Freitag, 18. August 2017

Dem Untergang entgegen und (k)ein Helfer in Sicht



Gunnars Gesundheitszustand schwankt. Er scheint sich zuweilen sichtlich und spürbar unwohl zu fühlen. Einfach aus dem Augenblick heraus. Ohne besondere Bewandtnis. Eigenartig. Sein Blut fließt aus unerfindlichen Gründen in wechselnden Abständen in unterschiedlicher Geschwindigkeit. Auch ich vermag dies zu sehen. Das Herz schlüge manchmal wild, sodass er nach Atem ringt, sagt er.
Natürlich hatte ich Sasha davon erzählt und genau genommen dachte ich, Gunnar würde mit ihm reden wollen. Aber Gunnar glaubt offenbar seinen Kindern, dass Sasha damit nichts zu tun hat. Und sind diese Kleinen tatsächlich in der Lage, etwas für ihren Vater zu tun. Ihn womöglich vom Zustand des verhext Seins zu befreien und deren Verursacher zu finden?

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Gunnar ist nun in der Klinik. Zu Camille kamen wir nicht. (Sicherlich aus gutem Grund.) Mein Mann hatte einen unerwarteten Zusammenbruch, noch im Haus des Arztes, welchen wir vor der Voodoo Priesterin aufgesucht hatten. Dieser rief noch umgehend einen Krankenwagen. Ich stieg mit ein und fuhr mit meinem Mann. Schließlich bin ich seine Frau. Seitdem wich ich ihm nicht mehr von der Seite.
Alexa war gestern ebenso den gesamten Tag bis zum späten Abend hier im Hospital. Sie war zusammen mit dem Baby, Marie,  Henrik und den Zwillingen dem Krankenwagen hinterher gefahren. Marie nahm das Baby dann mit zurück zum Haus, wo sie und Veronica Turner sich darum kümmerten. Denn Alexa konnte natürlich NICHT über Nacht bleiben, so wie ich. Schließlich bin ICH Gunnars Ehefrau und für den Ehepartner wird die Möglichkeit eingeräumt, beim Patienten zu bleiben.
Die magischen Zwillinge, Óðinn Asger und Inula Castanea, waren ungewöhnlich still. Sie beobachteten aufmerksam die Szenerie, küssten ihren Vater zum Abschied und meldeten keinerlei Zweifel an. Ließen die Erwachsenen tun. Nun, wissen sie tatsächlich so viel mehr als wir, besteht offenbar (für die Erwachsenen) kein Anlass zur Sorge. Allerdings war dies nur eine Vermutung von mir. Denn warum taten sie nichts, wie sie es hatten anklingen lassen, so verständig wie sie sind mit ihren vier Jahren.

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Als ich mit Sasha über alles sprach was hier am Geschehen war, bot er seine Hilfe an. Schwor, dass er damit nichts zu tun hätte und fragte an, ob er mit Gunnar reden dürfe. Ich meldete Zweifel an, ob ein Gespräch mit ihm im Augenblick einen Sinn ergäbe. So geschwächt wie Gunnar ist, gedachte ich meinen Mann derartiges besser nicht zuzumuten.

