Gunnar nahm mich am Nachmittag. Witzelte, küsste und drängte mich zum
Schlafzimmer, wo er mich aufs Bett schupste.
Genau genommen hatte ich nicht wirklich Lust darauf. Aber es ist hier ebenso
wie beim Speisen. Das Vergnügen kommt währenddessen.
Andererseits erinnerte ich mich genau daran was Gunnar selbst mir einst in
New Orleans sagte, als wir uns kennenlernten. Ich solle mich und mein Verlangen
erforschen. Aber ich habe bis heute keine Ahnung davon, was eigentlich mein
sexuelles Verlangen ausmacht.
Oder vermochte ich es nur nicht zu benennen? Zu beschreiben? Weil ich genau
genommen nie viel darüber nachdachte. Alles schlicht und einfach geschehen ließ.
Mich anpasste. In den meisten Fällen zumindest. Mich gehen ließ. Genoß.
Ich glaube, dass ich dieses Verhalten bereits in den vielen Jahren derart
verinnerlicht und für mich selbst kultiviert habe, sodass ich es nicht mehr
ändern kann und möchte. Würde ich es verändern, hätte ich wahrscheinlich keine
Freude mehr daran.
Sex ist das pure Gefühl. Leidenschaftliche Emotionen, die sich zwar im Kopf
abspielen, aber dennoch keine Kopfsache sind.
Hier fehlen erneut die Worte, um die breite Palette des Empfindes zu
beschreiben.
Gunnar sah natürlich meine Gedanken und bemerkte mein Dilemma.
“Du kannst mir zu jeder Zeit sagen wann und was du möchtest oder nicht.”
Ich sah ihn zweifelnd an. “Und du wirst einfach aufhören, wenn ich NEIN
sage?”
“Natürlich. Du weist genau, dass ich nie etwas tun würde, was dir nicht
gefällt. Nur hast du in letzter Zeit immer weniger Lust auf Sex. Was mit
Sicherheit auf Krankheit, Schmerzen und Medikamente zurückzuführen ist. Dennoch
ist es ein wichtiger Teil...”
”Also ist es doch SO wichtig für dich?”, schnitt ich ihm das Wort ab.
Gunnar legte die Stirn in Falten und zog seine linke Augenbrauch nach oben.
Er räusperte sich. “Wir müssen abwägen. Über alles offen reden. Verstehst du?”
“Kämest du tatsächlich wochenlang ohne Sex aus, wen ich NEIN sagen würde?”
Gunnar atmete tief. Räusperte sich erneut. “Natürlich. Bin ich doch bereits.” Er lächelte. “Als du nicht hier warst.”
“Nein. Du hattest Siv.”
“Nein. Es war nur eine kurze Zeit mit ihr. Aber um sie geht es hier nicht.
Sondern um dich Rea.”
Stille
Gunnar legte seinen Arm um meine Schluter. “Denke nicht so viel nach.
Genieße einfach.”
“Ist es DAS, was man den Augenblick leben nennt?”
“Ja.”
Wir saßen eine zeitlang aneinander gelehnt und ich dachte nach.
“Weist du”, begann Gunnar, “ich denke wir sind genau aus diesem Grund in
dieser verdichteten Masse, um mit den uns zur Verfügung stehenden Sinnen zu
erfahren. Anfangs experimentieren wir mit unserem Körper, wie mit einem neuen
Spielzeug, welches wir erkunden und auf seine Funktionen testen. Natürlich
begehen wir ebenso Fehler, die zu korrigieren sind oder in manchen Fällen auch
nicht. Es sind immer unsere eigenen Entscheidungen. Und genau genommen wissen
wir NICHTS. Jeder Tag ist ein neues Abenteuer. Also, denke nicht ZU viel nach.
Genieße!”
“Ist DAS der Weisheit letzter Schluß?”, fragte ich ihn.
Gunnar lachte. “Ich kann Dir zwar vieles beibringen. Aber deine
Erfahrungen, Entscheidungen und die daraus folgenden Erkenntnisse, must du
schon selbst leben. Ohnehin hast du,
haben wir viel Glück mit unserer Lebensituation. Vor allen, dass wir uns
wiedergefanden.”
Und erneut folgten Belehrungen über das “alte Prinzip von Anspannung und
Entspannung”, welches er mir tunlichst zu vermitteln sucht. Insbesondere wenn
es um meine Augen und die Zeit vor den Bildschirmen geht.
Ich sehe ihn dabei liebevoll an und meine Augen wandern be-gierig über
seinen Körper.
“Laß deine Haare wo sie sind. Ich finde Körperbehaarung bei einem Mann
durchaus reizvoll.”, lenke ich lächeld das Thema auf den Beginn unseres Gespräches
zurück.
Gunnar lächelt ebenfalls. “Begehrst du mich jetzt? Oder habe ich dich mit
meinen Worten animiert?”
“Hmm.” Ich legte den Finger an meinen Mund und den Kopf ein wenig schief.
“Beides.”, antwortete ich.
Es ist in der Tat so, dass ich nie wirklich genau zu sagen vermag, ob die
Lust auf Sex aus mir heraus oder eine Folge von Gunnars Verlangen, seinen
Worten und Animationen ist. Was ohnehin gleichgültig ist. Das Wohl-fühleln ist
das Wesentliche.
Worüber dann also so lange nachdenken?