Nun dachte ich,
dass ich gewissermaßen im Urlaub wäre und schon werde ich, bereits am ersten
Tag, mit den hiesigen Problemen konfrontiert. Gerade heute stand die jährliche
Inspektion der Fenster des gesamten Hauses an.
Geweckt wurde
ich allerdings von Maries Palaver, die mit unserem Verwalter die monatliche
Lebensmittelbestellung besprach.
Alles in allem
holen mich gleich heute, die an diesem Ort anstehenden Tätigkeiten ein, so wie sie
von Kevin, als derzeitiger Leiter des Zentrums in Schweden, an meiner und
Gunnars statt, erledigt werden müssen.
Ist es nicht
überall das Gleiche?
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„Atme! Atme!
Atme, mein Schatz!“, sagte Gunnar zu mir, als mich im Flugzeug eine
Panik-Attacke ereilte.
Hierbei geht es
keineswegs ums Fliegen. Nein. Ich hatte so sehr versucht, mich mit dieser Situation
abzufinden, die derzeit gegenwärtig war. Wegen Alexa und dem Kind, die uns
begleiteten. Gleichwohl dachte ich an das Kommende. An Marie und Gunnars
Kinder. Das Haus. Irgendwie purzelten die Gedanken durcheinander und ich fand
den roten Faden nicht mehr, um geradeaus zu denken. In diesem Moment der Panik
sieht man nur noch schwarz. Alles ist Blei schwer, erdrückte einen fast. Das
Licht am Ende des Tunnels fehlt. Nicht ein einziger heller Funken, ist in
diesem Augenblick zu sehen.
Aber egal.
Gunnar war da und kümmerte sich. Beruhigte mich. Redete auf mich ein. Daher
dauerte es nicht lange und ich fasste
mich in kürzester Zeit. (Zum Glück!!!)
Was für eine
Demütigung das für mich war! In Gegenwart von Alexa derart schwach zu
erscheinen. Noch ein weiterer Triumpf für sie. Dachte ich so. Aber womöglich
irre ich mich auch. Denn sie sah doch eher besorgt zu mir herüber. Nicht
abfällig oder schadenfroh. Nein. Ich sah in ihren Augen, welche ich noch
umgehend fixierte, sofort nachdem ich wieder bei mir war, aufrichtiges
Mitgefühl und Sorge.
WEM sollte ich
nun vertrauen? Meinem Hirn, oder meinem Herz?
In den
Augenblick entschied ich mich für das Herz und lächelte vage zu ihr hin. (Tat,
was ich beabsichtigt hatte. Gute Miene zum bösen Spiel!) Später zu, nahm ich
sogar das Kind auf meine Arme. Sie vertraute es mir tatsächlich an. Welch‘
Beweis der offenkundigen Zuneigung und Hoffnung offenbar, dass wir uns doch
noch irgendwann (gut?) einigermaßen verstehen. Was in diesen Tagen wohl für alle
von Vorteil wäre. (Für mich, am aller meisten!) Infolgedessen
ist es erforderlich, mich anzupassen! Punkt.
Habe ich eine
Wahl?
In jedem Fall
beabsichtige ich, meinen Fokus auf die angenehmen Dinge zu lenken. Das Gute zu
sehen. Mich womöglich wieder ein klitze kleines bisschen wie früher an diesem Ort
zu fühlen. Wo für mich so viel Freude und Schönheit war. Möglicherweise gelingt
es mir, davon ein Stück zurückzuholen. Wer weiß? Ich werde es in jedem Fall
versuchen……..
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Gesundheitliches
Mein Körper hat
gewisse Schwierigkeiten, mich an die klimatischen Verhältnisse hier
anzugleichen. Es ist ein Unterschied von etwa dreißig Grad. Zu Hause schneit es
und nachts sind es Minusgrade. Was für ein Unterschied!
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Ein guter Anfang
und in Erinnerung an alte Zeiten, ist das Stöbern am Morgen in der Gazette.
