Entgegen all
meiner Vorsätze auszuruhen, blieb ich bis zum Nachmittag mit Derek und Kevin im
Büro. Wartete ab, bis alles erledigt war. Trank Kaffee (mit Sojamilch) und aß
(Dinkel-)Kuchen und wurde Zeugin eines (gezielten) Besuches von Giselle.
Sie verhielt
sich recht vertraut mit Derek, was ihm offensichtlich peinlich war. Was soll
ICH nun daraus schließen? Tat sie es bewusst, um mich zu provozieren?
Vermutlich ja. Denn sie schielte immer wieder zu mir herüber und flirtete dann.
Gunnar kam erst
am späteren Abend. So gegen halb acht. Er fand mich mit meinem Notebook und
erst in diesem Augenblick bemerkte ich, wie hungrig ich war. Seit Kaffee und
Kuchen hatte ich nichts mehr gegessen.
Tja nun, was gab
es zum Dinner? Nicht viel. Hühnchen, Oliven, Obst und Dinkelbrot.
Noch an diesem Abend
fuhren wir beide zu Erik hinaus und bleiben voraussichtlich bis Sonntagabend
hier.
Es mag zwar
etwas wärmer geworden sein heute, jedoch die Sonne kommt nur ab und an hervor.
Heute Morgen hatte es sogar noch geregnet.
Unser Besuch
hier bei Erik dient dem Zwecke Gunnars verstorbener Mum zu gedenken, die seine
Schwester war. Der 13. August war ihr Geburtstag gewesen. Nun erinnern wir uns
heute an sie.
Gunnar scheint
es trotz alledem recht gut zu gehen. Er trinkt mit den Männer Bier. Übertreibt
es bislang allerdings nicht. Was sich am Abend womöglich noch ändern kann. Wer
weiß. Ich werde sehen.
Wanja rief mich
erstaunlicher Weise vor einer halben Stunde an.
„Wie das?“,
fragte ich ihn. „Wo ist deine Frau?“
„Sie ist mit dem
Kind weggegangen.“, antwortete er. „Wo bist du denn? In Schweden?“
„Ja. Seit
gestern.“
„Ah! Und davor?“
„In New Orleans.
Bei Marie.“
Wanja war recht
verblüfft gewesen, dass ich sein Geburtstagsgeschenk noch NICHT angerührt hatte.
„Nun, wie du
weißt, stellte es sich heraus, dass ich erst am 24. August geboren wurde.
Nicht, wie man mich bisher glauben lies im Juli. Es hatte mich ohnehin schon immer
erstaunt, dass die typischen Eigenschaften des Löwen für mich nicht zutreffend
sind.“
Wanja lachte. „Das
kann gut sein. Du bist in der Tat kein Mensch, der gerne im Mittelpunkt steht,
so wie es Löwe-Menschen im Allgemeinen tun. Die liebst eher die Abgeschiedenheit.
Die Ordnung und nicht das Chaos. Meidest Menschenmengen. Ziehst dich lieber
zurück und magst niemanden sehen außer besonderen Personen, die du auswählst.
Und mit deiner Gesundheit steht es auch nicht zum Besten.“
Wanja kannte
mich gut.
„Ja. Gerade heute
quält mich der Schmerz. Die Muskeln am Bauch und auf dem Rücken wollen nicht.
Sie krampfen. Ich habe Mühe mich aufrecht zu halten.“
Wanja räusperte
sich. Er schien verlegen mir etwas sagen zu wollen, was mich offenbar verstimmen
könnte. Zumindest kam es mir so vor Und in der Tat, so war es auch.
„Warum setzt du
dich dann nicht hin? Dafür gibt es Stühle mit Rädern dran. Zumindest ab und an.“
„NEIN! Niemals!“,
widersetzte ich mich. „Meine Beine sind noch in Ordnung.“
„Aber übermäßig
anstrengen, kannst du sie auch nicht mehr.“
„Ich kann
laufen. Ja. Gut einen Kilometer weit. Aber du hast Recht.“, räumte ich nun ein
und wurde versöhnlicher. „Ich werde
rasch müde. Und oft ist es eben das Problem, meinen Körper nur unter großer
Anstrengung aufrecht zu halten. Dazu noch die Nervenschmerzen. Das Brennen und
Ziehen.“
„Wenn ich dir
nur helfen könnte. Alles, mein ganzes Geld würde ich dafür geben, dass es dir
besser geht. Glaube mir.“
„Ich weiß.
Wanja. Ich weiß.“
„Was ist aus den
Imaginationen geworden? Machst du sie noch?“
„Sie kommen
oftmals viel zu kurz.“
„Das ist nicht
gut.“
„Ich weiß.
Wanja. Ich weiß. Meine Disziplin in solchen Dingen lässt nach wie vor zu
wünschen übrig.“
„Heißt es nicht
immer, du musst beständig steuern?“
„Ja. Ich versuch‘
es ja.“
„Das ist zu
wenig mein Herz.“
Mein Herz. Hatte er zu mir gesagt. Ich war über die Maßen erfreut, DAS von Wanja zu hören. Es
bestätigte mir, er liebte mich noch.
„Kümmert er sich
denn auch gut um dich? Dein Mann.“, schwenkte er mit der Thematik um.
„ Ja. Schon.“
„Aber?“
Ich schwieg und
wusste, Wanja…..weiß.
Er schnaufte.
„Ach komm“,
begann ich ihm vorzuwerfen, „damals
warst du nicht besser als Gunnar heute.“
„Hey, hey! So
war das nicht.“
„Wie dann?“
„Du, ich würde
dich wahnsinnig gerne einmal wieder sehen.“ Dieser abrupte Wechsel des Dialoges
ließ mich ahnen, dass unser Gespräch sich dem Ende neigte. „Sag mir einfach Bescheid, wenn du für ein
paar Tag Ferien brauchst, von deinem Mann. Oder wenn er wieder bei einer seiner
anderen Frauen ist. Dann hole ich dich ab,….wenn es mir möglich ist.“
Ich musste
schmunzeln. Ich war doch recht glücklich darüber, ihn eben nicht gänzlich
verloren zu haben.
Und Viggo macht
mir schöne Augen. War überaus erfreut, mich zu sehen.
Jo ist eher
verhalten. Reagiert dezent.
Erik ist wie
immer. Der alte Weise, der alles koordiniert. Im Blick hat, wie man so sagt.
Gunnars Brüder
und seine Schwester Stine werden in der nächsten Stunde ebenso hier erwartet.
Wer Zeit hat…….kommt.
Allerdings, WENN
Erik ruft, sind gewöhnlich alle am Gehorchen. ER ist das Oberhaupt der Familie,
das Gunnar einmal werden wird. Obwohl Gustav doch der Ältere ist.