Zu meiner großen Überraschung ist Sasha heute Morgen in Gunnars Krankenzimmer angekommen, während dieser zur Untersuchung war. Da ich über Nacht mit Gunnar hier gewesen bin, stand ich gerade im Bad, um mich zu schminken. Alles andere, was ich sonst noch so am Morgen meinem Körper Gutes tue, war in diesem Moment, an diesem Ort und so unvorbereitet wie ich war, schlecht möglich. Aber egal. Nicht so schlimm.
Im Augenblick der Begrüßung von Sasha und mir war zum Glück niemand weiter im Zimmer. Sasha schlang seine Arme um meinen Körper, wie ein ausgehungerter Hund und küsste mich leidenschaftlich. Mein Körper reagierte mit heftigstem Verlangen nach ihm, ohne dass ich etwas dagegen hätte tun können. Es geschah einfach. Ich sagte es ihm und er lächelte mich an.
„Schschschsch…“ Sein Zeigefinger berührte meinen Mund und dann noch einmal der Schwur, dass er mit Gunnars Debakel nichts zu tun hat. Noch ein paar heftige Küsse und dann ließen wir vernünftiger Weise (in dieser Umgebung) voneinander ab. (Schließlich hatte die Möglichkeit bestanden, dass jemand das Zimmer betritt.)
Gunnar und Sasha trafen aufeinander, als Gunnar von seinem ersten Test am heutigen Morgen zurückgekommen war. Zwischen den beiden Männern entwickelte sich eine hitzige Diskussion und ich fühlte, dass Gunnar eifersüchtig war. SO fühlt sich Eifersucht an, hätte ich beinahe angemerkt. Tat es jedoch nicht, um kein Öl ins Feuer der Debatte zu gießen. Gunnar war zur Genüge erregt und ich war besorgt um ihn.
„Hoffst du jetzt vielleicht auf einen Sieg, wo ich mich im Hospital befinde? Schließlich hast du mir den Kampf angesagt“, sagte Gunnar nicht so beherzt, wie er es sonst immer tat. Ich sah Gunnar an, wie sehr er sich bemühte Sasha gegenüber kraftvoll zu erscheinen. „Gedenkst du mir jetzt den Todesstoß zu versetzen?“, witzelte er und es sollte sarkastisch wirken.
Sasha reagierte nicht darauf, wie Gunnar es offenbar vermutete. Sasha war in der Tat besorgt und man sah es ihm an. Er schüttelte verneinend mit dem Kopf. „Gunnar, SO kämpfe ich nicht. Wieso denkst du das? Es wäre unter meiner Würde. Meinst du nicht? Ich bin hier, um dir zu helfen, wenn du meine Hilfe willst.“
Gunnar stutzte. Zog die linke Augenbraue hoch und sah Sasha zweifelnd an. „DU willst mir helfen? Bist du nicht mehr daran interessiert, Rea für dich zu gewinnen? Und da kommt es dir doch gelegen, dass ich nicht ganz auf der Höhe bin.“
„Gunnar, verstehe mich nicht falsch. Natürlich würde ich Rea liebend gern für mich gewinnen. Aber ich bin weder unfair noch ein Unmensch, wenn jemand sichtlich leidet. Kein ehrenwerter Mann, der etwas auf sich hält, tritt einen Gegner, der bereits am Boden liegt. Man reicht ihm die Hand und wenn er wieder auf Augenhöhe ist, kann man weiter kämpfen, wenn man mag. Oder wenn man es noch immer für nötig hält.“
Gunnar kniff die Augen zusammen und sah Sasha erneut sehr verwundert an. Und noch im selben Moment knickten ihm die Beine ein und er sank in sich zusammen.
Ich rannte zum Bett und drückte den roten Knopf. Sasha indes hob Gunnar auf und legte ihn ins Bett. Und in diesem markanten  Augenblick, kam Alexa mit dem Baby herein. Noch bevor sie erfasste, was hier geschah, rempelte man sie beinahe um. Wir alle traten zurück und ließen dem Krankenhauspersonal ihre Arbeit tun.
Ich wusste nicht, WO ich hinsehen sollte. Bewegte meinen Kopf zwischen Gunnar und Alexa hin und her. Meine Sorge galt Gunnar. Meine Aufmerksamkeit Alexa. Denn ich gedachte ihre Reaktion zu beobachten, wenn sie Sasha sah. Und ich sah, was ich sehen wollte. Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht und ich bemühte mich mit meinen Gedanken in ihr Hirn zu sehen. Ich wollte wissen was sie denkt. Warum sie lächelt. Es hätte unterschiedliche Dinge bedeuten können.
`Der Täter besucht den Tatort und wenn ER hier ist, besteht für mich die Möglichkeit, Gunnar endlich wieder viel näher zu kommen als bisher,…….wenn Rea mit diesem Juden beschäftig ist.´ OH! Ich hatte es geahnt, dass sie die Gunst der Stunde nutzen würde. Deshalb auch das Lächeln. (Nur, ICH hätte es an ihrer Stelle vermutlich genauso gesehen.)
Und auch in dieser Angelegenheit tat Sasha schlussendlich genau das Gegenteil von DEM, was irgendwer von ihm erwartete. Denn…..als er sah, wie besorgt ich um Gunnar war, nahm er Alexa beiseite und ging mit ihr und dem Baby raus auf den Flur. So desorientiert wie sie im Augenblick zu sein schien, folgte sie seiner Anweisung. Marie und Henrik waren ohnehin mit den Zwillingen in solch kritischer Situation draußen stehen geblieben und warteten ab. Ich stand in der Ecke des Zimmers und sah entsetzt zu, wie sich die Ärzte um Gunnar bemühten.
Sasha schoss mir kurz durch den Kopf und ich wusste genau, dass ER NICHT der Verursacher des Ganzen war.

