Es gab noch einiges Palaver bezüglich
des Vorfalls mit den drei betrunkenen Russen, und immer wieder kamen wir,
Christine, Thomas, Gunnar und ich, zu dem Schluss, dass dies eine gezielte
Inszenierung war und mit großer Sicherheit gleichwohl nicht die Letzte. Die
Bestätigung dafür bekamen wir noch in der vergangenen Nacht. Denn „man
randalierte“ erneut. Der Angriff kam von außen. Es war genau zwei Uhr
dreiundzwanzig. Ich war erschrocken aufgewacht und hatte auf die Uhr gesehen.
Gunnar schnarchte neben mir. Er war am Abend zuvor bei Chris und Taylor gewesen
und gegen Mitternacht, als ich schon längst zu Bett gegangen war, einigermaßen
betrunken und nach Bier stinkend nach Hause gekommen. Natürlich hatte er
gleichwohl zwischendurch einige Male nach mir gesehen. Es sind schließlich nur
ein paar hundert Meter bis zu unserem Haus.
In jedem Fall war es laut. Ich hörte
es rumsen, was wie Einschläge klang und dann das Schreien.
Man hatte von außen, hinter dem Zaun,
mit großen Steinen auf die Hütten geworfen. Die darin wohnenden Gäste schraken
selbstverständlich auf und rannten kreischend und verängstigt nach draußen.
Wollten sehen, was geschehen und die Ursache dessen war.
Unser Sicherheitsteam hatte alle
Hände voll zu tun. In erster Linie die Täter zu stellen und zum anderen die
Menschen zu beruhigen. Wir sagten den Gästen, es sei nur ein Scherz betrunkener
Jugendlicher gewesen. So entspannte sich die Lage recht schnell und die Leute
begaben sich wieder in ihre Häuser.
Andererseits gab ich Ryan zu
verstehen, dass man trotz alldem das restliche Gelände nicht außer Acht lassen
sollte. Alldieweil es auch eine Ablenkung hätte sein können. Er nickte mir zu.
Hatte dies bereits bedacht.
Gunnar hatte von all dem nicht
wirklich viel mitbekommen. Er hatte sich erst nach einiger Zeit mühsam aus dem Bett
gepellt und war nach draußen gekommen. Rieb sich die Augen und fragte, was denn
hier passiert sei. Nur gut, dass Ryan mit einigen Sicherheitsleuten sogleich an
Ort und Stelle war.
Auch wir gingen dann wieder schlafen.
Nur war ich doch erneut ziemlich aufgeregt.
Zumindest war Gunnar wieder so weit
nüchtern, dass er mich in seine Arme nehmen
und ich mich geborgen fühlend einschlafen konnte.
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Wir schliefen aus heute Morgen. Bevor
mir Gunnar eine Überraschung präsentierte.
„Taylor ist mein Halbruder.“, sagte
er. „Stell dir das vor!“ Er war ganz begeistert von der Neuigkeit.
Ich sah ihn verwundert an. „Hat er es
erst jetzt erfahren? Oder warum sprach er nicht schon früher mit dir?“
„Meine Mutter weiß nichts davon. Mein
Vater, Johann, hatte ihm ausschließlich den Tipp gegeben, dass er hier einen
guten Job finden kann. Allerdings sollte er niemandem sagen, wer er war. Auch
mir nicht. Aber gestern konnte er es nicht mehr länger für sich behalten.“
„Ach du meine Güte. Und was tust du
jetzt?“
Gunnar grinste vor sich hin. „Nichts.
Ich kann meinem Vater schließlich nicht in den Rücken fallen.“
„Aber deine Mutter belügen?“,
argumentierte ich.
„Es ist doch nur zu ihrem eigenen
Besten.“
„Vielleicht weiß sie es ja bereits,
alldieweil sie schließlich ebenso Gedanken zu lesen vermag und hat bisher nur
nichts darüber gesagt.“ Ich grinste Gunnar frech entgegen und zwinkerte ihm zu.
Er zog die linke Augenbraue nach oben
und sah mich zweifelnd an. „Nein. Das glaube ich nicht.“
„Warum? Was hätte sie getan? Oder,
was denkst du WÜRDE sie tun, wenn sie es erführe, wer Taylor wirklich ist?“
Gunnar schüttelte mit dem Kopf. „Ich
weiß es nicht. In jedem Fall werde ich es ihr nicht sagen.“ Nun sahen MICH
seine Augen fragend an.
„Nein. Nein.“, wehrte ich ab und hob
die Hände. „Selbstredend werde ich schweigen wie ein Grab.“
Ich erfuhr von Gunnar, dass sein
Vater, Johann, etwa vier Jahre nach seiner Geburt auf einem Symposium in Kanada
Taylors Mutter kennen gelernt haben muss. Sie ist eine Indianerin und arbeitete
zu dieser Zeit in dem Hotel, wo sein Vater während seines Aufenthaltes wohnte.
Es gab offensichtlich nur dieses eine Treffen zwischen den beiden und man hatte
sich später nie mehr gesehen. Zumindest wusste niemand davon. Sein Vater hat es
infolgedessen bis zum heutigen Tag geheim gehalten, dass da NOCH ein Sohn von
ihm existiert. Die Mutter selbst durfte den Vater nie angeben oder benennen.
Hatte ihm Taylor erzählt. Immerhin hatte er ihr monatlich Geld geschickt.
Natürlich fragte Taylor, als er älter wurde, nach seinem Vater. Ausflüchte
wären gekommen. Nicht mehr. Bis vor etwa zwei Jahren. Es war die Zeit, in der
Gunnars Vater sich von Christine trennte. (Oder besser sie (wegen Thomas) von ihm.) Ein Brief aus Schweden war bei
ihnen angekommen. Schlussendlich hätte ihm seine Mutter die Wahrheit gesagt und
er, Taylor, hätte sich beinahe augenblicklich auf den Weg hier her gemacht.
Phhuuu,....was für eine „Story“?! Wie
aus einem Film.......
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Gunnar war sogleich nach dem
Frühstück wieder zu ihm gegangen. Wir alle trafen und dann im Restaurant zum
Lunch. Aber etwas später als gewohnt. Damit wir nicht mit Christine und Thomas
zusammen trafen. Wir aßen Steak vom Elch, frittierte Süßkartoffeln und
Champagner dazu. Gunnar meinte, wir hätten schließlich etwas zu feiern.
„Wie handhabt ihr die Sache mit den
anderen Geschwistern?“, fragte ich die beiden. Denn Taylor war gleichwohl den
gesamten Nachmittag bei uns und ist es im Augenblick noch.
„Wir verraten nichts.“, sagte Gunnar.
„Taylor ist nur (m)ein guter Freund.“ Beide grinsten........
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Nun hoffe ich heute auf eine
„ruhigere“ Nacht. Müde bin ich ohnehin schon genug.
Taylor hat versprochen zu gehen, wenn
es mir zu viel werden sollte und wir, Gunnar und ich, zu Bett gehen wollen.