Sonntag, 19. Oktober 2014

Ein „Stiefbruder“ und ein erneuter nächtlicher Zwischenfall




Es gab noch einiges Palaver bezüglich des Vorfalls mit den drei betrunkenen Russen, und immer wieder kamen wir, Christine, Thomas, Gunnar und ich, zu dem Schluss, dass dies eine gezielte Inszenierung war und mit großer Sicherheit gleichwohl nicht die Letzte. Die Bestätigung dafür bekamen wir noch in der vergangenen Nacht. Denn „man randalierte“ erneut. Der Angriff kam von außen. Es war genau zwei Uhr dreiundzwanzig. Ich war erschrocken aufgewacht und hatte auf die Uhr gesehen. Gunnar schnarchte neben mir. Er war am Abend zuvor bei Chris und Taylor gewesen und gegen Mitternacht, als ich schon längst zu Bett gegangen war, einigermaßen betrunken und nach Bier stinkend nach Hause gekommen. Natürlich hatte er gleichwohl zwischendurch einige Male nach mir gesehen. Es sind schließlich nur ein paar hundert Meter bis zu unserem Haus.
In jedem Fall war es laut. Ich hörte es rumsen, was wie Einschläge klang und dann das Schreien.
Man hatte von außen, hinter dem Zaun, mit großen Steinen auf die Hütten geworfen. Die darin wohnenden Gäste schraken selbstverständlich auf und rannten kreischend und verängstigt nach draußen. Wollten sehen, was geschehen und die Ursache dessen war.
Unser Sicherheitsteam hatte alle Hände voll zu tun. In erster Linie die Täter zu stellen und zum anderen die Menschen zu beruhigen. Wir sagten den Gästen, es sei nur ein Scherz betrunkener Jugendlicher gewesen. So entspannte sich die Lage recht schnell und die Leute begaben sich wieder in ihre Häuser.
Andererseits gab ich Ryan zu verstehen, dass man trotz alldem das restliche Gelände nicht außer Acht lassen sollte. Alldieweil es auch eine Ablenkung hätte sein können. Er nickte mir zu. Hatte dies bereits bedacht.

Gunnar hatte von all dem nicht wirklich viel mitbekommen. Er hatte sich erst nach einiger Zeit mühsam aus dem Bett gepellt und war nach draußen gekommen. Rieb sich die Augen und fragte, was denn hier passiert sei. Nur gut, dass Ryan mit einigen Sicherheitsleuten sogleich an Ort und Stelle war.

Auch wir gingen dann wieder schlafen. Nur war ich doch erneut ziemlich aufgeregt.
Zumindest war Gunnar wieder so weit nüchtern, dass er mich in seine Arme nehmen  und ich mich geborgen fühlend einschlafen konnte.

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Wir schliefen aus heute Morgen. Bevor mir Gunnar eine Überraschung präsentierte.
„Taylor ist mein Halbruder.“, sagte er. „Stell dir das vor!“ Er war ganz begeistert von der Neuigkeit.
Ich sah ihn verwundert an. „Hat er es erst jetzt erfahren? Oder warum sprach er nicht schon früher mit dir?“
„Meine Mutter weiß nichts davon. Mein Vater, Johann, hatte ihm ausschließlich den Tipp gegeben, dass er hier einen guten Job finden kann. Allerdings sollte er niemandem sagen, wer er war. Auch mir nicht. Aber gestern konnte er es nicht mehr länger für sich behalten.“
„Ach du meine Güte. Und was tust du jetzt?“
Gunnar grinste vor sich hin. „Nichts. Ich kann meinem Vater schließlich nicht in den Rücken fallen.“
„Aber deine Mutter belügen?“, argumentierte ich.
„Es ist doch nur zu ihrem eigenen Besten.“
„Vielleicht weiß sie es ja bereits, alldieweil sie schließlich ebenso Gedanken zu lesen vermag und hat bisher nur nichts darüber gesagt.“ Ich grinste Gunnar frech entgegen und zwinkerte ihm zu.
Er zog die linke Augenbraue nach oben und sah mich zweifelnd an. „Nein. Das glaube ich nicht.“
„Warum? Was hätte sie getan? Oder, was denkst du WÜRDE sie tun, wenn sie es erführe, wer Taylor wirklich ist?“
Gunnar schüttelte mit dem Kopf. „Ich weiß es nicht. In jedem Fall werde ich es ihr nicht sagen.“ Nun sahen MICH seine Augen fragend an.
„Nein. Nein.“, wehrte ich ab und hob die Hände. „Selbstredend werde ich schweigen wie ein Grab.“
Ich erfuhr von Gunnar, dass sein Vater, Johann, etwa vier Jahre nach seiner Geburt auf einem Symposium in Kanada Taylors Mutter kennen gelernt haben muss. Sie ist eine Indianerin und arbeitete zu dieser Zeit in dem Hotel, wo sein Vater während seines Aufenthaltes wohnte. Es gab offensichtlich nur dieses eine Treffen zwischen den beiden und man hatte sich später nie mehr gesehen. Zumindest wusste niemand davon. Sein Vater hat es infolgedessen bis zum heutigen Tag geheim gehalten, dass da NOCH ein Sohn von ihm existiert. Die Mutter selbst durfte den Vater nie angeben oder benennen. Hatte ihm Taylor erzählt. Immerhin hatte er ihr monatlich Geld geschickt. Natürlich fragte Taylor, als er älter wurde, nach seinem Vater. Ausflüchte wären gekommen. Nicht mehr. Bis vor etwa zwei Jahren. Es war die Zeit, in der Gunnars Vater sich von Christine trennte. (Oder besser sie (wegen Thomas)  von ihm.) Ein Brief aus Schweden war bei ihnen angekommen. Schlussendlich hätte ihm seine Mutter die Wahrheit gesagt und er, Taylor, hätte sich beinahe augenblicklich auf den Weg hier her gemacht.
Phhuuu,....was für eine „Story“?! Wie aus einem Film.......

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Gunnar war sogleich nach dem Frühstück wieder zu ihm gegangen. Wir alle trafen und dann im Restaurant zum Lunch. Aber etwas später als gewohnt. Damit wir nicht mit Christine und Thomas zusammen trafen. Wir aßen Steak vom Elch, frittierte Süßkartoffeln und Champagner dazu. Gunnar meinte, wir hätten schließlich etwas zu feiern.
„Wie handhabt ihr die Sache mit den anderen Geschwistern?“, fragte ich die beiden. Denn Taylor war gleichwohl den gesamten Nachmittag bei uns und ist es im Augenblick noch.
„Wir verraten nichts.“, sagte Gunnar. „Taylor ist nur (m)ein guter Freund.“ Beide grinsten........

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Nun hoffe ich heute auf eine „ruhigere“ Nacht. Müde bin ich ohnehin schon genug.
Taylor hat versprochen zu gehen, wenn es mir zu viel werden sollte und wir, Gunnar und ich, zu Bett gehen wollen.