Montag, 14. Juli 2014

Reflektions- und Besinnungszeit – Im Haus der Voodoopriesterin Teil 2




Camille hatte ein Brett und ein Messer vor mir auf den Tisch gelegt, damit ich die Okras schneiden konnte.
„Ich weiß, du sonst nicht selbst kochen musst. Aber es gut zu wissen, wie es geht.“ Sie zwinkerte mir zu und schnitt die Andouille in viereckige Stücke.
„Oder magst du doch lieber die Mehlschwitze zubereiten?“, fragte sie lachend. Alldieweil sie genau wusste, dass ich das noch nie getan hatte. Aber es war kein Spott in ihrer Stimme. Nein. Eher eine freundliche Sanftmütigkeit. Ja beinahe Verständnis.
Nun legte sie mir Paprika, Zwiebeln, Lauch und Tomaten auf den Tisch. „Das dürfte genügen. Du schneidest und ich erzähle.“, und wieder lachte sie schallend.
Camille sprach über die Regenbogenschlange. Über Damballa, Ayida, seine Frau und wie sie die Welt gemeinsam entstehen ließen. „Der spirituelle Nektar, den sie erschufen, reproduziert sich in jedem Mann und jeder Frau als Samen und Milch. Die Schlange und der Regenbogen lehrten die Menschheit die Zusammenhänge zwischen Menstruation und Geburt, sowie dem höchsten Voodoosakrament des Blutopfers. „Blut ist eine gewaltige Substanz. Sie enthält den Code deines Lebens und transportiert die Lebensenergie.“ Sie begann ein Lied zu summen und als sie sah, dass ich mich bereits nach wenigen Minuten im Rhythmus wiegte, ließ sie es besser, bevor ich mich wieder auf den Boden wälzte, wie sie lachend bemerkte.

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Am späten Nachmittag bereitete Camille einen Kräutersud (Ewe) für eine rituelle Waschung zu. „Wir nehmen Kräuter für jedes Orisha, um zu ermitteln, welche dir am nähesten stehen. Dann sehen wir, was du träumst und später, werden wir orakeln.“
Es wurde eine Art Kräuterbad daraus, bei welchen sie mir, um die Mitternachtszeit, in einer Wanne mit Wasser, dem Sud und anderen Ölen oder Essenzen mit einem Büschel von Kräutern wieder und wieder über den Körper strich. (Yosop, Verbena hastata, Baldrian und Salbei. Lotus, Kamille und Sonnenhut. Minze, Yams und Löwenzahn. Luzerne, Beifuß und Weißdorn. Hibiskus, Beinwell und Sarsaparilla.)
Sie murmelte Gebete, wusch mir die Haare mit Omiero, dem Kräutersud und erzählte mir noch mehr Geschichten von den Orishas. Marie hatte mir damals bereits davon berichtet. Kurz bevor wie gemeinsam zu dieser geheimen Zeremonie am Ufer des Mississippi aufbrachen. Damals fand ich es spannend, und heute, wurde es ernst.


