Gunnar kam kurz
vor elf und entschuldigte sich tausend Mal. Genauso lange hatte ich mit meinem
Notebook gesessen und………gewartet, bis er kam.
Aber egal. Ich
war nicht interessiert an großen Erklärungen. War viel zu müde dafür. Am aller
liebsten wäre ich schon vor zehn zu Bett gegangen, so müde und ausgelaugt war
ich an diesem Tag. Es ist mir alles zu viel. Insbesondere dieses Wochenende war
überaus anstrengend und dann der Montag im Büro. Es mag keine körperliche
Arbeit sein. Aber dennoch ist es stressig und nervenaufreibend. Genau genommen
ist DAS Gift für mich!
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Büro – klingt
banal. Nach sitzen und in Akten blättern. Aber das ist es nicht für mich. Da
geht es um Gewinn oder Verlust und Wirtschaftlichkeit. Im Augenblick
beschreiten wir erneut einen Abstiegskurs. Obwohl sich das Zentrum doch einigermaßen
trägt, schreiben wir seit einigen Tagen rote Zahlen. Was offenbar an einer Art
Misswirtschaft liegt, die allerdings nicht kalkulierbar ist. Wir können nicht
vorab wissen, was die Gäste bestellen und daher gibt es bedauerlicher Weise
gerade im Verpflegungssektor zu viel, was unangerührt entsorgt werden muss.
Dann sind derzeit überdurchschnittlich viele Reparaturen. Es geht so viel
kaputt, was repariert oder neu gekauft werden muss. Ob Kommunikationsanlagen
oder die Umzäunung, Geräte für den Wellness- und Sportbereich, Firmen eignen
Wagen, oder die Klimaanlagen und Wasserleitungen. Alles ist unter ständiger Wartungsbedürftigkeit.
Schnauf.
Vielleicht
sollte ich von Wanjas Geburtstagsgeschenk kein Haus auf Hawaii kaufen, sondern
das Geld doch besser für das Zentrum verwenden. Würde er damit einverstanden
sein? Es wäre abermals die Rettung……..
Die Bedenken und
der Kummer um die eigene Finanzlage betrifft nicht nur Begüterten. Auch wir
haben so manchmal unsere Sorgen und Nöte. Und entgegen meiner Konditionierung
die besagt - Über Geld spricht man nicht. Man hat es. – klage ich gelegentlich.
Aber egal. ICH
schaffe das schon!
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Trotz meiner
Müdigkeit saß ich noch etwa eine Stunde mit meinem Notebook, wägte Ausgaben und
Investitionen gegen Einnahmen ab. Sprach mit Gunnar darüber und erinnerte mich
an Kevins Satz: `Warum keine arabischen Gäste. Wir haben Anfragen zu Hauf aus
diesen Ländern. Wir brauchen das Geld. Wir sind ein Unternehmen und können uns
keine Moralitäten und Entscheidungen nach eigenen Befindlichkeiten leisten.
Zumindest nicht mehr.´
Ich hatte mich
Kevin widersetzt und energisch auf mein eigenes Konzept hingewiesen. Und das
ich keineswegs gewillt bin, davon abzuweichen. Gleich, was auch geschehen mag.
Er hatte nur die
Stirn gekräuselt und tief Luft geholt. Jedoch nicht weiter widersprochen.
Ich weiß ganz
genau, dass er in dieser Hinsicht ebenfalls meiner Meinung ist. Keine Muslime.
Keine Scheichs, keine verschleierten Frauen im Zentrum! Ausnahmen gibt es
nicht. Nur Konsequenz. Punkt.
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Der heutige
Dienstag war erneut ein arbeitsreicher Tag für uns alle. Ich nahm kaum jemanden
wahr. Den Abschied von Gunnar bemerkte ich kaum. Mein Hirn war bereits beschäftigt.
So korrekt und
höflich wie ich am Tag zuvor mit Derek war, als er mit der klagenden Giselle
den Firmenwagen nahm, um sie ins Hospital zu fahren, rumorte nun heute in mir
der Zorn, DAS er es tat. Ich würdigte ihn kaum eines Blickes. Da war ein Gefühl
des gekränkt seins in mir, welches ich nicht zu verbergen vermochte. Ich ging
mit ihm um, wie mit jedem anderen. Nicht wie sonst. War abweisend und distanziert.
