Dienstag, 18. April 2017

Eine Annäherung…..an „alte Zeiten“



Nun dachte ich, dass ich gewissermaßen im Urlaub wäre und schon werde ich, bereits am ersten Tag, mit den hiesigen Problemen konfrontiert. Gerade heute stand die jährliche Inspektion der Fenster des gesamten Hauses an.
Geweckt wurde ich allerdings von Maries Palaver, die mit unserem Verwalter die monatliche Lebensmittelbestellung besprach.
Alles in allem holen mich gleich heute, die an diesem Ort anstehenden Tätigkeiten ein, so wie sie von Kevin, als derzeitiger Leiter des Zentrums in Schweden, an meiner und Gunnars statt, erledigt werden müssen.
Ist es nicht überall das Gleiche?

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„Atme! Atme! Atme, mein Schatz!“, sagte Gunnar zu mir, als mich im Flugzeug eine Panik-Attacke ereilte.
Hierbei geht es keineswegs ums Fliegen. Nein. Ich hatte so sehr versucht, mich mit dieser Situation abzufinden, die derzeit gegenwärtig war. Wegen Alexa und dem Kind, die uns begleiteten. Gleichwohl dachte ich an das Kommende. An Marie und Gunnars Kinder. Das Haus. Irgendwie purzelten die Gedanken durcheinander und ich fand den roten Faden nicht mehr, um geradeaus zu denken. In diesem Moment der Panik sieht man nur noch schwarz. Alles ist Blei schwer, erdrückte einen fast. Das Licht am Ende des Tunnels fehlt. Nicht ein einziger heller Funken, ist in diesem Augenblick zu sehen.
Aber egal. Gunnar war da und kümmerte sich. Beruhigte mich. Redete auf mich ein. Daher dauerte es nicht lange und ich fasste  mich in kürzester Zeit. (Zum Glück!!!)
Was für eine Demütigung das für mich war! In Gegenwart von Alexa derart schwach zu erscheinen. Noch ein weiterer Triumpf für sie. Dachte ich so. Aber womöglich irre ich mich auch. Denn sie sah doch eher besorgt zu mir herüber. Nicht abfällig oder schadenfroh. Nein. Ich sah in ihren Augen, welche ich noch umgehend fixierte, sofort nachdem ich wieder bei mir war, aufrichtiges Mitgefühl und Sorge.
WEM sollte ich nun vertrauen? Meinem Hirn, oder meinem Herz?
In den Augenblick entschied ich mich für das Herz und lächelte vage zu ihr hin. (Tat, was ich beabsichtigt hatte. Gute Miene zum bösen Spiel!) Später zu, nahm ich sogar das Kind auf meine Arme. Sie vertraute es mir tatsächlich an. Welch‘ Beweis der offenkundigen Zuneigung und Hoffnung offenbar, dass wir uns doch noch irgendwann (gut?) einigermaßen verstehen. Was in diesen Tagen wohl für alle von Vorteil wäre. (Für mich, am aller meisten!) Infolgedessen ist es erforderlich, mich anzupassen! Punkt.
Habe ich eine Wahl?
In jedem Fall beabsichtige ich, meinen Fokus auf die angenehmen Dinge zu lenken. Das Gute zu sehen. Mich womöglich wieder ein klitze kleines bisschen wie früher an diesem Ort zu fühlen. Wo für mich so viel Freude und Schönheit war. Möglicherweise gelingt es mir, davon ein Stück zurückzuholen. Wer weiß? Ich werde es in jedem Fall versuchen……..

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Gesundheitliches
Mein Körper hat gewisse Schwierigkeiten, mich an die klimatischen Verhältnisse hier anzugleichen. Es ist ein Unterschied von etwa dreißig Grad. Zu Hause schneit es und nachts sind es Minusgrade. Was für ein Unterschied!

