Es scheint mir (im Augenblick) tatsächlich so zu sein,
dass mir
Gunnar mehr Freiräume lässt,
um bei Alexa zu sein. Nur wozu soll das nun dienen? Um sich von mir zu
entfernen? Den Bund mit ihr zu festigen? Jedoch entschuldigte ich Gunnar selbst
in meinen Gedanken mit der Anwesenheit von Alexas Eltern. Zudem vermochte ich
mir wirklich eben NICHT vorzustellen, vor allem ob Gunnars zig-fachen
Liebeschwüre und seiner (allgemeinen) Sorge um mich, dass er mich, Alexas wegen,
etwa doch noch verlassen wird……nach fast sechs Jahren.
Nun, am gestrigen Abend saß ich bis nach acht und schrieb,
während Gunnar mit Alexa und ihren Eltern im Restaurant zu Abend aßen. Er hatte
mich nicht einmal angerufen und gefragt. Hätte angenommen, mich dort zu
treffen, damit wir gemeinsam speisen können. Ich ging dann schließlich allein zum
Restaurant und ließ ihn stehen. Dort traf ich kurz auf Sasha und Troels, die
sich noch einen Kaffee holten, bevor ihre Schicht begann. Ich rief sie kurz an
meinen Tisch und wechselte einige Worte mit ihnen. Jedoch in angemessener und
sachlicher Manier (als wäre ich noch nie mit den beiden intim gewesen), wie es
sich für eine Chefin gehört.
„Wo ist dein Mann?“, fragte Sasha noch und ich zuckte mit
den Schultern.
„Ich müsste raten. Tut mir leid.“
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Gunnar und Derek verstehen sich augenscheinlich (noch
immer) recht gut. Er denke sicherlich, Derek sei keine Bedrohung für ihn.
Hingegen Sasha meinem Mann doch suspekt vorkommt. Gunnar weiß nicht was er von Sasha zu halten hat, außer, dass er ihm
meinetwegen den Kampf angesagt hat. Hörte ich ihn sagen, als er mit Derek über
Sasha sprach. Und vorsichtig müsse man sein, er könne mich schließlich erneut
entführen.
„Warum entlässt du ihn nicht?“, fragte Derek.
„Weil ihn Rea aus unerfindlichen Gründen schützt.“
Derek hatte in diesem Augenblick mit den Schultern
gezuckt, um Gunnar zu verstehen zu geben, dass es auch ihm unverständlich war.
Und mit Abstand betrachtet muss ich gestehen, dass es für die meisten Leute,
die darum wissen, schon eigenartig aussehen muss, wie ich mich meinem Entführer
gegenüber verhalte. Stockholm-Syndrom? Nein. Sicher nicht. Ich weiß nicht, WAS
ich für ihn empfinden soll? Oder darf, ohne mich noch
unbegreiflicher/unmöglicher zu fühlen/zu machen, wie ich es ohnehin bereits
tat. Gerade nach meiner Entführung komme ich zurück und nach kurzer Zeit sieht
man mich hier im Zentrum mit meinen vermeintlichen Entführer flanieren. Das ist
schon ein wenig ominös. Zugegeben.
Nun, man könnte aber auch daraus schließen, dass es
überhaupt keine Entführung gab. Derek allerdings wird nicht müde, genau dies
immer wieder zu verkünden und ich weiß sehr wohl aus welchem Grund er das tut.
Um Sasha, seinen Konkurrenten, zu denunzieren, auszuschalten, was ihm
gleichwohl fabelhaft gelingt. Und auch Gunnar ist nicht böse darum.
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Ich hatte lange Zeit auf Gunnar gewartet, gestern Abend.
Blieb lange auf und schrieb. Am Ende, es war so gegen drei, entschloss ich mich
allein zu Bett zu gehen. Gunnar hatte es nicht einmal für nötig gehalten, mir
zusagen, dass er nicht kommt. Ich hätte Derek anrufen können. Wollte es jedoch
nicht (wer weiß, wo er war und was er tat?) und Sasha hatte ohnehin den Dienst
in der Nacht.
