Die Ärzte sind ratlos. Können (selbstverständlich!) nichts
finden. Obwohl es Gunnar immer schlechter geht.
Ich blieb bei meinem Mann. Konnte ihn nicht alleine
lassen. Trotz alledem das Gunnar vorschlug, ich solle doch besser gehen, um
mich auszuruhen. Er wisse, dass ich Hospitäler hasse wie die Pest. Aber ich
blieb.
Sasha drängte sich nicht auf. Blieb vorerst im Hintergrund. Rief
mich nur ab und zu an. Fragte, wie der Stand der Dinge sei.
Da Gunnar selbst bemerkt dass es nicht besser, sondern
stetig übler wurde, und dies in hoher Geschwindigkeit, drängte er darauf, dass ihn
Sasha hier erneut besucht. „Am besten gleich. Noch heute Abend.“, sagte er. Und
zur gleichen Zeit kam erstaunlicher Weise Camille. Wir hatten sie nicht
erwartet. Nun traf sie auf Sasha und noch etwas Verblüffenderes geschah.
„Hey Junge, wo warst du denn?“, begrüßte Camille den verwunderten
Sasha und klopfte ihm mit der flachen Hand auf den Rücken, als sei er ein alter
Freund. „Wir brauchen dich hier.“
Nun war auch ich erstaunt.
Da die Besuchszeit bedauerlicher Weise bereits zu Ende
war, kam sogleich eine Schwester herein, um Sasha und Camille hinauszuwerfen.
Was jedoch nicht gelang. Camille regelt das auf ihre Art und am Ende verließ
uns die Schwester ängstlich schauend. Kam nicht mehr herein. Sie hatte
offenkundig Angst vor der Voodoo –Priesterin.
Und um es abzukürzen, an diesem Abend wurde klar, dass
Sasha doch etwas mit Gunnars Krankheitsbild zu tun hatte.
„Es muss ein Familienmitglied sein.“, äußerte Camille
Sasha gegenüber. „Wer fällt dir da ein?“
„Wieso denken Sie überhaupt, dass es irgendetwas mit mir
zu tun hat?“, fragte Sasha noch immer ungläubig.
„Wenn ich das sage Junge, dann ist das so. Glaube mir
ruhig. Ich habe es gesehen und kann meinen Instinkten vertrauen. Also, WER von deiner Familie käme in Frage, wenn du
es nicht bist.“ Camille zwinkerte Sasha verschmitzt zu, um die Situation ein
wenig aufzulockern.
Gunnar stöhnte indes. „Da ist so ein Druck auf meiner
Brust, als lägen Steine drauf.“
Ich saß auf dem Bett neben meinem Mann und hielt seine
Hand. Drückte sie leicht und lächelte ihm besorgten Blickes zu.
Sasha war anzusehen, wie es in seinem Hirn arbeite. „Meine
Eltern können das nicht sein. Das würden sie nicht tun.“
„Wer dann?“, drängte Camille. „Gibt es noch mehr
Familienmitglieder?“
„Ja. Ich habe zwei Brüder. Elan und Misha.“
„Du wirst deine Leute anrufen. In jedem Fall weißt alles
auf einen Mann hin. Nicht auf eine Frau.“
„Das engt die Wahl zumindest ein.“
„Junge, wann hast du das letzte Mal mit ihnen gesprochen?“
Sasha dachte nach. „Mit meinem Vater erst gestern. Mit
Misha vor einer Woche etwa. Das letzte Gespräch mit Elan führte ich vielleicht
vor etwa einem Monat.“
„Was wissen sie von Rea?“
„Alles.“
„Oh!“
Sasha ist nun angehalten dem nachzugehen. Mit Seinem Vater
und seinen Brüdern zu reden. Dachte ich so, als Sasha mit einem Mal etwas
einzufallen schien. Kurz bevor die beiden wieder gehen wollten.
„Moment mal. Ich erinnere mich da an etwas, was Misha in
unserem letzten Gespräch so nebenher lachend erwähnte. Ich hatte ihm stets mein
Leid geklagt, was Rea betraf. Das ich darüber unglücklich wäre, dass sie nicht bei
mir sei. Ich sagte ihm auch, sie liebe mich. Und er meinte nur, wundere dich
mal nicht, wenn sie bald von selbst zu dir kommt. Ich dachte es sei ein Spaß
und womöglich war es das auch. Jedoch in Anbetracht der jetzigen Situation,
erscheint das Gesagte in einem gänzlich anderem Licht.“
Gunnar war müde. Schlief schon fast ein.