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Ein guter Anfang und in Erinnerung an alte Zeiten, ist das Stöbern am Morgen in der Gazette.
„Komm‘ Marie, suchen wir uns die Crimes aus der Zeitung.“, sagte ich zu meiner Halbschwester, nachdem der Verwalter gegangen war. Ich lächelte sie freundlich an.
Sie fixierte meine Augen. Wusste offenbar nicht, was tun und welche Absicht ich damit verfolgte.
„Weißt du nicht mehr? So wie früher.“, setzte ich nach. Und dann endlich ein Lächeln von ihr.
Gunnar war mit seinen drei Kindern beschäftig. Ganz der stolze Vater….irgendwie. Henrik jedoch schaute dem Treiben eher ein wenig skeptisch zu.
Das erste, was Marie und mir ins Auge fiel, ist die polizeiliche Suche nach einem Mann, der in der Nähe der Frenchmen Street Frauen sexuell belästigt hat. Kommt mir bekannt vor aus Europa. Schweden, Deutschland etc….und ebenfalls einer von der farbigen Art. Schon eigenartig.
Aber egal. Weiter.
Oh! Ein Mord am Chef Menteur Highway. Der achte bereits in diesem Jahr, innerhalb einer Meile. Und noch andere Schießereien. Ein Teenager wurde in der Nähe von Lake Pontchartrain von einem Mann mit einer Machete angegriffen. Im Gepäck einen kalifornischen Mannes wurden neun Pfund Marihuana gefunden. Ein anderer Mann namens Cody Coch wurde am Freitagabend während eines Streites angeschossen. Usw…usw…usw…..Was soll man da sagen? Die Sportmeldungen interessieren mich nicht und ebenso wenig die Politik.
Zumindest brachte uns die Zeitungsschau wieder näher. Wir unterhielten uns über die vielen Vergewaltigungen in Schweden und dachten mit Wut und Traurigkeit an die Opfer dieser Taten. Und es sind immer wieder Frauen, die körperlich und seelisch leiden, durch die Gewalt der Männer. In dieser Sache sind Marie und ich uns einig.
„Wir haben Glück.“, sagte sie zu mir. „Unsere Männer sind da ganz anders.“ Und in diesem Zusammenhang kamen Marie und ich auf den Tag, oder besser den Abend zu sprechen, an dem ich Gunnar kennenlernte.
„Weißt du noch, dass ich Gunnar für ein Monster hielt?“, fragte mich Marie ein wenig verlegen.
Ich nickte. „Und ich hörte nicht auf dich. Schlief mit ihm und schlussendlich verliebte ich mich sogar noch in Gunnar.“
„Was ist mit Eriks Zauber?“, fragte sie dann. „Hält er denn?“
„Ja. Bis auf Alexa. Mit ihr schläft er weiterhin.“
Marie hob die Schultern und ihr Gesicht zeigte Bedauern. „ Aber immerhin.“
„Das Kurioseste dabei ist“, merkte ich noch Augen zwinkernd an, „dass er es mit ihr offensichtlich nicht mehr wirklich genießt.“
Wir lachten beide über diese Feststellung.
„Aber Sex im Allgemeinen mag er doch noch?“, aufgesetzte Besorgnis umspielte Maries Lippen und dann grinste sie.
Ich lachte. „Ja. Und das noch Absonderlichere, in Anbetracht dessen, wie Gunnar einmal war, ist, dass er sich offensichtlich nur noch an Intimitäten mit mir erfreuen kann.“
Maries Mund stand offen. Die Augen wurden größer und größer. „Das gibt es doch nicht! Tatsächlich?“
„Ja. Unglaublich nicht? Was so ein Zauber alles bewirken kann.“
„Dann hoffen wir aber, dass er anhaltend ist.“ Und erneut lachten wir zusammen, beinahe wie früher.
Über die Entstehung der Zwillinge sprachen wir besser nicht.
Und am Ende unterhielten wir uns ein wenig über unsere Körper, die mit der Zeit immer mehr versagen.