Montag, 29. Dezember 2014

Das Für und Wider und kein Ergebnis in Sicht



Es ist mit Sicherheit nicht zu erwarten gewesen, eine derart weit reichende Entscheidung für uns alle, samt Personal, innerhalb weniger Tage zu treffen.
Das war und ist uns allen mehr als einleuchtend.

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Familienrat
Nun, es steht mir schlicht und einfach nicht zu so gänzlich im Alleingang, über die Köpfe aller hinweg, zu entscheiden, was mit dem Zentrum geschehen soll. Infolgedessen luden wir zu aller erst und selbstverständlich Christine, Thomas sowie Erik dazu ein.
Erik sprach sich als ersten gegen einen voreiligen Verkauf der Immobilien aus. Selbst Thomas gab zu bedenken, dass es trotz aller derzeitigen Unannehmlichkeiten weise wäre, vielleicht doch noch einmal eine Weile durchzuhalten und abzuwarten. Christine war den Tränen nahe, alldieweil ihr Traum sich nunmehr in so kurzer Zeit in Luft aufzulösen drohte.
„Warum? Warum? Warum?“, fragte sie so derart verzweifelt in den Raum hinein, ohne eine wirkliche Antwort darauf zu erwarten. „Das kann doch einfach nicht schon alles gewesen sein?!“
„Womöglich geben sie doch noch auf und lassen uns in Ruhe.“, sagte Gunnar Gedanken versunken und an der Nuance des Tones, wie er die Worte aussprach, bemerkte ich, dass er selbst nicht daran glaubte.
„Leute, gebt nicht so schnell auf. Ihr wisst doch wie das ist. Die Zauber wirken. Aber niemand vermag zu sagen wie und wann.“
Ein einheitliches Schnaufen stellte sich ein und ging von einem zum anderen.
„Hast du keine Meinung dazu Rea?“, fragte Gunnar mich schließlich, alldieweil ich noch keine Äußerung zum Thema tat. „Oder bist du einfach nur froh darüber, dass dein Vater, oder sollte ich besser Onkel sagen, dir vergibt und dich in den Schoß der Familie zurück zu holen gedenkt?“
Ich warf Gunnar einen eisigen Blick zu und schwieg.
Sicher war ich einerseits glücklich darüber, von meinem Vater, der nicht mein Vater ist, ein derartiges Angebot zu bekommen. Ohnehin war es erstaunlich, dass meine Eltern, die nicht meine Eltern sind, doch noch bereit waren, nach ihrer Androhung mich endgültig fallen zu lassen, sich für uns einzusetzen. Oder, uns zumindest unterstützen zu wollten. Was mich ohnehin erstaunte. War da etwa ein „Pferdefuß“? Wollten sie etwa, dass ich scheitere? Aber warum? Konnte es ihnen nicht völlig gleichgültig sein? Ging es mir nicht bereits kränklich und beschissen genug? Wäre es da noch nötig Spielchen zu zelebrieren? Ich vermute....eher nicht. Aber was weiß ICH schon, was in den Köpfen anderer Menschen, gleichwohl es meine Familie sein mag, vor sich geht.
„Gunnar hat Recht.“, begann seine Mutter in kapitulierendem Tonfall. „Am Ende entscheidest du was geschieht.“
Ich atmete tief und hörbar und schüttelte dann mit dem Kopf. „Es geht hier um so viele Existenzen, mit denen man nicht leichfertig spielen kann. “Ich blickte in die Runde und sah, wie plötzlich alle Augen auf mich gerichtet waren. „Im Augenblick scheint es unerträglich zu sein und ebenso, dass wir alles verlieren. Andererseits wäre es klug, sich die noch angebotenen, sowie die bestehenden Optionen genauestens anzusehen.“
„Was sagen denn die Advokaten?“, warf Erik ein.
Gunnar grinste. „Wir sind am Ende. Haben Schulden und sind auf uns allein gestellt. Da Reas Vater uns offensichtlich fallen lässt, wenn wir gedenken am Zentrum festzuhalten.....so wie so.“
„Nicht immer so negativ mein Junge.“ Eriks tiefer, männlicher Bariton hallte durch den Raum.
