Sonntag, 27. Juli 2014

Ein Buch voller Ahninnen, das Spiegeltor und eine Schwester



Da steht uns etwas bevor, und es geht mir nicht gut. Ich vermag meinen linken Arm kaum zu heben, habe Schmerzen und die Nerven spielen verrückt. Mir selbst macht das Angst. Ich will nicht schon wieder ins Spital. Ganz und gar nicht hier. Mein nächster Aufenthalt steht ohnehin bereits fest. In vier Wochen soll es sein. Und rein magisch ist da auch nichts zu tun, zu beheben, zu heilen, im Augenblick.
„Sie schwächen dich. Greifen dich an.“, sagte Gunnar und Erik mit sorgenvoller Miene beinahe im Gleichklang.
„Warum!?“, kam diese Frage, dieses eine Wort gequält aus mir heraus. „Erzählt mir endlich, was hier geschieht? Warum ICH etwas Besonderes bin, und worin die besondere Qualität der Energie dieses Ortes besteht. Was wird mich, was wird uns erwarten? Wann? Und wieso? Was wollen diese Wesen? Was werden wir gewinnen? Was verlieren? Würde ein Gewinn an meinem krankheitsbedingten Leiden etwas ändern? Oder hat es mit mir, mit der Krankheit nichts weiter zu tun. Besteht sie unabhängig davon? Wird sie bleiben? Oder gehen?
Tausend Fragen. Persönliche. Aber auch andere Personen und Orte betreffend. Weit reichend. Universell?

