Die Qualität unserer alljährlichen Reise leidet unter
Alexas Gegenwart (für mich doch sehr enorm!).
Gunnar ging gestern seine eigenen (Trauer-) Wege. Ich sah
ihn kaum. Erst am späten Abend kam er zu mir hin und ich fragte ihn, ob alles
in Ordnung mit ihm sei.
Er nahm meinen Kopf zwischen seine Hände und seine Augen
strahlten Liebe aus. „Eigentlich wollte ich mich betrinken. Aber dann dachte
ich, es ändert nichts daran. Meine Mutter ist tot.“ Ein tiefer Seufzer kam über
seine Lippen. Und dann…..ein Lächeln voller Melancholie und Wehmut.
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Heute Morgen ein rasches Aufstehen. Kevin rief SEHR früh
an, um mit mir die Bestellungen und andere Dinge das Zentrum betreffend
abzusprechen. Bei ihm war es nach Mitternacht.
Gunnar orientierte sich daher um und verschwand mit Alexa
in deren Zimmer. Aber auch ich hatte für das Baby keine Zeit. Veronica Turner,
die Tochter unseres Verwalters, passte freundlicher Weise auf klein Ragnar auf.
Und auch ich hatte gelegentlich ein Auge darauf. Nur war ich viel zu sehr mit
mir selbst und meine Pflege beschäftigt. Duschen, Haare waschen, Beine cremen,
etc…Gunnar setzt das alles bei derartigen Aktionen voraus. Es wird sich schon
jemand kümmern. In diesem Augenblick denkt er offenbar nur an das Eine……..und
zwingt MICH doch recht oft in die Rolle der Ersatzmutter hinein….die ich nicht sein
will. Schon ganz und gar nicht, wenn ER, als mein Ehemann, gedenkt mit der
Mutter dieses Balgs zu…..man denke sich den Rest.
Aber egal. Heute gehen wir noch einmal shoppen. Auch die Physiotherapeutin
ist gerade auf dem Weg hier her.
Alles in allem versuche ich eben weder trotzig noch
eifersüchtig zu sein/zu reagieren, weil es mir nur schadet. Ich versuche
auszublenden, was mir nicht gefällt und konzentriere mich auf die schönen Dinge
im Leben. Gleichwohl auf die Zärtlichkeiten meines Ehemannes, die er mir nach
wie vor mit Liebe entgegenbringt.
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Sasha ist ein eigenes Thema. Er ruft mich täglich an und
ICH, weiß nicht, was ich ihm sagen soll. Zumeist halte ich ihn tunlichst mit
Worten davon ab, hier her zu kommen. Ich will das nicht! Es wäre zu stressig
für mich. Und ein-gefühlt ebenso für Sasha. Es kann doch für ihn keineswegs
angenehm sein, wenn er mit ansehen muss, wie ICH mit meinem Mann schmuse.
„Also steht Gunnar nach wie vor für dich an erster Stelle.“,
fragte er. „Trollendem, dass du fortwährend und das schon sehr lange, mit
seiner Mätresse konfrontiert bist. Wie kannst du nur so leben? Ich bin hier
allein. Wir könnten so …...“ Usw……“Liegt es etwa daran, dass ich Jude bin? Und
bitte sei jetzt ehrlich zu mir.“
Ich pustete laut die Luft aus mir heraus und bevor ich
noch zum Reden kam, zudem wusste ich ohnehin nicht WAS ich ihm antworten
sollte, sprach er weiter. Echauffierte sich.
„DAS ist jetzt nicht dein ernst?! Das kann nicht sein!,
stellte er fest.
Und noch immer antwortete ich ihm nicht-s……..dachte nur,
dass ICH eben KEINE Jüdin bin, so wie Sasha es mir gerne weiß Glauben machen
würde. NEIN! Das bin ich nicht.
„Ich bin nicht wie du.“, sagte ich dann leise und wir
kamen aufs Vegetarische und aufs Schächten zu sprechen. Jedoch eine erneute
Grundsatzdiskussion gedachte Sasha nun ebenso wenig erneut mit mir zu fuhren.
DA sind schlicht und einfach zu viele Unterschiede
zwischen uns. Dachte ich so. Sagte jedoch: „Meine Herkunft ist
germanisch-keltisch. Meine Haare sind gelb-rötlich und meine Augen sind grün. Und
ich bin stolz darauf. Ich fühle mich den nordischen Völkern zugehörig. Intrigieren,
Überheblichkeit und Machtbesessenheit liegt mir fern. Ich bin niemand, der sich
über andere stellt und auch nicht von Gott auserwählt. Trotz alldem bin ich
kein Tier. Kein Vieh, sondern Mensch.“ Ich verrate meinen Ahnen nicht (die ihr
so jagd und am liebsten vernichtet sähed (aus welchem Grund auch immer)). Hätte
ich beinahe noch angefügt. Ließ es jedoch dann. Es war mir durchaus bewusst,
dass DAS, was ich sagte, Sasha kränken musste.….und ich hatte es schon so
freundlich wie möglich formuliert. War ruhig und sachlich dabei geblieben.
Redete mit Gleichmütigkeit.
Ich hörte Sasha schnaufen. Er war still. Sagte nichts
mehr. Und dann…..“Siehst du tatsächlich NUR den Juden in mir?“, platzte es aus
ihm heraus wie der Korken aus einer Flasche Sekt, die man geschüttelt hat.
„Nein.“, antwortete ich wahrheitsgemäß und prompt. „Da ist
auch Liebe für dich als Mensch.“
Stille. Und dann….“Ich gebe nicht auf!“