„Komm‘ Marie,
suchen wir uns die Crimes aus der Zeitung.“, sagte ich zu meiner Halbschwester,
nachdem der Verwalter gegangen war. Ich lächelte sie freundlich an.
Sie fixierte
meine Augen. Wusste offenbar nicht, was tun und welche Absicht ich damit
verfolgte.
„Weißt du nicht mehr?
So wie früher.“, setzte ich nach. Und dann endlich ein Lächeln von ihr.
Gunnar war mit
seinen drei Kindern beschäftig. Ganz der stolze Vater….irgendwie. Henrik jedoch
schaute dem Treiben eher ein wenig skeptisch zu.
Das erste, was
Marie und mir ins Auge fiel, ist die polizeiliche Suche nach einem Mann, der in
der Nähe der Frenchmen Street Frauen sexuell belästigt hat. Kommt mir bekannt
vor aus Europa. Schweden, Deutschland etc….und ebenfalls einer von der farbigen
Art. Schon eigenartig.
Aber egal.
Weiter.
Oh! Ein Mord am
Chef Menteur Highway. Der achte bereits in diesem Jahr, innerhalb einer Meile. Und
noch andere Schießereien. Ein Teenager wurde in der Nähe von Lake Pontchartrain
von einem Mann mit einer Machete angegriffen. Im Gepäck einen kalifornischen
Mannes wurden neun Pfund Marihuana gefunden. Ein anderer Mann namens Cody Coch
wurde am Freitagabend während eines Streites angeschossen. Usw…usw…usw…..Was
soll man da sagen? Die Sportmeldungen interessieren mich nicht und ebenso wenig
die Politik.
Zumindest
brachte uns die Zeitungsschau wieder näher. Wir unterhielten uns über die
vielen Vergewaltigungen in Schweden und dachten mit Wut und Traurigkeit an die
Opfer dieser Taten. Und es sind immer wieder Frauen, die körperlich und seelisch
leiden, durch die Gewalt der Männer. In dieser Sache sind Marie und ich uns
einig.
„Wir haben
Glück.“, sagte sie zu mir. „Unsere Männer sind da ganz anders.“ Und in diesem Zusammenhang
kamen Marie und ich auf den Tag, oder besser den Abend zu sprechen, an dem ich
Gunnar kennenlernte.
„Weißt du noch,
dass ich Gunnar für ein Monster hielt?“, fragte mich Marie ein wenig verlegen.
Ich nickte. „Und
ich hörte nicht auf dich. Schlief mit ihm und schlussendlich verliebte ich mich
sogar noch in Gunnar.“
„Was ist mit
Eriks Zauber?“, fragte sie dann. „Hält er denn?“
„Ja. Bis auf
Alexa. Mit ihr schläft er weiterhin.“
Marie hob die
Schultern und ihr Gesicht zeigte Bedauern. „ Aber immerhin.“
„Das Kurioseste
dabei ist“, merkte ich noch Augen zwinkernd an, „dass er es mit ihr
offensichtlich nicht mehr wirklich genießt.“
Wir lachten
beide über diese Feststellung.
„Aber Sex im
Allgemeinen mag er doch noch?“, aufgesetzte Besorgnis umspielte Maries Lippen
und dann grinste sie.
Ich lachte. „Ja.
Und das noch Absonderlichere, in Anbetracht dessen, wie Gunnar einmal war, ist,
dass er sich offensichtlich nur noch an Intimitäten mit mir erfreuen kann.“
Maries Mund stand
offen. Die Augen wurden größer und größer. „Das gibt es doch nicht!
Tatsächlich?“
„Ja. Unglaublich
nicht? Was so ein Zauber alles bewirken kann.“
„Dann hoffen wir
aber, dass er anhaltend ist.“ Und erneut lachten wir zusammen, beinahe wie
früher.
Über die
Entstehung der Zwillinge sprachen wir besser nicht.
Und am Ende
unterhielten wir uns ein wenig über unsere Körper, die mit der Zeit immer mehr
versagen.