„Niemand kann wissen, was richtig ist. Egal was wir tun. Wir können in jedem Fall scheitern.“ Ich zuckte mit den Schultern und wartete auf eine Resonanz, die sich gleichwohl einstellte.
„Mädchen“, begann nun auch Thomas sich ins Szenario einzubringen, „nichts, absolut nichts ist sicher. Es ist gleichgültig, was du tust. Es kann schief gehen, oder auch nicht. Jede Option hat irgendwo einen Pferdefuß. Und kein Weg, kein Ort ist wirklich perfekt.“
„Wozu dann gehen?“, formulierte ich eine Frage, doch eher für mich selbst als Festhellung. „Wir müssen tatsächlich alle möglichen Optionen genauestens anschauen und uns nicht voreilig für einen favorisierten Weg, der einfacher als die anderen erscheint, entscheiden. Wir brauchen Zeit.“
Ich sah zu Christine hinüber und nickte ihr zu.
„Ja. Genau.“, meldete sich nun auch Thomas noch einmal zu Wort. „Wir nehmen uns Zeit.“
„Und vor dem Neuen Jahr, passiert gar nichts.“, gab Gunnar ein vermeintliches Schlussplädoyer.
Eine Weile lang saßen alle ganz still. Waren in uns gegangen und hingen unseren Gedanken nach. Bis nach etwa drei, vier Minuten Christine noch einmal zu bedenken gab: „Trotz alledem müssen wir wissen, wie es im Januar erst einmal weiter geht.“
„Nun gut.“, nahm ich das Heft jetzt in die Hand und gab die Richtung vor. Zu allererst jedoch wandte ich mich Gunnar zu. „Ich weiß, du magst Schweden nicht verlassen. Das ist mir durchaus klar. Auch ich habe, vor allem hier, eine Heimat gefunden, die mir Deutschland nie war. Aus diesem Grund werde ich noch einmal mit meinem Vater reden, ob er dich nicht in einer seiner Filialen hier in Schweden einen Job geben könnte.“
„Soweit sind wir noch lange nicht.“, verwehrte sich Gunnar rasch. Und ich bemerkte ebenso schnell, dass ihn diese Option nicht wirklich zusagte. „Zuerst aller erst sollten wir versuchen das Zentrum zu halten. Meinst du nicht auch?“
„Ja. Natürlich. Genau das möchte auch ich. Das hat Vorrang. Ich weiß.“ Gunnar schien vorerst zufrieden mit meiner Antwort zu sein. Dennoch sah ich, wie sich seine Kiefermuskeln unruhig bewegten.
„Trotz alledem müssen wir in alle möglichen Richtungen schauen.“ Ich ließ einige Sekunden vergehen und sah jedem der Anwesenden kurz ins Gesicht, um zu erahnen, wie ihre Stimmung war, oder was sie dachten. „Das Herz wird mir schwer, wenn ich daran denke diesen Ort zu verlassen. Mein Haus, dass ich nach meinen Wünschen und Vorstellungen erst vor kurzem bauen ließ. Ich will nicht gehen, oder leichtfertig aufgeben.“ Erneut sah ich mir die Mimik der Anwesenden an, bevor ich weiter sprach. „Gunnar und ich werden uns noch zwei oder drei Häuser hier in Schweden ansehen, bevor wir den Schritt nach Deutschland wagen. Sofern noch Geld übrig bleibt, sie zu erwerben.“ Versuchte ich einen eher kläglichen Scherz zu machen, der aufheitern sollte. Aber misslang.
„Verkaufen wir das Zentrum, kann ich nicht bleiben.“ Christine war die Verzweiflung ins Gesicht geschrieben. „Niemand von uns kann dann bleiben.“
„Warum kommt ihr nicht zu mir?“, fragte Erik plötzlich und eröffnete somit eine völlig neue Option.