„Vielleicht wäre es gut, wenn wir das Morgen weiter
diskutieren.“, sagte ich besorgt.
„Kind, wir müssen etwas tun, bevor deinem Mann noch
Schlimmeres geschieht.“, sagte Camille zu mir und wandte sich dann an Sasha. „Und
du Junge, redest mit deiner Familie. Hast du mich verstanden?“, wurde sie
resolut. Sasha nickte. „Mehr können wir
hier im Augenblick so wie so nicht tun. Aber ich versuche noch einmal mit den
Orishas zu rede. Wir werden sehen.“
Camille hatte Sashas Arme gepackt und war gerade am Gehen.
Dann blieb sie abrupt stehen und drehte sich noch einmal um. Sasha tat das
Gleiche.
„Mir ist da noch eine Idee gekommen, DIE probieren wir
jetzt aus.“
Wir sahen sie alle drei abwartend und mit Zweifeln in unseren Gesichtern an.
„Sollte ich Recht damit haben, ist das ein ganz
hinterhältiger Zauber.“
Camille winkte mich zu sich. „Rea, komm hier her. Stell
dich neben ihn, der dich so sehr liebt.“
Wir sahen sie verwundert an und sie lachte gerade heraus. „Dachtet
ihr etwa, mir bliebe das verborgen? Also Kind, komm schon her und stell dich
neben, wie ist dein Name noch mal? Irgendetwas Russisches war es doch. Nicht
wahr?“
„Sasha.“
„Okay Sasha. Ihr beide, du und Rea küsst euch jetzt und
dann geht ihr zusammen nach draußen. Ich bleibe hier bei Gunnar und schaue, wie
es ihm geht.“
Niemand von uns dreien wusste, was das werden sollte. Für
mich war es überaus schwierig Sasha vor Gunnars Augen zu küssen. Ich zierte
mich, tat es aber dann. Ging mit Sasha gleich anschließend zur Tür hinaus und
noch ein Stück weit den Flur entlang. Gerade so, als wollten wir gemeinsam nach
Hause gehen.
Ich war so befangen und so sehr bemüht um meinen Mann,
dass ich mit Sasha im Augenblick nicht reden konnte. Ich schwieg und dann
drehten wir um und noch bevor wir die Tür zu Gunnar Zimmer erreichten, hörten
wir das Jubilieren von Camille. „Ich habe es geahnt!“, juchzte sie.
„Was?“, fragte ich sogleich, als ich eingetreten war.
Camille sah uns bedeutungsvoll an. „Wenn DU Rea MIT diesem
Mann zusammen Hand in Hand das Zimmer verlässt, in der Absicht weg zu gehen,
geht es Gunnar mit einem mal besser.“
Wir verstanden nicht ganz, was sie damit sagen wollte.
Fragten noch einmal nach und sie erklärte es uns.
„Das meinte ich mit dem perfiden Zauber.“, sagte sie. „Und
wer weiß, was er sonst noch enthält. Das sollten wir noch herausfinden. Aber
vielleicht“, und hier sah sie Sasha an, „erfährst du etwas von einem deiner
Brüder was uns helfen kann.“
„Wie jetzt?“, fragte ich noch ein zweites Mal nach. „Es
ist ein Zauber, der SO angelegt wurde, dass es Gunnar nur besser geht, wenn ich
eben NICHT bei ihm bin. Sondern mit Sasha zusammen.“
Camille nickte. „Es geht wohl auch darum, dass Sasha glücklich
ist mit dir.“
„Von so etwas hörte ich noch nie.“, sagte Gunnar
geistesabwesend, als denke er nach.
„Das ist auch neu für mich.“, erwiderte die Voodoo- Priesterin.
Und ich
wusste nicht, was ich zu all dem sagen sollte. Außer: „Ich bleibe hier, bei meinem
Mann.“ Und im nächsten Augenblick saß ich bereits wieder an Gunnars Seite auf
seinem Bett und hielt seine Hand.
Die beiden gingen und ich blieb bei meinem Mann.
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Während Gunnar den nächsten und einzigen Test heute noch
absolviert, kam ich gut zum Schreiben. Ich vermochte ohnehin nicht lange zu schlafen hier. Bin frühzeitig aufgestanden. Gunnar ließ ich noch eine Weile schlafen, bis die Schwestern kamen. Allerdings sollte ich mich beeilen, denn
Sasha hat Neuigkeiten und er kommt in Kürze mit Camille hier her. Zudem höre
ich bereits die Kinder im Flur und muss jetzt enden. Marie, Henrik, die
Zwillinge und sicherlich ebenso Alexa
mit ihrem Balg sind im Kommen.