Sonntag, 11. Oktober 2015

Ehre und Gewissen



Mein Ehemann entschuldigte sich wegen Alexa bei mir noch einige Male. Er selbst sprach dies Thema an. Offensichtlich plagte ihn sein schlechtes Gewissen.
„Ich weiß, dass du darüber nachdenkst.“, sagte er zu mir und schien in der Tat mitfühlend zu sein.
Ich nickte nur und wahrte die Contenance.
„Du magst nicht darüber reden. Oder?“, setzte er nach.
Ich schüttelte mit dem Kopf und wahrte die Contenance.
„Es tut mir wirklich leid. Verzeih.“
„Wer fickt, muss damit rechnen, dass ein Kind entstehen kann.“
„Was in keinster Weise meine Absicht war. Glaube mir.“
„Aber natürlich. Was sonst.“, erwiderte ich und wahrte weiterhin die Contenance.
Gunnar hatte seinen Arm um meine Schulter gelegt und zog mich zu sich heran. Er sah zu mir herüber und küsste mich dann. Ich ließ es geschehen. Seine Lippen berührten sanft die Meinen. Mit einem Mal strahlten Gunnars Augen und in seinem Blick sah ich diese aufrichtige Liebe zu mir, wie sie seit Anbeginn unseres Zusammenseins lebendig war.
„Ich verspreche dir, gleich was geschieht, nichts wird meine Liebe zu dir verändern. Wir werden immer zusammen sein.“ Gunnars Blick senkte sich und er drehte ein Stück weit den Kopf zur Seite. „Mir ist stets und durchaus bewusst, dass man mich mit derlei erpressen kann.“
„Und sie scheint es zu versuchen. Wie groß kann ihre Liebe in diesem Fall sein?“
Gunnar hatte den Kopf wieder zu mir her gewandt und zog nun die Brauen nach oben. „Ich weiß genau, dass sie mich über alles liebt. Sie sagt es mir jeden Tag. Und ich....“, er zögerte. Löste sich von mir und schnaufte. Dann drehte er den Kopf und blickte mir erneut prüfend in die Augen. Ich wartete, dass er seinen Satz beendete. „Und ich......das sagte ich dir bereits,.....liebe sie auch. Irgendwie....“, schob er sogleich hinterher.
„Irgendwie??? Was bedeutet das jetzt? Liebst du sie nur vorübergehend, wie diese russische Fotze? Entschuldige! Ich vergaß, wie sie hieß. IRGENDWANN hattest du gleichwohl von ihr genug.“
Gunnar bewegte sein Haupt leicht hin und her und nahm eine Abwehrhaltung ein.
„Mag sein.....“
„Spätestens dann“, schnitt ich ihm das Wort ab, „als sie mit einer Schwangerschaft aufwartete.“, provozierte ich ihn.
„Nein, nein. So war das nicht.“ Schuld stand ihm ins Gesicht geschrieben. Oder täuschte ich mich da? Allenfalls schien er noch etwas sagen zu wollen, ließ es aber dann und bemerkte, so ganz nebenbei: „Schließlich hatte sie dann einen anderen.“
„Ach ja? Natürlich. Wie konnte mir nur diese Einzelheit entfallen? Offensichtlich war sie nicht wirklich wichtig.“
Gunnar schwieg vorübergehen. Lehnte sich nach vorne und schien sich mit imaginärem Wasser die Hände rein zu waschen. Zumindest sah es so aus.
„Weißt du was Rea?“, sagte er dann und sein Blick war noch immer auf den Boden gerichtet. Ich horchte indes auf und sah ihn an, in Erwartung der nächsten Darlegung seiner Unschuld oder Schuld von ihm und seiner Konkubine. „Ich habe es dir noch nie gestanden. Aber du wirkst stets zur Gänze überaus elegant und adlig. Man bemerkt, aus welcher noblen Kinderstube du stammst.“
WAS für eine smarte Wende des Gespräches!
Erstaunlich! Ich sah Gunnar beinahe entgeistert an.
„Hast du das nie bemerkt?“
„Was?“, fragte ich noch einmal nach, um sicher zu gehen.
„Wie erhaben du dich stets benimmst.“