Die Suche nach dem Ort der größten Energiekonzentration hier, auf dem Grundstück, war vorerst wichtiger, als die Erklärungen, die ich mit wünschte. Sodann lernte ich rasch etwas über das Wünschelrutengehen und das Auspendeln von Plätzen. Gunnar, Erik, Christine und Adam sich in die vier Himmelrichtungen vom Haus aus davon gezogen, um diesen bestimmten Ort auf dem Anwesen zu finden. Einen Platz, wo sich die meiste Energie konzentriert.
Erik fand ihn nach nicht all zu langer Zeit im Norden. Jason, Derek und Henrik gruben dort ein Loch in die Erde. Nicht tief. Denn sie fanden unter dem bewachsenen Grün eine Tür aus Holz und Eisen, die in einen unterirdischen, Wetter sicheren Raum führte, welchen ich noch nie vorher gesehen hatte. Ich wusste nicht einmal, dass es ihn gab. Nur, das es ihn hätte geben müssen. Denn Räume für „stürmische Zeiten“ gab es fast überall.
Erik ging als Erster hinunter. Danach Gunnar und Adam. Jeder von ihnen hatte eine Taschenlampe eingeschaltet. Christine, Rodney und Mary folgten ihnen. Ich stand am Rand und sah vorerst hinab. Nachdem sich die sechs vergewissert hatten, dass keine Gefahr für mich bestand, baten sie mich zu sich hinunter zu steigen. Camille begleitete mich. Die zwei Adepten, Viggo und Joseph bildeten die Nachhut und sicherten den Weg nach draußen.
Die unterirdische Kammer war geräumig. Viel mehr als ich es erwartet hatte, oder man von oben hatte einsehen können und, sie war nicht leer. Sondern gefüllt mit alten Möbelstücken, Büchern, Dosen, alter Kleidung und skurrilen Gegenständen. Waffen ähnlich manche. Andere Behältnisse voll mit Salben, Ölen, Tinkturen und Kräutersud. Gläser mit getrockneten Pflanzen, menschliche Knochen in einem Sack. Silberne Leuchter mit halb abgebrannten Kerzen darauf. Stoffe, Decken und Tentures aus rotem Samt. Puppen und ein Kästchen mit Nadeln. Zehn Zentimeter groß mit einem kleinen Federbusch an ihrem Ende. Eimer voller roter Ziegelstaub. Säckchen mit bemalten Steinen und Kreide. Schmuck aus Gold und große, mit Tüchern verhangene Spiegel. Eine ganze Wand davon, am hinteren Ende des Raumes. Fächer, Vasen, Trommeln, Schilde. Masken, Speere, Rasseln und Geschirr jeglicher Art. Gunnar entdeckte Mojos Bags (Wangs/Poket Kongo) und kleine Särge aus Wachs. Kerzen, Hühnerfüße, Schlangenhäute und noch andere Gruseligkeiten, welche im Voodoo verwendet werden. Sogar ein altes Grammophon mit, in vergilbten  Zeitungspapier eingehüllte Schellackplatten.
Camille hatte in der Zwischenzeit einige Kerzen angezündet und sah sich nun, wie alle anderen, gleichermaßen um.
Viggo schien mit uns in den alten Sachen kramen zu wollen und stieg ebenfalls zu uns herunter. Ausschließlich Joseph Bariello hielt sich an Eriks Anweisung und blieb oben stehen.
„Neun ist eine gute Zahl.“, sagte Gunnar zu Erik, der seinen missbilligenden Blick bemerkt hatte, welchen er Viggo zugeworfen hatte.
Erik nickte. „Ja. In der Tat.“
Viggo indes sah sich nur kurz um und ging auf die mit langen Stoffbahnen verhangenen Spiegel zu. Er riss das Tuch herunter. Eine staubige Wolke erhob sich  und im selben Augenblick schien ein grelles, gleißendes Licht, wie ein Blitz, kurz aufzuleuchten. Alle wendeten sich augenblicklich den Spiegeln zu. Es waren drei, etwa zweieinhalb Meter große Spiegel, welche die gesamte westliche Wand bedeckten. Sie waren in goldene, mit Ornamenten verzierte Rahmen gefasst, die sich überlappten. Es sah beinahe aus, wie eine Wand in einem Spiegelkabinett.
„Wow!“, sagte Viggo nur und sah sich sein Spiegelbild mit großen Augen an. Dann tasteten seine Finger achtsam staunend den goldenen Rahmen ab.
Patsch! Riss uns das Geräusch eines auf den Boden fallenden Buches aus unserer Verwunderung. Erik bückte sich danach, aber Christine hatte es schon vor ihm erreicht. „Lass gut sein. Es ist Reas.“, sagte sie, legte es vor sich auf  den Tisch und winkte mich zu sich.
„Hmmm.“ Sie wendete es hin und her. Drückte hier und da, legte es zurück auf den Tisch uns sah sich kopfschüttelnd um. „Es muss einen Schlüssel geben.“
Wir alle begannen ihn zu suchen.
Nun kam Mary zu uns und sah sich das Buch ebenfalls an. Dreht und wendete es, kniff die Augen zusammen und gab es Camille.
„Ha.“, sagte Camille nur nach kurzer Zeit. „Es muss eine besondere Art von Schlüssel sein. Ein Ring. Ein Siegel oder ein speziell geschliffener Stein.“
Außer Vieggo, der noch immer vor dem Spiegel stand, suchten nun alle mit besonderer Aufmerksamkeit nach einem solchen kleinen Gegenstand, der als Schlüssel hätte dienen können. Aber keiner war auf den Gedanken gekommen zu hinterfragen, wie Christine darauf gekommen war, dass dieses Buch das Meine war.
„Warum denkst du es sei meines?“, fragte ich sie schließlich, während ich neben ihr in einer Schachtel kramte.

