Warum sollte Gunnar mich vermissen. Er hat Alexa und ihr
Balg. Rechtfertigte ich mich vor mir selbst und ertappte mich dabei, wie ich
tatsächlich darüber nachdachte, wie das Leben mit Sasha sei, ließe ich mich in
der Tat darauf ein. (Alle Politik und Glaubensfragen beiseite lassend.) Ich
visualisierte bereits eine Zukunft mit ihm. Bilder entstanden vor meinem
inneren Augen und …..eine andere Wirklichkeit flammte bereits als zukünftige
Wahrheit im Seepferdchen des Hippocampus, der für die Bildung neuer
Gedächtnisinhalte entscheidend ist, auf, als DIE, welche ich bisher mit Gunnar
lebte.
Nun, in jedem Fall kann es nicht schaden, mir mit Sasha
seine zweite Heimat anzusehen. Was nicht bedeutet, dass ich dort lange bleiben
muss. Vielleicht nur einige Tage, um Sashas Eltern zu treffen und etwas Zeit in
der Hütte am See zu verbringen, welche seinen Eltern gehört, nebst einem Haus
in Montreal. In aller Begeisterung, dass ich nun offensichtlich willig bin, mir
seine Welt anzusehen und in der Hoffnung auf mehr, sprach Sasha sogar bereits
davon, dass wir uns ein Apartment mieten und später dann ein Haus. Vielleicht etwas
außerhalb, in einer guten Wohngegend mit angenehmen Flair. Und ich gestehe,
dass mich dieser Gedanke tatsächlich für den Augenblick reizte, ALLES zurück zu
lassen, nicht einmal mehr zurück zu schauen, schlicht und einfach ein gänzlich
neues Leben (mit Sasha) zu beginnen. Selbst meine Phantasie bekam Flügel durch
Sashas Enthusiasmus und ich malte mir aus, wie UNSER Leben zukünftig aussehen
würde.
Dennoch, bei allem heftigen Galopp, bei welchem ich mit
eingestiegen, mit aufgesprungen bin, mich in Gedanken habe davon tragen lassen,
und Sasha dem Pferd die Sporen gab, stellte sich in meinem Inneren noch die
Besonnenheit ein. Ich bremste den Gaul aus. Ließ ihn langsamer gehen. Nun, zuerst einmal Montreal und die
Entscheidung liegt bei mir, wie ich weiter verfahre. Durchatmen ist angesagt!
Sich nicht vergaloppieren! Hier scheint es mir wichtig, vielleicht doch
gezügelt und bedacht vorzugehen und nicht in einem Ruck mein Leben zu ändern,
was ich womöglich im Nachhinein bereue.
Allerdings gestehe ich, dass ich tatsächlich soweit war,
oder Sasha mich in dieses Fahrwasser schubste, ALLE Brücken hinter mir
abzubrechen und bei ihm zu bleiben. Ja. In der Tat. DAS hatte ich bereits (in
Gedanken!) vor. Und ich vergebe mir dafür. Nur gut, dass ich Sasha noch nicht
allzu viele Hoffnungen, mündlich ausgesprochen, überließ und meine inneren,
jedoch recht lebendige Begeisterung für mich behielt.
Montreal….vorerst….und nichts weiter. Mehr verspreche ich
Sasha nicht. Änderungen behalte ich mir zu jeder Zeit vor.
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Gunnar hatte angerufen und schien ein wenig ungeduldig zu
sein. Es war in New Orleans am frühen Morgen. So etwa gegen acht. In Schweden
wäre es drei Uhr nachmittags gewesen. Nur gut, dass wir noch nicht im Flugzeug
saßen!
„Kommst du jetzt? Oder was?“
„Ich denke noch darüber nach.“
„Noch immer?“
Ich antwortete nicht. Stellte stattdessen eine Frage. „Wie
lange bleibt ihr noch bei Adam?“
„Wir warten auf dich.“, war seine Antwort. Offenbar wusste ER mehr als ich UND, dass ich aller Wahrscheinlichkeit nach doch noch zu ihm komme.
Als er mit Alexa reiste, hoffte er offensichtlich darauf,
dass ich mich alsbald besann und ihnen folgte. Seine Ungeduld war offenbar der
fortschreitenden Zeit geschuldet. Den Tagen, die bereits verstrichen waren und
in denen ich noch immer nicht bereit gewesen war, ihnen nachzureisen.
Vielleicht sollte ich es tatsächlich tun und noch umgehend
von Montreal weiter nach Winnipeg fliegen. Noch einmal gut zwei Stunden per
aircraft. Dann wäre ich toll im Dreieck ge-folgen.
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Derek rief an. Beschwerte sich bei mir, dass ich ihn über
meine Reisepläne nicht in Kenntnis gesetzt hatte. ER hätte die Wahrheit
schließlich verdient. Mehr als jeder andere. Was nun allerdings für mich die
Frage aufwirft, warum ausgerechnet ER das denkt? Hat er mich nicht ebenso
belogen? Ich hatte ihn für einen Heiligen gehalten. Dabei ist er, was Frauen
betrifft, meilenweit davon entfernt, wie viele andere. Diese Selbstgerechtigkeit, dieses Ego der
Männer, ist doch schier zum ärgerlich werden. Aber egal. Er ist bei weitem
nicht der Ruchloseste von all den Männern. Zumindest ist Derek ein netter Kerl, der ritterliche Typ, der die (Jung-) Frau rettet.
Nun, alles in allem war es der erste Donnerstag seit
langem ohne ihn.