Ich schlief aus am Montagmorgen. Fühlte mich schon viel besser als einen Tag zuvor. Es muss in etwa um die Mittagsstunde gewesen sein, als ich mich gerade noch einmal streckte und räkelte, als Camille fast unmerklich die Tür öffnete und herein lugte. Als sie sah, dass ich wach war, kam sie sogleich zu mir ans Bett. Sie fragte mich nach meinen Träumen und ich erzählte ihr von einer schönen, jungen Mulattin. Ich war im Traum durch die Straßen von New Orleans gewandert und hatte von weitem Musik gehört. War ihr nachgegangen und hatte in einem kleinen Saal auf einer Bühne eine Band gefunden, die Samba spielte. Ich hörte eine Weile zu und als die Musiker eine Pause einlegte, stieg die Sängerin von der Bühne und kam an mir vorbei. Sie lächelte und ich sah mich (herausfordernd) an.
„Du weißt nicht, wer ich bin?“, fragte sie lachend und wiederholte es immer wieder.
Camille lachte nun ebenfalls und ich wusste nun selbst, es war Ohsun!
„Du bist ein Kind Oshuns.“, sagte sie und klatschte sich dabei enthusiastisch auf die Schenkel. „Ich hätte es mir denken können. Und sie hat dich selbst erwählt. Der Tradition entsprechend wird in einer Zeremonie mit dem Orakelbrett das Hauptorisha der betreffenden Person ermittelt. Wessen Kind du also bist. Aber hier hast du es selbst erträumt.“ Camille lächelnde wissend und nickte mir zu. „Nun werden wir deine vier anderen Orishas noch finden müssen.“
Sie stand auf und nur wenige Minuten später stand mein Frühstück auf dem Tisch.
„Nimm dir Zeit.“, sagte sie und ging zurück in die Küche, um noch eine Schale mit Obst und eine andere mit Gebäck zu holen. Icetea hatte sie ebenfalls gleich mitgebracht. Nun warf sie mir einen bedeutungsvollen Blick zu und hob den Zeigefinger. „Und jetzt, werden wir orakeln.“, sagte sie und verließ noch einmal das Zimmer und als sie zurückkam, brachte sie ein etwa zwanzig Zentimeter großes Holzbrett (Opon-Ifa) und die dazu gehörigen Kolanüsse mit den eingearbeiteten Kauris darinnen mit. Zwei „männliche“ und zwei „weibliche“. Obi, werden sie genannt.
Jedoch bevor sie mit der Divination begann, steckte sie sich eine dicke Zigarre an und reinigte mit dem heiligen Rauch den Raum und uns. Dann begann sie ein Gebet zu murmeln. Das so genannte „Mojuba“ – Ich erweise Ehre. Es dauerte ziemlich lange und ich vermute, sie wiederholte es einige Male.
Bevor sie die Obis „warf“, besprenkelte sie sie mit Wasser und chantete ein anderes Gebet. Dazu nahm sie die Obis in die linke Hand und klopfte mit der Rechten drei Mal auf den Boden.
„Ille mo ki e o. Ille mo ki e o. Ille mo ki e o“
(Schrein, ich grüße dich).
Nun wechselte sie die Obis in die rechte Hand und klopfte mit der Linken wieder drei Mal auf den Boden.
„Ille mo ki e o iki eye. Ille mo ki e o iki eye. Ille mo ki e o iki eye:“
(Schrein, ich grüße dich in Ehren).
Und noch einmal wechselten die Obis von Hand zu Hand und die Rechte klopfte jetzt wieder auf den Boden.
„Ille mo ki e o iki eye.“, wurde erneut drei Mal gechantet.
Nun warf sie die Nusshälften aus das Brett.


Nach einer langen Weile und vielen Geschichten und Gesprächen ermittelten wir, dass Yemoja/Olukun, mein zweites Orisha ist. Shango mein Drittes. Eshu-Elegba mein viertes und Ogun mein Fünftes.
Das alles war überaus anstrengend. Daher ruhten wir anschließend aus, aßen, was Camille gekocht hatte und unterhielten uns dann eher zwanglos eine kurze Weile und es dauerte nicht lange, bis ich eingeschlafen war.

Am nächsten Dienstagmorgen wachte ich auf und vermisste Gunnar neben mir.
Was würde ER tun? Wie würde er sich fühlen? Vermisste er mich ebenso wie ich ihn?
„Aber natürlich tut er das.“, hörte ich Camills Stimme und schon stand sie neben mir mit einem Tablett voller Köstlichkeiten, samt einer dampfenden Tasse Kaffees.
An diesem Tag, gab es noch mehr Geschichten und wir fertigten gemeinsam meine Ilekes an.
Um mich nicht zu überfordern und mir ein wenig Zeit zum nachsinnen und träumen zu geben, ließ sie mich den Rest des Tages allein. Erst am Abend kam sie mit köstlichen Speisen zurück, die wir entspannt lachend und tratschend zu uns nahmen.


