Gunnar ließ mir keinerlei Gelegenheit überhaupt in Troels Nähe zu kommen.
Ohnehin war zu wenig Zeit. Er suchte mich beständig davon zu überzeugen am
Abend mit ihm nach Stockholm zu fahren, bis er am Ende mit einer “Einladung”
seines Bruders Carsten aufwartete.
Was hätte ich nun tun sollen? “Nein” sagen?
“Wird sie auch dort sein?”, fragte ich Gunnar und er wusste genau, das ich
diese Siv meinte.
“Er holte einen tiefen Atemzug und
räusperte sich. “Kann ich nicht sagen.”
“Wir fuhren am frühen Abend, alldieweil zudem noch ein Saunabesuch geplant
war.”
Auch das noch! Dachte ich. “Du weißt doch genau, dass ich dich nicht in
eine Sauna begleiten kann.”, bemerkte ich vorwurfsvoll.
“Es ist Carstens Wunsch. Da kann ich nichts ändern.”, verteidigte er sich.
Am Ende saß ich erneut mit Chiara, Astrids lesbischer Freundin an der Bar. Sie
erzählte mir, dass sie die Hitze ebensowenig vertrug wie ich und erwähnte
beiläufig grinsend, dass mein kleines Abenteuer mit Gunnar und Siv in einem
Bett für ausgiebigen Gesprächststoff gesorgt hatte. Was mir nun überaus
peinlich war.
Und natürlich war diese Siv bereits von Anfang an dabei. Mit beinahe
euphorischer Freude hatte sie Gunnar begrüßte und sein Gesicht mit Küssen
bedeckt, sodass er sie ein wenig unsanft beiseite geschoben hatte. Ich mochte
mir mitnichten vorstellen, in welchem Maße sie den Saunabesuch für sich zu
nutzen versuchte.
Gunnar antwortete später auf meine drängende Frage sowie meine
Verstimmtheit mit knappen Worten, dass sie ihn noch einige Male angemacht, aber
dann in Ruhe gelassen hätte.
In der Södermalm wurde anschließend in einem durchaus annehmbaren
Restaurant gespeist. An einem Tisch zu sitzen mit dieser Siv bereitete mir
einige Bauchschmerzen. Gunnar wies mich kurz auf meine Einstellung hin, welche
ich doch besser ändern sollte, bevor ich mir oder uns noch den Abend verdarb.
Wie sollte das gehen? Nachdem was mir Chiara so rein beiläufig (feixend)
erzählt hatte.
Während des gesamten Abend absolvierte ich einen quälenden Spießrutenlauf. So
mein Gefühl. Dachte, jedes Lachen, jeder Witz gelte mir. Was natürlich
ausschließlich in meinen Gedanken existierte und mitnichten der Wahrheit
entsprach.
Gunnar trank nur wenig und sah mich immer öfter mit Sorge an. Bis er mich
dann schließlich beiseite nahm.
“Kein Mensch starrt dich an.”, sagte er zu mir.
“Aber sie wissen ....”
“Na und.”, unterbrach er mich.
“Na und?” Ich stieß die Luft aus meinen geöffneten Mund und drehte den Kopf
zur Seite. Gunnar nahm mein Kinn in seine Hand, bewegte meinen Kopf zurück und
küsste mich lächelnd.
Ich konnte mich noch immer nicht beruhigen. “Sind derartige Aktivitäten in
diesen Kreisen etwa normal?”
Gunnar antwortete nicht und lächelte weiter.
“Was frage ich überhaupt. Natürlich sind sie das!”, wurde ich noch
wütender.
“Rea. Bitte. Beruhige dich doch. Komm, laß uns noch ein wenig Spaß haben.
Meinst du nicht auch? Schäme dich nicht deshalb. Das must du nicht. Im Gegenteil.”
“Im Gegenteil?”, fragte ich entrüstet. “Was bitte soll DAS bedeuten?”
Gunnar schmunzelte. “Verstehst du nicht? Genau DAMIT hast du dir Respekt
verschafft.”
Ich schüttelte mit dem Kopf. “WAS? Was für eine Welt ist das eigentlich?”
Gunnar zog die linke Augenbraue nach oben und schürzte die Lippen. “Die
Normale.”
“Willst du damit etwas sagen, dass ich in einer unrealen Welt lebe?”
“Du lebst in deiner Welt Rea. So, wie das vermutlich jeder tut. Aber diese
Welten kreuzen sich zuweilen wie du siehst.” Gunnar schnaufte. “Aber jetzt,
wollen wir doch nicht etwa philosophieren? Komm. Wir gehen tanzen.”
Somit musste ich den Rest der Nacht mit meinen Gedanken leben, und ich
versuchte in der Tat den Spaß der anderen zu teilen, was mir aber nicht
wirklich gelang.
Dies mag ebenso zu einem großen Teil daran gelegen haben, dass ich derart
laute Akustik nicht mehr gewöhnt bin.
Die Party endete natürlich nicht mit dem Verlassen des Nightclubs. Wir alle
fuhren zu Hjalmar, der sich als Gastgeben anbot.
Ich war entrüstet. Hatte aber dennoch keine Wahl. Am aller liebsten hätte
ich mir ein Taxi gerufen und mich zurück zum Zentrum bringen lassen. Aber
allein? Niemals!
Neben Gunnar sitzend und an einem billigen Glas Sekt nippend beobachtete
ich die Szenerie. Mir fiel ein, dass ich Stefan, Sivs angeblichen Freund,
bisher nicht gesehen hatte. Ich fragte Gunnar nach ihm. Es hätte den Gerüchten
zu Folge über unseren Dreier im Bett eine heftige Auseinandersetzung der beiden
gegeben. Seidem sei er nicht mehr hier gewesen.
So konnte sie nun erneut gänzlich ungeniert mit Gunnar flirten.
Da ich Gunnar nicht den Rest des Abends verderben wollte, hielt ich aus.
Wurde aber zunehmend müder. Die Gespräche und das Tanzen hatten mich ohnehin
erschöpft.
Es muss so etwa gegen drei gewesen sein, als ich schlußendlich die
Initiative ergriff und uns ein Taxi rief, mit welchen wir zurück zum Zentrum
fuhren.
Noch immer bin ich derart ausgelaugt, sodass ich heute mitnichten bereit bin, einen einzigen Fuß vor
die Tür zu setzen.