„Fühlst du es nicht? Es ist das Buch deiner Ahninnen.“
Ich schnaufte. Mit einem Mal überkam mich Schwäche und Übelkeit. „Ich muss mich setzen.“, sagte ich leise jassend und legte dabei meine Hand auf die Brust. Gunnar kam zu mir und stützte mich. Rodney befreite den vor dem Tisch stehenden alten Sessel von den darauf liegenden Büchern und staubte ihn patschend mit seiner rechten Hand ab.
„Komm setzt dich.“, sagte er und Gunnar hielt mich in seinem Arm, während ich  Schritt für Schritt auf den Stuhl und Rodney zuging. Ich setzte mich und keuchte.
Camille stand mir gegenüber und warf mir einen besorgten Blick zu. Aber mit einem Mal setzte sie ein breites Grinsen auf. „Ich habe gefunden, was wir suchen.“
„Was?“, fragte ich und verstand nicht, was sie meinte. Sie kam auf mich zu und tippte mit ihrem Zeigefinger auf die Kette um meinen Hals.
Die anderen sahen Camille an und dann mich.
„Gib sie mir bitte.“, forderte sie mich auf und streckte mir ihre geöffnete Hand entgegen.
Es war die Kette mit dem großen roten Stein, welche mir Gunnar damals hier in New Orleans zu meinem Geburtstag geschenkt hatte, als wir uns kennen gelernt hatten.
Sie nahm die Kette und brach mit einem Ruck den Stein aus der Fassung, was mir einen grellen, kurzen Schrei der Entrüstung entlockte und im nächsten Moment hielt ich mir beide Hände vors Gesicht.
„Hier ist unser Schlüssel.“, sagte Camille triumphierend. Nahm den Stein zwischen Daumen und Zeigefinger ihrer rechten Hand und hielt in hoch. „Nimm ihn Rea und öffne dein Buch.“
Ich pustete einige Male vor mich hin, gerade so, als hätte ich einen hundert Meter Lauf zurückgelegt, sah sie aus zusammen gekniffenen Augenschlitzen an und nahm den Stein aus Camilles Hand entgegen.
Nun wurde die Atmosphäre beinahe feierlich. Alle standen um mich herum und warteten. Sogar Viggo hatte sich von seinem Spiegelbild gelöst, dass merkwürdigerweise, Zeit versetzt, ihm hinterher zu blicken schien. Was jedoch keiner weiter bemerkte. Und auch ich schüttelte nur kurz mit dem Kopf und wendete meine volle Aufmerksamkeit dem Buch vor mir und dem Stein in meiner Hand zu. Ich drehte den Stein zwischen meinen Fingern hin und her und setzte ihn dann auf das kleine metallene Schloss, welches auf einer Schnalle befestigt war und die in Leder gebundenen Seiten zusammen hielt.
Klack. Klack.
Ich drehte weiter und es machte ein drittes Mal klack. Die Schnalle sprang auf und ich hob den Deckel des Buches an. Sah noch die wenigen Schriftzeichen auf der ersten Seite. Blätterte weiter und plötzlich stieg eine feine Wolke glitzernden Staubes aus dem Buch auf und benetzte wie perlende Wassertropfen mein Gesicht. Die Schleimhäute meiner Nase nahmen einen Duft nach Zimt, Maiglöckchen und Ambra auf, der meine Sinne betörte und meiner Kehle ein wohliges „ahhhh“ entlockte. Ich blätterte noch einmal um und konnte gerade noch hören, wie ich sagte: „Da steht doch gar nichts mehr geschrieben.“ Und im nächsten Augenblick bemächtigte sich meiner eine unwiderstehliche Müdigkeit und ich dachte gerade noch so an den Fluch des Pharao, der mich ereilte. Jedoch bereits im nächsten Moment sah ich mich einer bezaubernden Mulattin gegenüber und ich konnte mich daran erinnern, wer sie war.
Oshun.
Ihr anmutiger Körper war gänzlich von weißem Stoff umhüllt. Ein seidenweicher beinahe durchsichtiger Schal bedeckte ihr gekräuseltes, schwarzes Haar, sodass es aussah wie eine Kapuze.
„Komm.“, sagte sie zu mir und lächelte mir entgegen. „Ich habe auf dich gewartet. Es gibt so viel, was ich dir zeigen und erklären will.“
Ich erinnerte mich an die vielen Fragen, die ich Gunnar und Erik gestellt hatte, vor einigen Stunden. Aber mein Mund öffnete sich nicht und ich blieb stumm.
Noch immer lächelte sie mir zu. „Auch deine Fragen werde ich dir beantworten.“
Ich folgte ihr in ein Höhlenlabyrinth und anfangs säumten Frauen in schwarzen, langen Gewändern mit fast übergroßen Kapuzen beide Seiten des Gangs.
Wer sind diese Leute? Dachte ich.
„Es ist die gesamte Reihe deiner Ahninnen, die dich hier begrüßt.“, hörte ich mi madre sagen. „Du wirst sie immer an diesem Platz finden, wenn du ihrer Hilfe bedarfst.“
Ich fragte nicht weiter nach und es schien mir alles so selbstverständlich. Gerade so, als wäre ich nicht das erste Mal hier her gekommen.
Wir gingen und gingen in den steinernen, kreisförmigen Fluren und währenddessen wir so gingen, sprach sie zu mir: „An dem Tag, wenn sich deine Geburt das dreiunddreißigste Mal jährt, musst du dich entscheiden welche Seite du wählst. Du bist ein magisches Wesen und warst es deine ganzen Leben lang. Setztest dich für das Wohl der Menschen ein. Halfst ihnen und lindertest allerlei Leid. Lenktest die Geschicke der Menschen und widerstandest den inneren und äußeren Dämonen.
In den meisten dieser Leben war Gunnar, dein jetziger Ehemann, dein Partner, Helfer oder  Begleiter. Er ist in der Tat dein Seelenpartner und ebenfalls ein mächtigere Magier, der sich jedoch in seinem derzeitigen Leben durch einen Zauber fehl leiten ließ. Sein Geist war verwirrt und sein Körper glitt ab in seltsame Gefilde. Dass er zu dir gehört, wusste er jedoch in jedem Fall. Nur sein Fleisch verlangte nach eigenartigen Gelüsten, die man ihm damals bewusst lehrte, nachdem man erkannt hatte wer er wirklich war. Der Guru dieser Sekte war in der Tat was er vorgab zu sein und er ging einen Pakt mit den Wesen ein, die ihm sagten wie er ihn zu beeinflussen hätte, weil sie genau wussten, dass eure Begegnung in diesem Leben nun kurz bevor stehen würde. Allerdings befreitest du ihn aus den Fänger dieses Blutsaugers und er musste Gunnars fleischliche Gelüste von neuem entfachen, damit du den Drang verspürst ihn von selbst zu verlassen.