Am nächsten Tag, dem Mittwoch, folgte die Ilekes – Zeremonie.
Das Unangenehmste, was ich dabei zu tun hatte, war die Perlenketten in einer Vertiefung der Erde in Blut zu weihen.
Nun hatte ich meine eigenen, heiligen Ilekes. Fünf Stück in verschiedenen Farben, welche den jeweiligen Orisha zugeordnet war.
„Und Morgen“, sagte Camille zu mir, „werden wir los ziehen, um die Gegenstände für deinen Orakelbeutel zu finden. Denn ich habe bemerkt, dass du dafür einen Blick und ein Händchen hast. Aber zuvor“, nun kramte sie in einer Schublade, nahm einen kleinen Lederbeutel heraus, setzte sich wieder zu mir und legte den Beutel vor mich auf den Tisch, „gebe ich dir den Beutel der sieben Kräfte. Er ist wie ein schützendes Amulett. Du kannst ihn umhängen, aber auch in deine Hosen- oder Handtasche stecken. Nur solltest du ihn immer bei dir tragen.“
Den Rest des Tages erzählte sie mir über den Inhalt des Beutels und wie man ihn herstellt, damit ich mir oder anderen gegebenenfalls einen ebensolchen Beutel herzustellen vermochte.

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„Wie viele Divination  Methoden gibt es denn eigentlich?“, fragte ich am darauf folgenden Tag, als wir bereits unterwegs waren, um die Gegenstände für meinen Orakelbeutel zu finden „Und wann kann ich Gunnar endlich wieder sehen? Warum ist er eigentlich nicht hier? Und wie lange bleibe ich noch bei dir?“
„So viele Fragen auf einmal.“ Ein breites Lächeln huschte über Camilles Gesicht. „Doch bevor ich antworte, noch eine Anmerkung zum Inhalt des Orakelbeutels.“ Für einen Augenblick blieben wir stehen und Camille sah mir direkt in die Augen.
„Handle intuitiv. Wenn du, gleich wo, etwas siehst was deine Aufmerksamkeit erregt, dich augenblicklich anspricht, das kann ein Stein sein, eine Muschel, ein Würfel oder etwas in den Auslagen eines Geschäftes,  dann nimm es.“
„Gut.“, antwortete ich. „Dann werde ich mich jetzt darauf konzentrieren.
Während wir gemächlich durch Straßen, Gassen und auch auf Wegen ein wenig abseits gingen, beantwortete sie meine Fragen und auf die, welche mir am dringendsten erschien, antwortete sie zu aller erst.
„Du wirst deinen geliebten Gunnar bald wieder sehen. Jeder von euch hat diese Zeit für sich gebraucht.“
Ich war stehen geblieben und sah sie an. Wollte eigentlich fragen, wie ER sein wird, nach dem Zauber. Jedoch erübrigte sich meine Frage noch im Augenblick, denn Camille beantwortete auch sie ausführlich und mit einem Lächeln im Gesicht.
Überhaupt hatte sie stets eine harmonische, positive Grundstimmung. Nie wurde sie ungehalten oder gar ärgerlich. Sie fluchte nicht und sagte kein einziges, beleidigendes Wort über andere. War stets fair, verständnisvoll und mitfühlend.
Camille war eine alte, dunkelhäutige Frau, die ich etwa auf siebzig schätzte. Fragen wollte ich sie jedoch nicht. Sie war etwas kleiner als ich und ihre Figur, sowie ihre Kleidung entsprachen ihrem Alter. Keine auffällige Erscheinung. Nur ihre Ausstrahlung war schon eine ganz Besondere.

