„Es bereitet mir Sorgen, wenn ich
höre wie wütend du auf dich bist. Deinen Körper beschimpfst. Das ist nicht gut
und ebenso wenig gesund.“, sagte Gunnar heute Morgen auf der Fahrt nach
Stockholm. Welche wir antraten, nachdem wir gefrühstückt und uns hatten massieren
lassen.
Zumindest hatten sich meine
Befürchtungen, das Autofahren betreffend, nicht bewahrheitet. Es ging ganz gut.
Denn die schnellen Bildabfolgen während des Fernsehens lassen den Schwindel nur
noch zunehmen. Dachte ich so, indes Gunnar weiter sprach: „Wir müssen an deiner
Genesung arbeiten. Hörst du, was ich sage Rea?“
„Ja.“
Gunnar zog die linke Augenbraue nach
oben und widmete seine Aufmerksamkeit wieder der Straße vor sich, nachdem er
kurz zu mir herüber gesehen hatte.
„DU musst an deiner Genesung
arbeiten. Dich auf die neue Situation einstellen und noch mehr der Ruhe und Entspannung widmen.“
„Ich weiß.“, antwortete ich mit
eintöniger Stimme.
Gunnar schnaufte. Was wollte er mir
wirklich sagen? Das ich dem Internet und dem iPhone abschwören soll? Am besten noch
das Fernsehen aus meinem Leben streichen? Mich in eine Waldhütte, like Erik,
wie ein Eremit zurückziehe?
Ja gern!
Gunnar lächelte. Er hatte
offensichtlich meine Gedankengänge gelesen.
„Kommst du mit mir?“, fragte ich um
zu sehen, ob es tatsächlich so war.
Er schmunzelte und nickte. „Warum
nicht?“
„Warum nicht?“, wiederholte ich seine
Frage, und antwortete sogleich darauf. „Du bist mitnichten der Mensch für die
Einsamkeit und Einsiedelei, so wie Erik sie lebt.“
„Vielleicht jetzt noch nicht.“ Gunnar
sah zu mir herüber und zwinkerte mir zu. „Aber später könnte das gut sein.“
„Wann später?“, und ich dachte dabei
an seine Konkubinen und außerehelichen Ficks. Seine Neigungen, den Fußball, das
Modeln, seine Brüder und die Partys, die er so liebte.
Gunnar wusste genau was ich dachte.
Er nickte nur. „Haben wir im Zentrum nicht alles was wir brauchen?“, fragte er
dann.
„Ja.“ Ich musste lächeln, weil mir
sogleich Laras, Malikas und die Gesichter all der anderen Fotzen vor meinem
inneren Auge erschienen. Jedoch dachte ER mit seinen Worten nicht an sich
selbst, sondern eher über meine Lage nach.
„Aber es ist dir immer noch zu
bewegt. Hab’ ich recht?“
Nun nickte ich.
„Wir sind noch jung. Wollen noch ein
bisschen was erleben. Denkst du nicht?“
„Wie denn? So kränklich wie ich bin?
Kann nicht einmal mehr.....“
„Rea. Bitte, fang nicht wieder damit
an. Sonst steigerst du dich wieder hinein.“
Widerwillen regte sich in mir.
„Denkst du etwa, das ist nur psychosomatisch. Oder was?“
„Nein. Nein. Wie geht es dir jetzt?“,
versuchte er die eskalierende Situation zu wenden, was ihm gelang.
„Manchmal ist der Schwindel da.
Manchmal nicht. Manchmal bereits frühes. Manchmal erst am Abend. Ich kann nie
sagen, wann er kommt. Und es ist nicht NUR der Schwindel. Da ist ein
Fahrstuhlgefühl. Als würde ich permanent nach unten fahren, und manchmal zieht
es mich während des Gehens nach einer Seite hin. Aber das ist nicht immer so.
Nur manchmal. Einmal mehr und einmal weniger.“
„Es kann kein Schub sein.“ Gunnar
schüttelte mit dem Kopf. Sein Gesicht war ernster und nachdenklich geworden.
„Deine Yoga-Übungen auf einem Bein zu stehen, absolvierst du doch fabelhaft.“
„Was ist es dann?“
„Aller Wahrscheinlichkeit nach dieses
Müdigkeits-Syndrom. Fatigue. Du musst dir in der Tat noch mehr Ruhe gönnen.
Sobald du bemerkst, dass es dir schwindelich wird, du in diesen Zustand
zwischen wach sein und Schlaf hineinfällst, wäre es wohl am aller besten, dich
noch im selben Moment, wenn möglich, hinzulegen. Zu schlafen. Oder nur
auszuruhen.“
„Vielleicht hast du Recht.“, sagte
ich abschließend. Denn wir waren an der Naturheilpraxis angekommen.
-------
Ich hatte sie über Marys Medikation
und das warum informiert.
Die Übelkeit, welche ich im
Augenblick nicht mehr so intensiv verspürte, könne auch von dem Spenglersan
ausgelöst worden sein. Wie sie meinte. Es wäre ja schließlich ein antibiotisches
Mittel auf Pflanzenbasis, dass aber auf ähnlich Art wirke wie Antibiotika.
Sie riet mir auch, wie vermutet, erst
die Diagnose und Aussagen der Neurologin abzuwarten. Gab mir aber dann doch
noch etwas gegen das Drehen im Kopf.
„Vertigoheel. Rein pflanzlich. Aber
gut wirksam.“, sagte sie.
Im gleichen Atemzug holte sie noch
eine Packung Vitamin B 12 Spritzen aus dem Schrank. „Vielleicht können sie die
ihrer Frau....“
„Ich?“ Räusper. Hüstle. Tat Gunnar
ganz verlegen.
„Ja. Es ist ganz leicht.“
„Okay. Wenn sie das sagen.“
Ich selbst enthielt mich der Stimme
und stellte mir Gunnar als Krankenschwester vor. In Tracht und mit Häubchen.
Das wäre doch vielleicht sogar ein Spiel, das ihn anturnen würde. Bei der
Gelegenheit fiel mir ein, dass Hannes mir Gunnars Treue per SMS bestätigt
hatte, und zwar, seit wir hier angekommen sind.
Wie überraschend! Wer hätte das
gedacht?
-------
Wir gingen essen und shoppen und Gunnar
musste währenddessen Geduld beweisen. Denn ich probierte Kleid um Kleid. Hose
um Hose und Shirt um Shirt, und ......es ging mir verhältnismäßig gut dabei.
Auf dem Rückweg erzählte ich ihm von
meinem Traum.
Ich hatte eine merkwürdige Stelle am
rechten Schulterblatt auf der Haut, die aussah wie Stacheln unter der Haut.
Gleich der Schale einer Kastanie vielleicht. Man sah, dass darunter noch etwas
anderes war, und auch am linken Fuß hatte ich so etwas Ähnliches. Dann, auf
einmal, war da ein Schamane, der mir etwas Kinderfaust großes und Zecken
ähnliches aus der Schulter zog,....was ein Loch hinterließ. Das Gleiche am Fuß.
Aber das war kleiner und weiß und sah tatsächlich wie eine Zecke aus.
WAS hatte DAS zu bedeuten?
Gunnar wiegte den Kopf hin und her.
Überlegte. „Vielleicht wäre es gut Erik zu fragen. Aber lass mich noch einmal
in Ruhe darüber nachdenken. Es ist sicherlich etwas Tiefgründiges, Gewichtiges,
was Bedeutung hat.“
Ich nickte und stimmte ihm zu. „Dies
hatte ich auch gedacht.“
-------
And now we want watch television. Gunnar gave me all
the seasons of Supernatural.