Er äußerte sich nicht dazu. Nahm es stillschweigend hin. Und erneut verließ er
uns am frühen Nachmittag, um Giselle im Hospital zu besuchen.
WAS sollte das
denn werden? Fühlte er jetzt etwa doch eine gewisse Verantwortung?
Wäre ich ein
Mann gewesen, hätte er meine Faust gespürt.
OHO! Bin ich
etwa eifersüchtig? Bedeutet dies, dass mir Derek tatsächlich etwas bedeutet? Oder
wäre er nur der Lückenbüßer, der mir dann fehlt.
Das sind harte
Worte und ich gehe gleichwohl streng mit mir ins Gericht. Denn ich empfinde
stets Mitgefühl, insbesondre in Situationen, wenn Derek sich Zeit mit mir
verspricht und dann enttäuscht wird, wenn Gunnar doch zu mir kommt. Es muss
schwer sein für ihn und ich verstehe gleichwohl sein Verantwortungsgefühl für
Giselle. Obgleich es alleinigst ihre Entscheidung war, ein Kind von Derek zu
bekommen. Bindet sie ihn damit?
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Gunnar kam recht
früh zurück, was mich verwunderte. Er schien nervös zu sein. Blieb eine Stunde
und kam dann zu mir hin mit dem Satz: „Es tut mir leid, aber ich muss noch
einmal nach Stockholm fahren.“
„Was soll DAS
denn? Warum?“, fragte ich verärgert nach.
Gunnar
antwortete nicht. Verzog das Gesicht.
„Alexa?“
Er nickte.
Das gab mir
Zeit, um mit Marie zu telefonieren. Aufhalten konnte ich Gunnar so wie so
nicht.
Noch ein kleiner
Spaziergang. Er tat Not, um meine Gedanken zu ordnen. Insbesondre auch nach dem
Gespräch mit Marie, die mir zum tausendsten Male Geschichten erzählte, die ich
bereits kannte.
Und im Netzt
findet man nur Horrorgeschichten über Krieg. In Deutschland wird sogar die Bevölkerung
aufgerufen, sich Vorräte für einige Tage zuzulegen.
Nimmt dieses
Schüren der Angst denn immer noch weiter zu? Oder sind die Manager der Food-Ketten
noch gieriger geworden?
Und noch eine
ganz andere Überlegung durchstreift diesbezüglich mein Hirn. Die Menschen essen
mehr und mehr bewusster. Will man sie damit nötigen Lebensmittel zu kaufen, die
sämtliche Konservierungsstoffe enthalten? Denn irgendwann müssen die gekauften
Sachen schließlich aufgegessen werden. Sei denn, man wirft sie weg. Denn ewig
haltbar ist kaum etwas.
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Gerade gedachte
ich zu schreiben, dass Gunnar noch immer nicht wieder bei mir ist, als er soeben (mit guter Laune) zur Tür herein kam.
Ich stutzte. „Gefickt?“
Er lachte. „Ja.
Das auch.“
„Bedeute was?“
Gunnar verzog
das Gesicht. Jedoch sein Lächeln blieb darauf haften. „Ich traf Siv und fragte
sie, ob….“, hier stockt er kurz, „….na du weißt schon was.“ Nun grinste er und
zwinkerte mir verschwörerisch zu, als müsste ich wissen, was er meint.
Natürlich wusste
ich es.
„Werdet ihr euch
treffen?“
Er hob lüstern
Blickes die Augenbrauen. „Ja.“
„Wann?“
„Am Donnerstag.“
Ich setzte eine leicht
spöttelnde Miene des Bedauerns auf. „Das wird Alexa nun überhaupt nicht
erfreuen.“
„Ja ich weiß.
Ich weiß.“, antwortete er zügig.
„Warst du etwa
deshalb gestern und heute bei ihr?“
Verlegen biss
sich Gunnar auf die Lippe und zog das Kinn nach hinten. „Kann schon sein.“
„Weiß sie es?“
„Nein.“