Da war ein Mann, welchen du in deinem derzeitigen Leben schon eine Weile lang kennst, der übergelaufen war und dich verriet. Er transportierte diesen Fluch des Fleisches in euer Haus. Unter dem Vorwand dir helfen zu wollen, nahm er dich mit in sein Land und betrog  auch gekonnt deinen Helfer. Denn er war bereits auf der Seite der Wesen, die ihn reichlich für seine Loyalität beschenkten. Reichtum und Macht ist immer ihr Köder und sie wissen, dass du bereits alles hast.  
Nun formieren sich diese Wesen und sie versuchen schon lange dich auf ihre Seite zu ziehen. Die Vorfahren ihrer Art kamen vor tausenden von Jahren auf diesen Planeten und wurden als Götter verehrt. Sie paarten sich mit Menschen und die daraus entstandenen Hybriden beherrschen seit dieser Zeit euch und eure Welt. Eure Augen sehen sie als Menschen. Jedoch erbten sie die physische Kunst des Wandels, der Anpassung und der Täuschung, weil sie es verstanden bestimmte Fähigkeiten beider Gattungen in sich zu vereinen.
Eure Welt ist für sie am leichtesten durch Spiegel- oder Energietore zu erreichen, die es überall auf diesem Planeten gibt. Einer davon ist in New Orleans. Auf dem Grundstück, welches dir jetzt gehört.
Sie wollen dich rekrutieren als Wächter des Tores. Dich und deine Fähigkeiten für ihre Zwecke nutzen und gebrauchen. Aber du musst dich nicht fürchten. Wir haben dir Helfer zur Seite gestellt. Denn du selbst bist körperlich kaum in der Lage deine Aufgaben zu erfüllen. Und da sie dich nicht mit Geld und Macht vermögen zu locken, werden sie dir Gesundheit versprechen. Denn es ist das Einzige wonach du dich noch sehnst. Aber genau das ist die Prüfung, die du bestehen musst und zwar, dich für die Krankheit zu entscheiden, jedoch mit einem Herzen aus Liebe und Licht. Einer Dunkelheit aus vorbehaltlosem Vertrauen und Zuversicht. Das ist deine Prüfung und somit dein Karma. Je nach dem, wie du dich entscheidest, welchen Weg du auch wählst, wissend, dass falsch oder richtig nicht existiert. Denn gut und böse gibt es nicht und ich weiß, dass Gunnar dich dies bereits lehrte.
Selbst wenn du dich nicht für deren Seite entscheidest, wirst du noch in diesem Leben in der Lage sein dich selbst zu heilen oder wirst es zumindest verstehen, mit deinen Beschwerden zu leben.
Ab einem bestimmten Zeitpunkt in deiner magischen Entwicklung, wird es dir ebenfalls möglich sein, das Spiegeltor zu durchschreiten und in der Zwischenwelt zu wandeln, und in diesem Kanal zu gehen wohin du auch willst. Du kannst dort alle Welten beschreiten. Auch die der Wesen, die deinen Planten beherrschen. Nur musst du verstehen dich noch besser zu tarnen als sie.
Einer der Wesen wird als Vermittler in den nächsten Tagen zu euch kommen. Ihr alle habt ihn schon einmal gesehen. Deine Schwester hatte sich kurzzeitig in seine Fängen begeben. Denn die Wesen wussten genau, dass du Rea, die magischen Kinder nicht austragen kannst und hatten bereits ihre Klauen nach deiner Halbschwester  ausgestreckt.
Dein Gefährte Gunnar, der Druide Erik und dein anderer Seelenpartner Adam der Erste, haben korrekt gehandelt und mit deiner Schwester die zukünftigen Wächter gezeugt. Weil dein Körper in diesem Leben zu schwach dafür ist.
Wenn dieser Mann zu euch kommt, musst du ihm im Ring deiner Gefährten entgegen treten und ihm eine klare Antwort geben.
Und noch eines wollte ich dir sagen. Auch du musst lernen auf die magischen Zwillinge zu achten. Auch, wenn es nicht deine eigenen sind. Sind sie doch besonders und die Kinder deiner Schwester nicht nur im Geiste. Merke dir das.“

