann ändern?“, fragte ich schon beinahe verzweifelt.
„Vielleicht wenn sich unser Leben ein wenig beruhigt. Es in feste Bahnen kommt.“
„War es nicht hier im Zentrum bereits in festen und geordneten Bahnen?“, fragte ich unverständlich.
Gunnar zuckte mit den Schultern. „War es das jemals bis hier her wirklich? Da waren schon so viele fragwürdige Begebenheiten in der Zeit unseres Zusammenseins.“
„Ja. Das empfinde ich ebenso.“, bestätige ich seine Aussage aus meiner eigenen  Perspektive. „Und war dein Leben nicht schon immer, auch bevor wir uns kannten, verhältnismäßig diffus und verworren?“
„Ja. Schon möglich.“, gab er bedenkend zu. „Da ist offensichtlich einiges schief gelaufen und manchmal sogar entgleist.“
Wir beide wussten, dass es um seine zehnjährige Sektenvergangenheit ging. Als er in einem Alter war, wo junge Menschen normalerweise nach einer Richtung im Leben suchen, an eine Gruppe von Menschen geriet, die Gunnars Verhalten bis zum heutigen Tage beeinflussen.   
Also, WAS habe ich infolgedessen tatsächlich von Gunnar zu erwarten?
Aller Wahrscheinlichkeit nach, KEINE wesentliche Änderung. Weder jetzt. Noch zukünftig. Was bedeutet, dass er mich IMMER betrügen wird...........
Und immer noch, trotz aller Liebe zu Gunnar, denke ich (gerade!) diesbezüglich über Wanjas „Angebot“ nach.....