Gunnar wurde rasch stabilisiert. Es geht ihm wieder so la, la. Als er wieder zu sich gekommen war, lag er da, war Kreide bleich und riss aus Verzweiflung Witze.
Auch Alexa ist dann ins Zimmer zurückgekommen. Sasha nur kurz, um mir und Gunnar zu sagen, dass er uns jeder Zeit zur Verfügung steht.
„Ich nehme mir hier ein Zimmer. Ruft an, wenn ihr mich braucht.“ (IHR! Sagte er. IHR. Alexa beachtete er nicht mehr.)
Marie und Henrik waren noch kurz mit Óðinn Asger und Inula Castanea hereingekommen. Sie wirkten vorsichtig. Marie hielt die Kinder zurück, die zu ihrem Vater aufs Bett krabbeln wollten.
„Lass sie doch.“, hatte Gunnar ein wenig keuchend bemerkt. „Ihre Anwesenheit stärkt mich vielleicht.“
„Der Zauber muss mächtig sein, wenn wir alle bisher nichts dagegen tun konnten.“, sagte Marie und reichte mir geistesabwesend eine Tasche mit neuen Sachen und meinem Notebook hin. Ich nickte dankend.
„Was ist mit den Kindern? Hatten sie nicht erwähnt, womöglich helfen zu können?“, stellte ich die Frage in den Raum, die sich genau genommen eher an Gunnar richtete.
„Das tun sie doch bereits.“, erwiderte Gunnar, weil er wusste, dass die Frage an ihn gerichtet war. „Ihre Aura hat etwas Heilendes für mich. Das spüre ich genau.“
„Dann bleiben wir noch eine Weile hier.“ Marie sah fragend zu Henrik. Der zuckte mit den Schultern.
„Ist dir der Trubel auch nicht zu viel?“, fragte ich meinen Mann.
„Sie müssen ja nicht ewig bleiben. Ein halbes Stündchen vielleicht und DU Rea, gehst auch. Ruhst dich aus.“
„Nein!“, widersetze ich mich. „Auf keinen Fall. Ich bleibe hier, bei dir!“…und aus dem Augenwinkel sah ich Alexa schmunzeln.
Gunnar schnaufte. „Ich denke, es wäre besser, ihr lasst mich dann alle allein. Ich brauche Zeit, um über alles nachzudenken und mich zu erholen.“
„Wie willst du dich erholen, wenn der Zauber nicht gebrochen wird? Und bevor das geschieht, muss der Verursacher gefunden werden. Sonst wird es doch nur noch schlimmer.“, merkte ich aufgeregt an.
Stille…..für einen Moment. Und dann……
„Vielleicht kann mir dein Jude doch helfen. Einen Versuch ist es allemal wert.“
Marie wischte sich über die Stirn und Alexa lachte nun ganz offen.
„Das glaubst du doch selbst nicht.“, sagte sie. „Er wird dir nur noch mehr Schaden zufügen.“
Gunnar lachte und dann hustete er dabei. „Nein. Das wird er nicht. Ich habe in sein Herz gesehen und glaube ihm, was er sagt. ER ist NICHT der Schuldige und auch die Kinder haben das bereits deutlich angemerkt.“
Nun waren wir alle baff! Außer mir……denn nun lächelte ICH zufrieden vor mich hin.

ICH fuhr schlussendlich NICHT mit zurück zum Haus, sondern blieb bei Gunnar. Alexa allerdings, und DAS wies Gunnar unmissverständlich an, sollte mit dem Baby und den anderen nach Hause fahren.
Gunnar ist dann eingeschlafen, was mir die Möglichkeit zum Schreiben gab.