Samstag, 17. Oktober 2015

Desillusioniert



Ich hatte tatsächlich die Hoffnung, dass sich während unserer ausgedehnten Reise Alexa schlicht und einfach in Luft auflöst. Selbst was Gunnars sexuelle Vorlieben und Neigungen betrifft, war ich zuversichtlich. Nun, da irrte ich mich wohl. Er hat stundenlang mit Alexa telefoniert und zudem noch geskypt. Gleichermaßen mit Marie und den Zwillingen. Den Beleg dafür, bekam ich heute in einem kurzen Gespräch. Wo er mir bestätigte, dass ihm der ungezügelte, ausgiebige Sex genauso fehle wie eine Session mit (s)einer Domina.
„Daran musst du dich endlich gewöhnen. Ich bin eben so.“
Was war DAS denn für eine Rechtfertigung, welche mich genau genommen in diesem Moment provozierte. „Oder was?“, wurde ich schroff.
Gunnar sah mich fragend an und hatte die linke Augenbraue nach oben gezogen.
„Oder was?“, wiederholte er?
„Sollte ich mich scheiden lassen“
Nun schüttelte er ein wenig lächelnd den Kopf. So, als könne er nicht glauben, was er da hört. „Ich denke NICHT, dass du das tust, oder möchtest.“, erwiderte er in ruhigem Ton.
„Nein. Selbstverständlich nicht.“, bestätigte ich seine Worte.
„Oder hattest du an einen anderen gedacht, mit dem du zukünftig leben möchtest?“, Nun schien Gunnar ein wenig kampfeslustig zu werden. Er funkelte mich ermunternd an.
„An WEN denkst du denn dabei?“, fragte ich doch eher kapitulierend.
„Den Russen, der jetzt eine Frau und ebenso bald ein eigenes Kind hat? Oder den Spanier? Aber DER ist ja Geschichte. Ist auch besser so.“ Bei diesen Worten senkte Gunnar den Kopf, um ihn im nächsten Moment wieder zu heben und mir direkt in die Augen zu schauen. „Vielleicht Kevin?“ Gunnars Schultern hoben sich, als meine er dies tatsächlich ernst. Als würde er tatsächlich in meinem Namen darüber nachdenken. „Er braucht eine Krankenschwester. Wo du, in diesem Fall, offenkundig  kaum in Frage kommst.“
So allmählich fragte ich mich, was das soll? Will er mich verhöhnen?
„Ach ja, ich vergas die anderen beiden Kandidaten. Troels. Ein alter Mann und der andere ein Schwarzer. Wohl kaum geeignet, um in die Sphären der Elite einzuziehen.“
„Willst du mich beschämen! Oder was?“, fragte ich nun doch ein wenig empört. „Willst du mir sagen, dass nur DU der RICHTIGE bist?“
Gunnar schnaufte. „Sei bitte nicht böse Rea. Das wissen wir doch, dass ICH genau der Richtige für dich bin und dass wir füreinander geschaffen worden sind. Ob nun in diesem, oder in einem anderen Leben. Da wirst du schon meine kleinen Makel akzeptieren müssen. Die nichts daran ändern, dass ich dich, nur dich Rea, über alles liebe und niemand sonst.“ Gunnar war nun überaus enthusiastisch in seiner Liebesbeschwörung geworden. Und selbstverständlich glaubte ich ihm. Er hatte zweifelsohne und so wie so Recht. Trotz alledem entschloss ich mich Gunnars kleines Spiel noch ein wenig fortzusetzen und meine Karten bis aufs letzte auszureizen.
„Aber du liebst auch sie. Nicht wahr?“ Gunnar wusste genau, dass ich Alexa damit meinte.
„Ja. Mag sein. Aber DAS ist eine ganz andere Art von Liebe, welche unserer niemals ebenbürtig sein wird. Zudem sprachen wir bereits einige Male darüber und ich dachte, du wüsstest das.“
„Ja. Natürlich weiß ich das.“, gab ich mich süffisant.
Dennoch ließ ich das Gespräch nicht einfach in Gunnars Hand und reizte weiter.
„Nun, du hast Recht. Aber wieso nicht der Russe? Er würde mich immer noch all zu gerne haben.“
Gunnar lachte. „Ja. Natürlich will er das. Aber das wird wohl kaum mehr Wirklichkeit werden. Zumindest nicht in diesem Leben. Obgleich er doch einigermaßen gute Chancen hatte.“
„Hatte?“, fragte ich provozierend nach.
„Er ist vergeben Rea. Es wird Zeit, dass du die das eingestehst. Da ist nichts mehr zu machen.“
„Das glaube ich nicht.“, beharrte ich weiter auf meiner Anschauung der Dinge.
„Eines ist klar“, begann Gunnar zu argumentieren, „ er ist kein Ganove. Er ist ein Gentlemen, wenn es um Frauen geht. Er steht zu seinem Wort. Und ist er tatsächlich der Vater, war es das für dich.“
Ich sah Gunnar zweifelnd an.
„Mag sein“, begann er zuzugeben, „dass er noch Dies oder DAS für dich tut. Aber als Heiratskandidat hast du ihn verloren.“
Ich saß da, wie ein getretener Hund und schwieg.
Was sollte diese Ansprache? Diese Argumentation? Wollte er mich demütigen? Verletzen? Schmähen?
„Nein. Das will ich nicht.“, antwortete Gunnar auf meine Gedanken. „Ich will nur nicht, dass du Illusionen erliegst.“
„Wie nett von dir.“, stammelte ich gerade noch so heraus.
Gunnars Gesicht ließ Betretenheit und Mitgefühl erkennen.
„Du wirfst verbal deine Konkurrenten aus dem Rennen.“, bäumte ich mich noch einmal auf. „Obwohl du nicht wirklich weißt, ob es der Wahrheit entspricht, was du sagst.“
Gunnars Ton wurde sanfter, anstatt schärfer, ob meiner Anschuldigung. „Denke doch einmal nach Rea. Dann kommst du selbst darauf.“
Ja. Natürlich hatte er Recht. Ich sollte mir keine ILLUSIONEN mehr machen!