Die suche der „Zutaten“ für meinen Orakelbeutel dauerte den gesamten Tag und am Abend war ich so derart erschöpft gewesen, dass ich sogleich nach dem Essen zu Bett gegangen war. Camille hatte nichts weiter dazu gesagt. Sie ließ mich schlafen und weckte mich am Freitagmorgen mit einem rasselnden Geräusch.
Als ich die Augen aufschlug, sah ich, wie sich etwas Rotes mit weißen Zeichnungen über meinen Kopf hin- und her bewegte.
„Shango weckt dich.“, sagte sie lächelnd und rasselte weiter meinen Körper auf und ab. „Die Schwingung der Rassel klärt die Luft. Jagd die bösen Geister fort.“
Ich dachte an Gunnar. Er fehlte mir. Nun hatte ich schon eine Woche ohne ihn verbracht, wo Kevin bei mir gewesen war. Sprudelte vor Glück über, war dankbar und erleichtert ihn endlich wieder bei mir zu haben und nun war ich erneut eine ganze Woche ohne ihn.
„Ich will zu meinem Ehemann.“, forderte ich.
„Das kannst du. Morgen früh, wird er dich abholen.“
„Noch eine Nacht ohne ihn. Das will ich nicht!“, monierte ich weiter.
Camille holte tief Luft und stand auf, während sie sich räusperte. „Die eine Nacht, wirst du noch ohne ihn auskommen. Wir werden heute deinen Orakelbeutel fertigen und ich zeige dir, wie du ihn benutzt.