„Was? Wir alle?“, versuchte ich erneut die Runde aufzuheitern. Was dieses Mal gelang.
„Nein. Aber ihr als Familie, könnt bei mir wohnen. Vielleicht als eine Art Zwischenstation. Falls es keine Möglichkeit gibt das Zentrum zu halten und als Chance, als Überbrückung für genügend Zeit, um wirklich richtig hinzuschauen, welchen Weg ihr am Ende geht.“
Thomas, mir und sogar Christine, war dieser Gedanke offensichtlich unangenehm. Gunnar zog die linke Augenbraue nach oben. „Und was ist mit Viggo?“
„Was soll mit ihm sein? Ein bisschen Ablenkung und Gesellschaft tut ihm sicher gut.“
„Ahhh. Das ist der Grund.“
„Nein. Natürlich nicht. Ihr seid als Familie alle in jedem Fall willkommen. Tut es, oder lasst es. Ich habe es euch angeboten.“
„Okay.“, sagte Gunnar und hob die Schulter. „Warum eigentlich nicht? Erik hat Recht. Es ist ebenfalls eine gute Option.“
„Ich würde dann doch lieber hier bleiben, bis wir endgültig entschieden haben.“, sagte Thomas und wir alle waren erstaunt.
„Was ist?“ Er vermochte unsere Verwunderung offensichtlich nicht zu verstehen.
Christine sah ihn nun zornig an. „Vielleicht nimmst du deine Schlampe mit.“
Ups! Sie wusste offenkundig doch Bescheid über Natasha.
„Mutter. Bitte. Lass das jetzt!“
„Nun. Du wärest in einer ähnlichen Situation. Nicht wahr?“, stimmte ich in Christines Melodie mit ein und ich wusste, dass dies nur schief gehen konnte.
„Ja. Natürlich. Nehmen wir doch alle unsere Liebhaber und Konkubinen mit.“
Nun regte sich gleichwohl in mir der Zorn. „Ich liebe Derek nicht? Und auch niemand anderen. Ich liebe nur dich Gunnar. Das weißt du genau!“
„Ich liebe ebenfalls nur dich Rea. Auch DAS weiß du genau. Lara ist nur ein austauschbares Mädchen.“
„Ach ja? Und warum fühlst du dich ihr gegenüber verpflichtet? Ähnlich wie bei Malika?“
Gunnar schnaufte. „Weil ich sie mag. Beide.“ Gunnar hob den Zeigefinger und gebot mir somit zu schweigen. Alldieweil er sah, dass ich bereits zum Sprechen angesetzt hatte. „Mag sein, dass ich mich für sie verantwortlich fühle. Was nun an sich in der Tat nichts Übles ist. Das bedeutet aber noch lange nicht, dass ich sie liebe. Verstehst das Rea.“
„Schluss damit!“, beendete Erik unsere kleinliche Diskussion um die jeweiligen Betrügereien. „Wir haben hier weit Wichtigeres zu tun!“
„Ja. Aber nicht mehr heute.“, sagte Gunnar eher gedämpft jedoch mit Nachdruck. Ihm schien das alles jetzt zu langwierig zu werden. Er rappelte sich auf, verließ seine nachdenkliche und resignierend aussehende Position. „Okay. Im Augenblick können wir nichts tun. Wir drehen uns im Kreis mit unserer Debatte. Feiern wir doch einfach  Sylvester. Veranstalten noch einmal ein großes Fest. Mag dann werden was will.“
Die Männer lächelten. Sie denken stets ein wenig kurz. Christine und ich vermochten dennoch nicht unsere Mundwinkel nach oben zu ziehen. Stimmten Gunnar jedoch trotz alldem und für den Augenblick zu.
Alles in allem war es spät geworden und die Runde löste sich im Nu auf.
Wir gingen etwa gegen halb zwei zu Bett und......nichts weiter.........
Gleichwohl heute ist nichts Außerordentliches geschehen. Außer, dass Gunnar bis eben bei Lara war.
And now, we go for the late brunch.