Samstag, 23. Februar 2013

Die “Höhle der Löwin”



Gunnar ließ mir keinerlei Gelegenheit überhaupt in Troels Nähe zu kommen. Ohnehin war zu wenig Zeit. Er suchte mich beständig davon zu überzeugen am Abend mit ihm nach Stockholm zu fahren, bis er am Ende mit einer “Einladung” seines Bruders Carsten aufwartete.
Was hätte ich nun tun sollen? “Nein” sagen?
“Wird sie auch dort sein?”, fragte ich Gunnar und er wusste genau, das ich diese Siv meinte.
“Er holte einen tiefen Atemzug  und räusperte sich. “Kann ich nicht sagen.”
“Wir fuhren am frühen Abend, alldieweil zudem noch ein Saunabesuch geplant war.”
Auch das noch! Dachte ich. “Du weißt doch genau, dass ich dich nicht in eine Sauna begleiten kann.”, bemerkte ich vorwurfsvoll.
“Es ist Carstens Wunsch. Da kann ich nichts ändern.”, verteidigte er sich.
Am Ende saß ich erneut mit Chiara, Astrids lesbischer Freundin an der Bar. Sie erzählte mir, dass sie die Hitze ebensowenig vertrug wie ich und erwähnte beiläufig grinsend, dass mein kleines Abenteuer mit Gunnar und Siv in einem Bett für ausgiebigen Gesprächststoff gesorgt hatte. Was mir nun überaus peinlich war.
Und natürlich war diese Siv bereits von Anfang an dabei. Mit beinahe euphorischer Freude hatte sie Gunnar begrüßte und sein Gesicht mit Küssen bedeckt, sodass er sie ein wenig unsanft beiseite geschoben hatte. Ich mochte mir mitnichten vorstellen, in welchem Maße sie den Saunabesuch für sich zu nutzen versuchte.
Gunnar antwortete später auf meine drängende Frage sowie meine Verstimmtheit mit knappen Worten, dass sie ihn noch einige Male angemacht, aber dann in Ruhe gelassen hätte.
In der Södermalm wurde anschließend in einem durchaus annehmbaren Restaurant gespeist. An einem Tisch zu sitzen mit dieser Siv bereitete mir einige Bauchschmerzen. Gunnar wies mich kurz auf meine Einstellung hin, welche ich doch besser ändern sollte, bevor ich mir oder uns noch den Abend verdarb. Wie sollte das gehen? Nachdem was mir Chiara so rein beiläufig (feixend) erzählt hatte.

Während des gesamten Abend absolvierte ich einen quälenden Spießrutenlauf. So mein Gefühl. Dachte, jedes Lachen, jeder Witz gelte mir. Was natürlich ausschließlich in meinen Gedanken existierte und mitnichten der Wahrheit entsprach.
Gunnar trank nur wenig und sah mich immer öfter mit Sorge an. Bis er mich dann schließlich beiseite nahm.
“Kein Mensch starrt dich an.”, sagte er zu mir.
“Aber sie wissen ....”
“Na und.”, unterbrach er mich.
“Na und?” Ich stieß die Luft aus meinen geöffneten Mund und drehte den Kopf zur Seite. Gunnar nahm mein Kinn in seine Hand, bewegte meinen Kopf zurück und küsste mich lächelnd.
Ich konnte mich noch immer nicht beruhigen. “Sind derartige Aktivitäten in diesen Kreisen etwa normal?”
Gunnar antwortete nicht und lächelte weiter.
“Was frage ich überhaupt. Natürlich sind sie das!”, wurde ich noch wütender.
“Rea. Bitte. Beruhige dich doch. Komm, laß uns noch ein wenig Spaß haben. Meinst du nicht auch? Schäme dich nicht deshalb. Das must du nicht. Im Gegenteil.”
“Im Gegenteil?”, fragte ich entrüstet. “Was bitte soll DAS bedeuten?”
Gunnar schmunzelte. “Verstehst du nicht? Genau DAMIT hast du dir Respekt verschafft.”
Ich schüttelte mit dem Kopf. “WAS? Was für eine Welt ist das eigentlich?”
Gunnar zog die linke Augenbraue nach oben und schürzte die Lippen. “Die Normale.”
“Willst du damit etwas sagen, dass ich in einer unrealen Welt lebe?”
“Du lebst in deiner Welt Rea. So, wie das vermutlich jeder tut. Aber diese Welten kreuzen sich zuweilen wie du siehst.” Gunnar schnaufte. “Aber jetzt, wollen wir doch nicht etwa philosophieren? Komm. Wir gehen tanzen.”
Somit musste ich den Rest der Nacht mit meinen Gedanken leben, und ich versuchte in der Tat den Spaß der anderen zu teilen, was mir aber nicht wirklich gelang.
Dies mag ebenso zu einem großen Teil daran gelegen haben, dass ich derart laute  Akustik nicht mehr gewöhnt bin.

Die Party endete natürlich nicht mit dem Verlassen des Nightclubs. Wir alle fuhren zu Hjalmar, der sich als Gastgeben anbot.
Ich war entrüstet. Hatte aber dennoch keine Wahl. Am aller liebsten hätte ich mir ein Taxi gerufen und mich zurück zum Zentrum bringen lassen. Aber allein? Niemals!

Neben Gunnar sitzend und an einem billigen Glas Sekt nippend beobachtete ich die Szenerie. Mir fiel ein, dass ich Stefan, Sivs angeblichen Freund, bisher nicht gesehen hatte. Ich fragte Gunnar nach ihm. Es hätte den Gerüchten zu Folge über unseren Dreier im Bett eine heftige Auseinandersetzung der beiden gegeben. Seidem sei er nicht mehr hier gewesen.
So konnte sie nun erneut gänzlich ungeniert mit Gunnar flirten.


Da ich Gunnar nicht den Rest des Abends verderben wollte, hielt ich aus. Wurde aber zunehmend müder. Die Gespräche und das Tanzen hatten mich ohnehin erschöpft. 
Es muss so etwa gegen drei gewesen sein, als ich schlußendlich die Initiative ergriff und uns ein Taxi rief, mit welchen wir zurück zum Zentrum fuhren.

Noch immer bin ich derart ausgelaugt, sodass ich heute mitnichten bereit bin, einen einzigen  Fuß vor die Tür zu setzen.