„Nein. Natürlich nicht. Ich dachte, mein Verhalten sei zumeist gewöhnlich oder sogar pöbelhaft bis vulgär.......gelegentlich, wenn ich wütend bin.“
Gunnar lachte. „Mag sein, dass du zuweilen die Redensart des gemeinen Volkes annimmst. Was aufgesetzt wirkt. Denn es ist mehr als offensichtlich, zu welcher Klasse du gehörst.“
„Ach. Tatsächlich?“
„Ja.“
Gunnar begann zu grinsen. Er nahm mich in den Arm und wir lachten beide...miteinander. Trotz aller Widrigkeiten.
Ein wenig später fuhr er fort. „Es ist ebenso die Haltung an sich, mit der du dich bewegst. Die etwas Majestätisches hat.“
Ich sah ihn zweifelnd an. „Nun, ich war bisher der Meinung, dass man mir doch viel eher einfältiges, sogar impulsives bis hysterisches Verhalten nach sagt, mit wenig Haltung, wie sie mir von meinem Stande her gebührt. Zumindest dachte ich dies bis hier her.“
Gunnar lächelte mild. „Mag sein. Zuweilen. Dennoch verrät die Art, wie du dich im Allgemeinen gibst, in welch’ noblen Umfeld du aufgewachsen bist.“
„Meinst du tatsächlich, dass dies so ist? Ich empfinde mich oft alles andere als nobel, oder aristokratisch.“ Ich hob leicht die Schultern und sah Gunnar kapitulierend an. „Bin ich doch dutzende von Malen unsicher und mit Zweifeln an mir selbst behaftet, wo es Stärke und Entschlossenheit erfordert. Bemerkt man dies nicht?“
Gunnar hob ebenfalls die Schulter. „Ja und nein. Aber ist das nicht ganz einfach menschlich?“
„Überdies bin ich  schwach und gebrechlich.“, fügte ich an, ohne auf Gunnars Frage einzugehen. „Kaum sichtbar. Wie ein Schatten fühl’ ich mich. Infolgedessen doch eher unwürdig, für diese Art von eleganten Leben. Meine Mutter tadelte mich oft.“
Gunnar entrüstete sich fast. „Oh nein! Du lebst diese Art, so zu sein, doch ganz und gar! Und ist Zartheit nicht gerade die Natur des Adels.“
„Das denkst du nur.“
„Oh nein. Das ist tatsächlich so.“
„Kennst du denn Viele unserer Art?“
Gunnar lächelte und schüttelte mit dem Kopf. „Ich glaube nicht.“
„Weißt du Gunnar, dies ist nur eine scheinbare Eigenart. Genau genommen, müssen wir stark sein. Denn, wir leiden im Inneren. Es ist nicht schicklich, so wie ich es oft tue, meine Emotionen nach außen zu zeigen.“
Unsere Unterhaltung glitt nun in Geplänkel und smal talk ab und ich suchte sie zu beenden. Kuschelte mich lieber an seinen warmen Körper. Denn mir war kalt geworden.

Am späten Abend fanden wir noch einmal zu dem Thema Alexa zurück. Wie es zu erwarten war. Es beschäftigt uns beide. Offensichtlich......
Jedoch blieb die Unterhaltung sanft und eher verhalten. Sachlich und gepflegt.
Am Ende waren wir uns einig und glaubten nicht (wirklich...) daran, dass Alexa die Wahrheit sagt.
Nun,....wir werden sehen.
Ein Rest von Unsicherheit bleibt jedoch zurück.

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Aus der Ferne kann man viel vermuten. Versprechungen tätigen und sogar Flüche ausstoßen. Aber WAS, wenn wir zurück in Schweden sind und sie tatsächlich schwanger ist? Gunnar ist nicht nur diesbezüglich ein Ehrenmann. Niemals würde er sie in diesem Zustand in die Wüste schicken. Und ich vermute, dass sie das weiß. Somit hätte sie in der Tat ihr Ziel erreicht. Gleichgültig, was Gunnar mir JETZT und HIER versprechen mag. Und ob sie ihn nun wirklich liebt, stünde dann ohnehin nicht mehr zur Debatte.