Gut, ich hätte Gunnar anrufen können. Womöglich nahm er
an, er hätte es mir gesagt, oder ich wüsste es schon. Wer weiß. In jedem Fall
gedachte ich mich eben NICHT zu erniedrigen und ihn anzurufen. Tat es aber dann
doch, kurz bevor ich zu Bett gegangen bin.
Es hat ewig geläutet, aber dann nahm er ab. Klang
verschlafen.
„Was ist?“, fragte er.
„Du hast mir verschwiegen, dass du nicht kommst. Ich bin noch
immer wach und warte auf dich.“
Er war perplex. Wusste nichts zu sagen. Murmelte eine
Entschuldigung.
„Ich komme. Ziehe mich nur schnell an. Bin gleich bei dir.
Ist ja nicht weit.“, sprach es und kam tatsächlich.
So war der Rest meiner Nacht gerettet. Jedoch ICH hatte
mich beschämt, wie ich fand. Gunnar schien all diese gefühlten Feinheiten nicht
zu bemerken. Für ihn war dies alles offenbar normal, dass er aus dem
Bett der Konkubine in das Bett der Ehefrau stieg. Zuweilen tue ich dies ebenso
mit meinem Liebhaber. Allerdings nur, weil Gunnar mich dazu zwingt (gleich zu
ziehen) und damit auch ich nicht alleine bin. Hätte ER mich
nie betrogen, hätte auch ich es nie getan.
Gunnar umarmte mich und sah mir dann tief in die Augen mit
diesem Hundeblick. „Es tut mir leid. Ich bin eingeschlafen. Verzeih. Eigentlich
wollte ich nicht bei Alexa bleiben, sondern schon längst wieder bei DIR sein.
Es war wirklich nicht meine Absicht.“, beteuerte er wieder und wieder und ich
glaubte ihm.
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Wir schliefen aus heute Morgen. Kein Wunder bei der Späte
des zu Bett Gehens in der Nacht. Nach dem Aufwachen der Sex, jedoch erst
nachdem Gunnar in der Dusche war. Denn am Abend war er zu müde gewesen, noch
einmal duschen zu gehen. Und er hatte mit Alexa geschlafen, bevor er
zu mir kam. Ich konnte sie noch immer an ihm riechen und sagte ihm das.
Dann begann Gunnar erneut die Diskussion wegen der Reise. Versuchte
mich zu überreden, ihn, Alexa und deren Eltern zu begleiten.
„Komm‘ doch mit.“, bettelte er. „Ich wünsche es mir so
sehr.“
Ich verneinte. Blieb hart. Und bis dahin wusste ich noch
nicht, dass sie noch heute fliegen. Denn ich dachte, dass dies kaum möglich
sei, wegen Alexas Bein. Aber offenbar war das kein Hindernis.
Es gab noch einiges im Zentrum zu tun und dann ging Gunnar
fort. Hatte in Windeseile die Koffer gepackt.
Zum Lunch war ich allein, sowie auf dem Weg zurück zum
Haus und dann später auch am Nachmittag, wo ich mir eine Serie ansah.
Womöglich war JETZT ein guter Zeitpunkt für mich allein zu
sein. Zu resümieren etc…..Wer weiß.
Troels und Sasha kamen kurz vorbei, um nach dem Rechten zu
sehen, weil sie gerade auf Streife waren.
Sasha war sichtlich müde.
„Setzt dich doch.“, hatte ich ihm einen Platz angeboten.
„Aber nur kurz.“, hatte Troels angemerkt. Sasha nahm mein
Angebot jedoch dankend an und setzte sich neben mich auf die Couch.
Sie blieben dann aber in der Tat nicht lang. Sasha hatte
nur zögerlich nach Gunnar gefragt und
ich ihm wahrheitsgemäß geantwortet. In Troels Gegenwart hatte er allerdings verständlicher
Weise nicht danach gefragt, ob er am Abend zu mir kommen kann.
Als die beiden gegangen waren, rief Gunnar an, der
offensichtlich ein schlechtes Gewissen hatte.
