Samstag, 10. Oktober 2015

„Beweise es mir!“



Ich ignoriere beflissen Alexas Winkelzug. Tue, als wäre er nie geschehen, nie ausgesprochen worden.
Denn, „Emotionen beherrschen und steuern“, ist, laut Grandma Kathy, meine gegenwärtige Lektion.
Davon abgesehen, selbst Gunnar glaubt NICHT daran. Sagt, es sei ein Fake, um ihn gefügig zu machen.

---------------------

Nun, nicht genug, dass ich mich niederen Aufgaben, wie dem Putzen und dem Kochen bereitwillig hingegeben habe, und genau genommen ebenso sekündlich auf meinen Atem achten soll, was ich als unmöglich empfinde, wird mir zudem noch von Grandma Kathy angetragen, ich solle ebenso, neben der Selbstreflektion und meinen Gedanken, auf meine Emotionen achten. Was sicher alles in allem überaus wichtig und richtig für mich ist. Nur, komme ich dann auch noch zum leben?
Mag sein, dass mich dergleichen Hinweise im ersten Augenblick verärgern. Im Zweiten ist mir selbstredend bewusst, dass ihre Anregungen zweifelsohne nur das Beste für mich sind. Andererseits erklärte ich ihr, dass ich durch die Krämpfe so manches Mal kaum tief durch atmen kann.
„Kind, Du solltest dich in manchen Situationen nicht überfordern. Solltest Pausen einlegen. Wie sagt man bei euch? Entschleunigung. Gleich, wie lang etwas dauert. Und wenn du dann noch an den Atem denkst, die Bauchatmung dir womöglich schon in Fleisch und Blut übergegangen ist, weitet sich deine Brust fast von selbst. Er stärkt deine Muskeln und das Zwerchfell, dass du zur Bauchatmung brauchst.“
„Mag sein. Aber es ist überaus anstrengend für mich.“
Kathy neigte den Kopf. „Mag sein. Aber, hältst du nur durch, wird es Stück für Stück besser werden.“ Sie zwinkerte mir zu und hob die Hand, um zu signalisieren, dass sie noch etwas anzufügen hatte. „Gedankenhygiene und Einstellungen sind ebenso ein wichtiger Garant, sowie ein wenig Meditation, um dich nach und nach selbst zu heilen. Ebenso, dass du an dich selber glaubst und dich achtest.“
„Ist Meditation nicht reine Männersache. Frauen können dies doch ohnehin beinahe von selbst.“
Jetzt lachte sie so herzhaft, dass ich und alle Umstehenden mitlachen mussten. „Ja. Da hast du Recht.“
Sie klopfte sich auf die Schenkel und sah mich auffordernd an. „Na dann. Beweis’ es mir.“

Der kommende Neumond sei ein guter Zeitpunkt, um mit allerlei Neuem zu beginnen, merkte sie noch im Hinausgehen an. Und ebenso, ob ich nicht vielleicht einige Tage bei ihr bleiben würde.
Bei diesen Worten sah ich zu Gunnar und dachte an die leeren Nächte ohne ihn an meiner Seite. Was mir ängstlich werden lies.
„Kathy fasse meinen Arm und sagte lächelnd: „Männer stören da nur.“
Nein. Nein! Nein!!! Dachte ich. Ich kann nicht OHNE IHN!!! Und schon bahnte sich die Panik an. Ich begann flach und schnell zu atmen. Meine Augen huschten unstet hin und her. Unruhe breitete sich in mir aus.
„Ich brauche ihn!“, sagte ich noch. „Er fängt die Angst so großartig ab und gibt mir Ruhe.“ Und schon erlag ich der Panik-Attacke.
Gunnar nahm mich auf seine Arme und trug mich zurück in die Hütte. Legte mich auf die Liege dort und hielt meine Hand.
„Ach du meine Güte!“, hörte ich Kathy poltern. „Was für eine emotionale Abhängigkeit ist denn das!!“

Selbstredend blieb ich nicht dort und fuhr mit den anderen zurück zu Agnes und Leos Haus. Es war ohnehin schon spät. Alldieweil wir ebenso verzögert losgefahren waren.
Allerdings war ich nun so aufgewühlt, dass ich lange Zeit nicht einzuschlafen vermochte. Stand auf und tat mir fb an und andere (politische) Seiten. Sprach mit Troels und Derek, dessen Stimme mich, in meiner derzeitigen unstabilen Lage, immens beruhigte. Gunnar lies es selbstverständlich zu und hörte mit. Wogegen ich nichts hatte. (Ich! Derek schien es einigermaßen unangenehm.)