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Nach dieser Demütigung rief ich Wanja an. Es gab ohnehin einen Anlass. Ich fragte ihn, ob er Thomes über seinen Vorschlag bereits in Kenntnis gesetzt hatte.
„Ja. Habe ich.“
„Und? Was hat er daraufhin geantwortet?“
„Nichts Endgültiges. Aber er denkt darüber nach. Ich glaubte in den Zwischenräumen seiner Worte erkannt zu haben, dass es ihm nicht unrecht wäre. Sein Traum war ohnehin immer eine Ranch, wie er sagt, und nicht, hier in Schweden der Leiter eines spirituellen Zentrums zu sein.“
„Das war gleichwohl nie mein Wunsch gewesen.“, ereiferte ich mich. „Sondern der Wunsch von Gunnars Mutter Christine.“
„Aber ich glaube, es würde dir liegen und gut zu Gesichte stehen. Und es ist etwas, was dir sicherlich auch Freude macht. Oder irre ich da?“
„Ja. Wahrscheinlich ist das so.“, gab ich zurück. „Nicht nur das. Zudem fühle ich mich außerordentlich wohl an diesem Ort. Nur, WAS ist nun mit diesen Flüchtlingen? Wenn nicht Thomas, werde ICH dann gezwungen sein, dort welche wohnen zu lassen?“
„Rea, wenn es soweit ist und du das Zentrum tatsächlich übernimmst, wovon noch einige andere Faktore abhängig sind, werde ich dir selbstverständlich helfen, WENN ich es vermag. Endgültig zusichern kann ich dir jedoch nichts.“
Nun, welch WAGE Geschichte! Deren Ausgang noch in den Sternen steht.

In Schweden wird es ohnehin zunehmend gefährlicher. Wir hörten von koordinierten und systematisch gelegten Bränden nicht nur in Stockholm. Selbiges hört sich jedoch an wie marodierende Banden, welches umherzieht, um sein unheilvolles Werk zu verrichten. Wem würde da vor Angst nicht das Herz in die Hosentasche fallen. Man fragt sich ernsthaft, WO das noch hinführen soll?
Unter diesen Umständen sollte ich womöglich ganz woanders auf dieser Welt ein neues zu Hause finden. Gegebenenfalls sogar dauerhaft erwägen in New Orleans zu wohnen. Obwohl man in der Tat nirgendwo auf dieser Erde sicher ist, vor gewaltbereiten Männern und religiös indoktrinierten Frauen, die sich noch abartiger gebärden, wie ihr männliches Pendant.