Freitag, 17. Oktober 2014

Die Hoffnung stirbt zuletzt




Ich war etwa eine Stunde bei Kevin, der über glücklich war mich zu sehen. Mich herzte, küsste und umarmte. „Du hast mir so gefehlt!“
„Und du? Was hast du so getan in den letzen zwei Wochen?“
Kevin lächelte ein wenig zynisch. „Was schon? Keine Freundin gefunden. Nicht gefickt und nur wenig geschlafen.“
„Warum das denn?“, fragte ich ihn ehrlich besorgt.
„Vinc war krank und Rose hatte alle Hände voll zu tun.“
„Oh! Das tut mir leid. Geht es ihm denn schon besser? Wo ist er jetzt?“, fragte ich doch eher um meinetwillen. Denn ansteckende (Kinder-) Krankheiten waren das letzte, was ich jetzt hätte brauchen können.
„Er ist mit Rose spazieren gegangen.“
Ich zwinkerte ihm zu. „Rose?“
Kevin hob die Hände. „Oh nein. Da läuft nichts. Das kannst du mir glauben.“
„Magst du sie nicht?“
Kevin sah mich zweifelnd an und kniff die Augen zusammen. „Willst du mich etwa verkuppeln?“
„Nein. Nein. Ich dachte nur....“
„Weiß du“, begann er erneut nach eine Weile der Stille, „mein Sohn, Vinc, ist jetzt sechs Jahre alt und sollte in die Schule gehen. Nur kann er das hier nicht tun, weil er kein schwedisch spricht. Ich weiß nicht, was ich tun soll? Ihn zurück nach Deutschland bringen?“
„Wie wäre es mit einem privaten Lehrer oder vielleicht einer Privatschule, wo in deutscher Sprache unterrichtet wird?“
„Gibt es die denn?“
„Das lässt sich leicht herausfinden.“, sagte ich und griff nach seiner Hand. Drückte sie fest und zwinkerte ihm zu. „Wir schaffen das schon.“
„Wie geht es Dir eigentlich? Verzeih, dass ich dich noch nicht fragte.“
Ich schnaufte und atmete schwer. „Schwindelig. Noch immer ein wenig. Womöglich muss ich sogar lernen damit zu leben. Morgen ist der Termin bei der Neurologin.“

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Gleich anschließend ging ich kurz bei den Detektiven Hannes und Vincent vorbei.
Sie teilten mir mit, dass Gunnar am Morgen, gleich nach unserem gemeinsamen Frühstück und noch bevor er ins Büro gegangen war, die Schokoladen braunen, jungen und attraktiven Waris Björnsdottir besucht hatte. Und während ich im Internet surfte und an meinem Tagebuch schrieb, fand Gunnars kondomierter Schwanz seinen Weg in ihre Spalte. Wo ich doch dachte......er könnte mir vielleicht einmal für längere Zeit treu sein.....
Mit diesem Wissen ging ich zum Office, um Gunnar abzuholen.

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Nach dem Lunch war Gunnar wieder ins Büro gegangen. Wollte später am Nachmittag noch schwimmen gehen. Wie er sagte. Und ich ging nach Hause, um mir seine neuerliche Verfehlung auf DVD anzusehen.
Als ich mir die diesen „Softporno“ ansah, beobachtete ich Gunnar ganz genau und  bemerkte, oder glaubte zu bemerken, dass er nicht wirklich Spaß daran fand mit dieser Waris zu ficken. In diesem Augenblick schien es ihm tatsächlich und ausschließlich um seine Befriedigung, ums Ficken zu gehen. Nicht mehr und nicht weniger. Gerade so, als würde man in ein anderes, afrikanisches Restaurant zum essen begeben. Jedoch schien „die Speise“, womöglich auch nur an diesem Tag, nicht einmal appetitlich zu sein. Denn seine Mimik ließ keinerlei Freude entdecken. Er kam schnell zum Ende, zog sich an und ging. (Während sie noch verstört auf dem Bett lag und ihm nachschaute.)
Ich dachte darüber nach, was dies bedeuten könnte, und die Hoffnung keimte in mir, dass es ihm womöglich langweilte. Aber andererseits war hier ein Überangebot, welches er jeder Zeit ausschöpfen konnte. Und DAS tat er auch, wie ich noch am Nachmittag per SMS von Hannes erfuhr.

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Während ich im Frisörsalon meine Haare waschen, trocknen und pflegen ließ und Snezana He mit mir über Neuigkeiten des Bärenschwesterclans plauderte, war Gunnar nicht etwa schwimmen gegangen, wie er sagte, sondern zu Ri Min und Ailin Zai....um SICH eine Stunde harten Sex zu gönnen. Offensichtlich hatte ihm das eher seichte Ineinander mit Waris doch nicht wirklich befriedigt und nun hatte er nach „härteren Drogen“ der Ergötzung gesucht.
Aber auch dies schien ihn nicht wirklich zufrieden zu stellen. So zumindest die Kurzversion von Hannes.
Gleich nachdem meine Haare gerichtet und noch bevor ich Gunnar zum Dinner abholen ging, fand ich mich bei den beiden Detektiven ein, um genaueres zu erfahren.
Hannes reichte mir die DVD. „Sehen sie es sich selbst an.“
Nur hatte ich dazu erst heute, nach dem Mittag, Gelegenheit. Denn bis vor kurzem war ich jede Minute mit Gunnar zusammen.