Da mir nun bewusst wurde, dass ich am Abend allein sein
würde, wenn ich niemanden nach seiner Gesellschaft frage, rief ich Derek an,
der gerade Gewichte stemmte. Er druckste ein wenig herum und ich dachte schon,
er sei mit einer Frau verabredet.
„Nein, nein!“, wehrte er ganz energisch ab. „Es sind nur
Freunde, Rea. Wir wollten ein wenig plaudern. Nichts weiter. Vielleicht auch
ein wenig grillen. Du kannst doch zu uns kommen.“
Ich musste lachen. „Das meinst du jetzt nicht ernst?“,
fragte ich ihn.
Im Anschluss daran dachte ich an Henning. WENN er Zeit für
mich hätte, könnte ich vielleicht JETZT erfahren, was Gunnar und Alexa so ins
geheim miteinander sprachen. Ich erreichte ihn und er kam kurze Zeit später zu
mir ins Haus. Alldieweil er ohnehin im Zentrum war, um sein neues Büro einräumte.
Also am Umziehen war.
Ich finde es überaus angenehm mit Henning zu reden. Er ist
ein unkomplizierter, offener Typ, der nichts verheimlicht und stets zu einer herben
Posse neigt. Im Grunde bestätigte er mir meine Ahnung, was Gunnar betraf. Oder
gleichwohl meine Hoffnung. Mein Mann liebt mich, verteidigt mich und hat nicht vor,
mich aufzugeben. Aber auch Alexa hätte kein wirklich schlechtes Wort über mich
verloren. Und so lange ihre Eltern noch nicht zugegen waren, war sie mir sogar
recht freundschaftlich gesinnt. Aber auch Alexas Eltern wären NICHT DIREKT
meine Feinde. Sie sähen ihre Tochter nur gern unter der Haube und in geordneten
Verhältnissen, wo sie doch ein Kind mit Gunnar hat. Es würde nicht speziell
GEGEN mich agiert. Nein. So wär das nicht. Sie hätten ausschließlich das Wohl
ihrer Tochter im Sinn.
„Seitdem ihre Eltern hier sind, setzt sie Gunnar unter
Druck. Diese Reise war ihre Idee. Es geht wohl darum, ihm zu zeigen, wie gut
sie sich einfügen kann…mit dem Kind, in Gunnars Familie, der sie nahe sein will.“,
sagte Henning zu mir und spekulierte dabei auch ein wenig. Was jedoch nicht
bedeuten muss, dass er Unrecht damit hat. „Aber sie verliert kein schlechtes
Wort über dich. Ich denke, sie weiß, dass dein Mann das auch nicht gerne hört.“
Ich schnaufte. Henning munterte mich auf. Und dann: „Aber
das Beste, habe ich dir noch nicht erzählt.“
Ich stutzte und war neugierig geworden. Sah ihn zweifeln
und fragend an.
Henning grinste. „Alexas Bein ist völlig in Ordnung. Sie
ist nicht krank. Es ging offenbar nur darum, dass sich dein Mann mehr um sie kümmert
und öfter bei ihr ist. So konnte sie auch die Rückreise von Kalifornien
verzögern.“
Ich hatte geahnt, dass da etwas nicht stimmt.
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Das Dinner nahm ich mit Derek und seiner Mutter Magdalena ein,
die gerade ins Restaurant gekommen waren, als ich mit dem Essen begann. Ich war
sehr nachdenklich an diesem Abend. Sagte kaum ein Wort.
Derek lud mich noch einmal zu seiner Party ein und ich
verneinte. „Tut mir leid.“
In jedem Fall sah ich Derek an, dass er lieber bei mir wäre,…..heute Abend, als bei seinen
Freunden.
Aber egal. Es bleibt schließlich noch Sasha, der seinen Dienst
jetzt gleich beendet. Und ich weiß, dass mein iPhone alsbald läuten und er mich
fragen wird, ob wir uns heute noch sehen.(Zumindest hoffe/erwarte ich das.)