In der Zwischenzeit waren wir in der Mitte der spiralen Gänge angelangt. Da war ein großer, schwarzer Stein wie ein Würfel. Eingelassen und den Boden der Höhle. Drei mal drei Meter im Quadrat. Er glänzte beinahe wie eine Flüssigkeit aus schwarzem Metall.
„Wenn du wieder kommst, zeige ich dir dein magisches Land.“, hörte ich sie noch  sagen und im nächsten Augenblick öffnete ich die Augen und sah Gunnar vor meinem Gesicht.
„Ahhh!“, hörte ich alle im Chor um mich herum rufen.
„Endlich haben wir es geschafft!“, sage Christine erleichtert.  „Wir dachten wir finden das Serum der Erweckung nie. Dann hättest du ewig hier träumen müssen.“

So allmählich kam ich zu mir und ich sah mich um und ich sah die wohl wollenden Blicke auf mir ruhen.
„Ist euch nie in den Sinn gekommen, dass das Öffnen des Buches gefährlich für mich sein könnte?!“, richtete ich meine Frage vorwurfsvoll an die mich umgebenden Personen.
Gelächter breitete sich aus.
„Rea ist wieder bei uns. So, wie wir sie kennen.“, sagte Erik und sein schallender tiefer Bariton brach sich an den Wänden der unterirdischen Kammer. 


Während des Ausstieges und während wir zurück zum Haus gegangen waren, erholte ich mich so allmählich. Gleich anschließend setzten wir uns alle zusammen und ich berichtete von meiner Begegnung mit Oshun.
Marie war still und hörte aufmerksam meine Worte. Besonders die, welche uns als Schwestern betraf. Dieser Teil war auch mir gänzlich neu. Marie, meine Schwester und dies nicht nur im Geiste, hatte Oshun sie genannt. Und im selben Moment erschloss sich mir auch die Bedeutung der Worte: Oshun, mi madre. Ich bin ein Kind Oshuns. Natürlich! Auch sie war einst ein Mensch und wandelte unter den Lebenden. Von ihr stamme ich ab. Meine gesamte Ahninnenreihe sind ihre Kinder und somit auch ich.
Ich muss dringlichst mit meinem Vater reden. Dachte ich noch und schlief vollends erschöpft in Gunnars Armen ein. 

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In diesen Augenblicken bereiten wir uns auf den Boten vor. Es wird David sein, dessen Bruder Steve sich damals im schwedischen Gefängnis (angeblich?) erhängte. Man hatte ihn inhaftiert, weil man vermutete, dass er Maries Sohn getötet haben soll. Was im Nachhinein einen Sinn ergibt. Denn Raymond wäre ihnen im Weg gewesen, wenn Marie die magischen Kinder gebiert. Sie wäre womöglich nicht so leicht zu beeinflussen gewesen, hätte Raymond weiter gelebt.
Damals hatte ich diesen Rolf Nyström in Verdacht Raymond getötet zu haben. Womöglich hatte er versucht ihn sogar noch zu retten? Nur gut, dass man nicht ihn noch dafür zur Rechenschaft zog. Obgleich er doch ein zwielichtiger Bursche aus dem Rotlichtmilieu ist und sich mit Drogen und Prostitution befasst.
Gleichgültig. Ich suche mir vorzustellen, was in den nächsten Stunden geschieht.
„Konzentriere dich und bleibe ruhig.“, sagt Gunnar und hält meine Hand. „Wir sind alle bei dir.“