Am späten Abend, kurz bevor ich einschlief, war Camille noch einmal zu mir gekommen. Sie setzte sich aufs Bett, nahm meine Hand und sah mir mit einem mitfühlenden Blick entgegen. „Wie fühlst du dich heute?“, fragte sie.
Ich schnaufte. „Nicht wirklich gut. Mir ist noch immer ein wenig schwindelig. Gleichwohl es auch Momente der Besserung gegeben haben mag, und ohne Gunnar fühle ich mich stets nur wie ein halber Mensch.“
„Ich weiß“, begann sie über Dinge zu reden, die sie eigentlich nicht wissen konnte, und über welche ich noch nicht einmal selbst nachgedacht hatte. „Du fühlst dich in Gegenwart von Frauen nicht wirklich wohl. So oft du es auch bewusst oder unbewusst versuchtest, schlug es fehl und nach kurzer Zeit gabst du auf.“
„Was meinst du damit?“
„Du verspürst einen ständigen Mangel und weißt nicht warum. Hast es selbst noch nicht einmal definiert.“
„Einen Mangel? An was denn?“, fragte ich. Aber Camille redete einfach weiter, ohne speziell auf meine Frage einzugehen.
„Es ist die Gesellschaft, die so ist, wie sie ist. Wir leiden alle einen Mangel. Frauen und Männer. Die einen mehr. Die anderen weniger. Wir füllen unser Leben mit so vielen Dingen und dennoch sind wir einsam. Suchen den richtigen Partner fürs ganze Leben. Hängen der romantischen Liebe nach. Verzehren uns vor Leidenschaft, die mehr Leiden schafft, als das sie etwas gibt. Ergründen aber nie, wo die Ursachen liegen.“
Sie machte eine kleine Pause und wirkte nachdenklich dabei. Ich wartete ab, bevor ich vetonierte. Einsprüche erhob.
„Siehst du, in naher Vergangenheit hast du es mehrmals versucht, dich mit Frauen zu verschwestern. Aber es gelang dir nicht. Weil wir Frauen über viele Generationen so konditioniert worden sind. Nachdem du Marie als Freundin an die Männer verloren hattest, kam Sarah ins Spiel. Du engagiertest sie, um nicht allein zu sein. Ihr versteht euch ganz gut. Aber dennoch fühlst du dich ausschließlich mit ihr nicht wirklich wohl. Sie ist eine gefühlte Fremde. Dann der Versuch der Schwesternschaft. Du riefst die Clan-Schwestern ins Leben, nachdem du bemerktest, dass du dich bei den älteren Frauen, im Kaffeekränzchen, wie du es zu nennen pflegst“, bei diesen Worte lächelte sie ein wenig ironisch,  „mehr als unwohl fühltest. Obgleich du es versuchtest, mit Kaffee und Kuchen und immer wieder mit Emilia Stephansdottier. Denn du ahntest, dass sie dir viel zu lehren hätte, und im Augenblick ist es dir auch ganz gut gelungen mit ihr in gutem Einvernehmen zu sein. Nur die Clanschwestern gabst du letztendlich auch wieder auf und die Leitung ab an eine andere Frau.“
Was war DAS jetzt? Hielt sie mir einen Vortrag darüber, wie ich mich verhalten und fühlen sollte? Derartiges mochte ich nicht wirklich, hörte aber dennoch weiter zu.
„Bist du ausschließlich mit Frauen zusammen, hast du nie ein wirklich gutes Gefühl. Nur in der Gegenwart von Männern, oder dem derzeit bevorzugtem Mann, fühlst du dich behütet, beschützt und geborgen. Ist ER nicht ein Fremder für dich?“, fragte mich Camille und sah mich aufmerksam an.
„Gunnar ist doch kein Fremder.“, setzte ich mich sogleich zur wehr.  „Nur mit und bei ihm fühle ich mich ganz. Gut, er war anfangs nicht meine erste Wahl und sicherlich könnte ich mich mit anderen Männern ähnlich fühlen. Aber da er doch auch mein Seelenpartner ist und ich bereits viele Leben mit ihm zusammen verbrachte, erscheint es mir richtig so wie es ist. Und mit der Zeit gewöhnte ich mich an ihn und habe mich tatsächlich in ihn verliebt.“
Ein mildes Lächeln schwabbte mir entgegen. Aber der Fluss meiner Worte riss nicht ab. „Gehören weibliche und männliche Energie nicht zusammen? Bedingen sie sich nicht gegenseitig? Wie zwei Pole? Zwei Seiten einer Münze? Wie Licht und Schatten? Yin und Yang? Getrennt, aber dennoch zusammen gehörend. Ist es nicht gut, wenn Frau und Mann füreinander da sind. Und womöglich gab es auch einst eine ganz andere Gesellschaft. Weder patriarchal noch matriarchal. Natürlich ist die matriarchale, so wie wir sie jetzt definieren, die bessere. Ohne Frage!  Zumindest als die, in der wir im Augenblick leben. Nur ist es nicht vorstellbar, dass es trotz alldem schon immer romantische Beziehungen gegeben hat. Denn Gefühle lügen doch nicht. Sie sind da, und nicht erst seit heute. Auch die früheren Menschen haben sie wahrgenommen. Sich in Liebe verzehrt. Gleichwohl es anders ausgesehen haben mag als heute. Oder die Prioritäten in der Gesellschaft ganz anders verteilt waren.“ schwelgte ich im glühendem Engagement. In einer Art Ausweg und Verteidigung in einem.
„In der matriarchalen Gesellschaft  gibt es selbstverständlich auch eine Art von romantischer Beziehung. Sie ist ganz natürlich, zwanglos und in das Leben integriert. Man redet nicht weiter darüber.“
„Woher willst du das wissen?“ Ich biss mir auf die Zunge. Soweit hätte ich jetzt nicht gehen dürfen. Zumindest nicht in dieser aggressiven Form.
Camille lächelte trotz meines Angriffs mild und voller Verständnis.
Trotz alledem argumentierte ich weiter: „Jede Frau sehnst sich doch nach einem männlichen Partner. Jeder Mann nach einer Frau!“
„Aber es funktioniert nicht auf Dauer.“, entgegnete sie jetzt. „Selbst auf das einbinden der beiden Geschlechter in einer Ehe, folgte das Zulassen der Scheidung.“
„Die Paare arrangieren sich doch! Wer will denn schon gern alleine sein?!“
„In einem Matriclan wärst du niemals allein. Nur, wenn du es selbst wolltest. Und es ist dabei gleichgültig, ob du alt oder jung bist. Du hättest immer viele Schwestern um dich herum. Sie geben dir die Wärme und Geborgenheit die du brauchst.“ Ich schnappte nach Luft und wollte etwas erwidern. Jedoch Camille redete einfach weiter. „Der auserwählte Mann ist nur eine zeitweilige oder vorübergehende Erscheinung. Vielleicht auch nur, um ein Kind zu zeugen.“
„Wir sind doch keine Tiere, dass wir uns nur zur Fortpflanzung paaren.“
„Nein. Wir empfinden Lust dabei und das ist gut so. Nur, ist da auch das Hirn zum denken.
„Ja, und ich denke, nein, ich weiß, wie du bereits sagtest, dass ich mich mit Frauen nicht wohl fühlen kann. Warum sollte ich dann mit ihnen zusammen sein wollen? Ich bin doch schließlich nicht lesbisch!“
„Aus patriarchaler Sicht scheint es lesbisch zu sein, sobald Frauen miteinander lachen oder ganz und gar glücklich sind. Aber ist es nicht das Natürlichste dieser Welt?
„Für mich nicht!“, blieb ich unbeirrt. „Und wenn schon! Sie sind auch nur Menschen und enttäuschen genauso wie die Männer. Welche schwulen Männer sind mehr als ein, oder zwei Jahre zusammen? Sie wechseln doch ständig die Partner.“
„Das mag bei den Männern schon so sein. Aber lesbische Frau sind oft ein Leben lang zusammen.“
„Für mich klingt das wie ein Paradoxum an sich. Also bleibt man doch ein Leben lang beieinander und muss genauso Beziehungsarbeit leisten. Dabei ist es doch gleichgültig ob ich nun mit einem Mann oder einer Frau zusammen bin. Die Bedingungen des Lebens wären die gleichen.“
„Frauen untereinander verstehen einander besser.“
„Männer ebenso und außerdem ist das alles mit einem Mann genauso möglich!“, beharrte ich weiterhin auf meinem Standpunkt.
„Gut.“, sagte Camille und ich war irritiert. „ Du hattest aber auch schon viele Männer. Wechseltest sie, bevor es dir langweilig wurde.“
„Es ist mir mit Gunnar nicht langweilig.“
„Warte ab, was passiert. Jetzt ist er ein ganz NORMALER Mann.“
„Aber wie lange wird das sein?“, gab ich zu bedenken. „Das letzte Mal hielt der Zauber nur kurze Zeit und anschließend wurde es schlimmer und schlimmer.“
„Mag sein, dass wir nicht wissen, wie Gunnars Art nun wirklich zukünftig sein wird. Aber DU wirst es als erste bemerken und uns wahrscheinlich dann alles berichten.“ Noch immer überzog ein wohl gemeintes Lächeln Camilles Gesicht. Kein einziges Anzeichen von Ärger oder gar Zorn.
Ich gab auf. War müde vom Tag und vom Reden. „Morgen?!“, vergewisserte ich mich noch einmal bevor ich schlief.
Camille nickte und ging.