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Es macht mir nach wie vor, und vor allem noch zusätzlich zu aller Kränklichkeit Mühe, meine Gedanken bezüglich Gunnars Untreue und meinem Wissen darüber vor ihm zu verbergen. Aber ich versuche darüber hinweg zu sehen. Alldieweil ich ganz andere Probleme zu bewältigen habe und überdies .....“stirbt die Hoffnung“ zuletzt.....dass er mir doch noch irgendwann treu sein wird. Denn ich glaubte, auch während ich mir Gunnars Zusammensein mit Ri Min und Ailin Zai ansah, gleichwohl zu bemerken, dass selbst diese Spielarten ihm kein wirkliches Vergnügen mehr bereiten. ODER stellt sich womöglich doch so Schritt für Schritt eine Art der Reue, ...der Treue zu mir ein???
„Die Hoffnung stirbt zuletzt!“

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Der Abend war beschaulich. Gunnar gab sich mehr Mühe als sonst, umsorgte mich  und fragte immer wieder, wie es mir gehe und ob ich etwas brauche. Er beruhigte und streichelte mich immer wieder. „Wir schaffen das schon.“, sagte er. „Hab’ keine Angst. Alles wird gut. Selbst wenn du ins Hospital gehen musst, ist das auch kein Problem. Du kennst dich doch dort mittlerweile ganz gut aus.“ Er zwinkerte mir zu und strich mir mit dem Rücken seiner Hand über die Wange.
Da ich wusste, was am Nachmittag geschehen war, erstaunte mich sein Verhalten kaum. Hatte er etwa ein „schlechtes Gewissen“? Denn überdies schien ihm etwas auf der Seele zu liegen und ich hatte den Eindruck, dass er am liebsten sogar darüber sprechen wollte.
Mein Empfinden, diesbezüglich, bestätigte sich.
Gunnar hatte die Lippen zusammen gekniffen und räusperte sich einige Male, was mich offenkundig auf ihn aufmerksam machen sollte. Dann begann er zaghaft zu sprechen: „Ich habe,....ich wollte dir sagen.....es tut mir alles so leid. Ich, ich wollte das nicht.“
„Was meinst du?“, fragte ich und stellte mich unwissend.
„Heute Morgen war ich....“
„....bei Lara?“, fragte ich und gab mich ahnungslos.
„Nein. Ich war,....bei einer anderen Frau.“
Ich lächelte ein wenig zynisch. „Das ist genau genommen nichts Neues. Oder? Obgleich ich dachte, dass du mir nun treu sein könntest. Denn das warst du ja bereits, als wir bei Mary und Rodney waren, und ich dachte, es sei ein guter Anfang.“
Gunnar begann zu stottern. „Ja,.... ja. Ich, ich... weiß. Ich wollte ja auch nicht. Aber....“
Stille
„Und am Nachmittag“, er sah mir mit einem zweifelnden, fast ängstlichen Blick entgegen und senkte dann seinen Kopf. „Es tut mir alles so leid. Glaube mir. Ich war nicht schwimmen. Habe mit zwei Chinesinnen gefickt.“ Gunnar atmete schwer und ich sah, dass ihm dieses Geständnis qualvoll über die Lippen ging. „Aber es,...es war nicht wie immer. Es hat mich nicht befriedigt. Mir keinen Spaß gemacht.“, wurde er mit jedem Wort lauter und schien nun sogar noch zornig darüber zu sein.
Sollte ich ihn jetzt bedauern? Oder was?
Gunnar beruhigte sich schnell und sah mir Schuld bewusst in die Augen. „Verzeih mir bitte. Ich,....ich werde versuchen....“
„Dann tue das bitte auch.“

Die Nacht war eher unruhig. Ich war erschöpft und meine Gedanken beschäftigten sich mit dem bevorstehenden Besuch bei der Neurologin.
Kein Sex. Warum auch? Gunnar hatte mich, meiner Meinung nach, an diesem Abend NICHT VERDIENT.

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Wieso hat Gunnar eigentlich Natalja noch nicht besucht? Sie trägt schließlich sein Kind unter ihrem Herzen. Dachte ich so, während wir am frühen Morgen auf dem Weg zur Neurologin waren. Fragte jedoch nicht nach. Aber womöglich wusste Gunnar bereits von Nathan Cutter und entzog ihr deshalb seine Gunst.

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Gleichwohl die Neurologin bestätigte meine düstere Ahnung. Sie legte mir nahe, unter den gegebenen Umständen, die Chemotherapie NICHT zu unterbrechen, und mich wie geplant, am vierten Dezember wieder im Hospital einzufinden. Sie gab mir auch gleich ein Schreiben für die Ärzte dort mit. Allerdings war sie auch der Meinung, dass der Schwindel nicht von einem neuerlichen Schub herrühren müsse. Sondern tatsächlich nur durch Aufregung und Stress entstünde. Man müsse das dann dort abklären, sagte sie.
Infolgedessen ist meine „Chemo-Pause“ ausgesetzt und es geht erst einmal weiter (wie gewohnt). Auch die Frage der Anschlusstherapie ist somit (vorerst) entfallen.
Jedoch: „Die Hoffung stirbt zuletzt!“
In jedem Fall muss ich mir noch mehr Ruhe gönnen und über ein „beruhigendes Medikament“ nachdenken, welches ich bei Bedarf zu mir nehmen muss.
Im Augenblick helfen zumindest vorerst die Pillen der Naturtherapeutin gegen den Schwindel ganz gut.

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Gunnar ist nun tatsächlich zum Office gegangen. Ist nicht (schon wieder) bei einer anderen Frau. Und ich hoffe, dass er seinem Versprechen gleichwohl Taten folgen lässt,....und mir treu sein wird.
Die Hoffnung stirbt zuletzt!