Da ich ohnehin nicht zum Schlafen zu bewegen war, analysierten wir noch, auf Mary’s Anraten hin, wie es eben zu dieser Attacke gekommen war. 
„Ich kann nicht ohne ihn sein!“, polterte ich los.
„Eben daran liegt’s.“
Ich sah sie entgeistert an. „Was ist daran schlimm?“
Mary und Rodney sahen sich an. Leo und Agnes ebenso. Adam konzentrierte sich auf mich. Gunnar ebenso. „Du kannst nicht mehr wirklich selbstständig sein. Es ist, wie Grandma sagt. Du hast dich selbst in eine emotionale Abhängigkeit begeben.“
„Woran wird DAS wohl liegen?!“, fauchte ich weiter in der Annahme, dass man sich gegen mich verschwört.
„Woran denkst du denn?“, Agnes blieb freundlich und auch die anderen.
Ich dachte nach. Konnte es jedoch nicht. Meine Gedanken machten Purzelbäume. Überschlugen sich und schließlich nannte ich den Oberbegriff für alles Ungemach: „Am Patriarchat!“
Die anderen sahen sich an und grinsten, was mich wütend machte und weiterhin der Vermutung erliegen ließ, dass man sich gegen mich konspiriert.
Mary schien meinen Zorn wahrzunehmen. „Rea, beruhige dich erst einmal. NIEMAND will dir etwas Bösen.“
Ich schmiegte mich an Gunnar und hielt ihn fest. Er wiederum strich mir übers Haar und drückte mich an sich. Sagte jedoch nichts und schien abzuwarten, wie es weiter geht.
„Du hast natürlich Recht Rea.“, begann Agnes nun zu sprechen. Was ich ebenso als verhätschelnden Angriff wertete. Mich jedoch versuchte zu beherrschen.
„Du suchst nach Sicherheit, die es genau genommen gar nicht gibt. Und ebenso nach Geborgenheit, die dir die gegenwärtige Gesellschaftsform, in der wir leben,  nicht bieten kann. Niemanden von uns. Zudem hat man dich per se mit der Erziehung in eine Form gepresst. Und wenn du nicht gehorsam warst, entzog man dir Nähe und Zuneigung, um dich gefügig zu machen. Zudem lud man Schuld auf dich, wo keine war, um dir Angst zu machen. Nur nehme ich an, dass du das alles bereits weißt.“
Ich verstand sehr gut, was sie sagte und nickte ihr schweigend zu. Mein Zorn begann so allmählich zu verfliegen. Worüber ich selbst sehr zufrieden war.
„Deshalb Rea, entwickelt sich in der der Zorn als einzige Möglichkeit des Widerstandes.“, sagte Rodney zu mir. „Weil du sonst keine andere sahest. Was verständlich ist. Nur der Zorn war nur teilweise und vielleicht anfänglich ein guter Ratgeber. Auf lange Sicht gesehen, schadet er dir enorm.“
„Und DAS musst du sehen.“ Mary war aufgestanden, zum mir herüber gegangen und hockte sich nun vor mir hin. Griff nach meiner Hand und hielt sie lächelnd fest. Drückte sie. „Wir wollen dir helfen Rea. Und das weißt du auch. Wenn du das verstehst, dann nicke einfach.“
Ich nickte.
„Aber jetzt, gehst du erst einmal schlafen. Legst dich in die Arme deines Mannes, wo du sicher bist.“ Sie zwinkerte mir zu und auch alle anderen lachten.
Die für mich gefühlte, angespannte Stimmung, hatte sich mit dem gemeinschaftlichen Lachen aufgelöst und auch ich war mit den abschließenden Worten zufrieden und tat genau das, was Mary sagte. Mich genüsslich in Gunnars Arme kuschelnd schlafen legen.
Nur vor einem hatte ich noch Angst. Vor den Schmerzen, die mich neuerdings gelegentlich des Nachts erwachen lassen. Was ich als keine vorteilhafte Entwicklung sehe! Ich sprach selbstredend bereits mit Gunnar darüber. Er kennt nicht so gut, wie kein anderer......