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Der Abschied von Camille war wenig spektakulär.
„Nicht das du denkst mit dem Crash-Kurs in Voodoo sei jetzt alles zu Ende. Nein. Damit fängt erst alles an. Wir werden uns wieder sehen. Gar keine Frage!“, und noch einmal hörte ich ihr herzliches, volles Lachen, bevor ich in den Wagen stieg und mit Gunnar nach Hause fuhr.

Vorgestern vermochte ich hier noch nichts zu schreiben. Ich wollte Gunnar genießen. ENDLICH wieder bei ihm sein!
Er selbst schien mir ebenso glücklich, denn sogleich, als wir ankamen, vereinigten wir uns und flossen hingebungsvoll ineinander. Der Sex war ungeheuer leidenschaftlich und erfüllend. Beide strahlten wir den ganzen Tag. Schmiegten uns aneinander und ließen uns nicht mehr los. Waren schlicht und einfach glücklich,.... endlich wieder beieinander zu sein!
Zudem hatten wir uns viel zu erzählen. Ich noch viel mehr als er mir.
Gunnar hörte mir aufmerksam zu bis zu dem Punkt, wo es um Frauen und Männer ging. Da musste er, ob meiner Hartnäckigkeit halber, herzlich lachen. 
„Es kommt auch immer auf die Männer an.“, sagte ich und legte erneut meine Arme um seinen Hals. „Jetzt wird alles gut.“, hauchte ich in sein Ohr.
„Ja.“, wisperte er leise und mehr als überzeugend zurück.