Samstag, 13. Februar 2016

Aneinander wachsen



Ich sitze hier im Fitnessstudio und beobachte meine beiden Männer, wie sie ihre Muskeln stählen. Aber ich greife dem Lauf der Geschichte vor.

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Wenn es mir nicht gut geht (so wie jetzt), ziehe ich mich für gewöhnlich zurück (wie ein krankes Tier) und wünsche mir, dass mich die Menschen in Ruhe lassen. Ich rede nicht viel. Mag niemanden sehen und tue, was eben getan werden muss. Nichtsdestotrotz gönne ich mir dann (wenn möglich) DIE Dinge, die mich erfreuen. Die mich ein wenig glücklich machen.
Ich mag nicht über Krankheiten sprechen. Es hört mir ja doch keiner zu,....im Gegensatz zu mir, die ich stets ein offenes Ohr für die Meisten habe.
Allerdings ist das Reden über Krankheiten keine gute Energie. Es sind schlechte Mantren, welche eine nur noch tiefer in die Kränklichkeit ziehen. DAS braucht man nicht!
Ich kann Dich da sehr gut verstehen.“

Ein Kommentar, den ich schrieb, zu folgendem Post:
Kleinen Cappuccino beim Bäcker. Die Leute um mich herum, reden nur von Krankheiten, Krankenhaus, Pflegeheim, Reha, Sterben, schwere Arbeit und Trennungen. Niemand lächelt. Ich genieße meine kleine Abwechslung und fühle mich mehr als anders. Ja auch ich hätte vielleicht gerade Grund zu Klagen, finde aber in allem, was gerade geschieht oder eben gerade nicht geschieht „smile“-Emoticon immer das Schöne, das Gute, das Sinnvolle dem Leben zugewandte. Es ist wie es ist. Gut.
Ju


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Ich war doch noch im Büro bis fünf. Ging dann allein zurück zum Haus. Derek war ins Fitnesscenter gegangen. Allerdings wusste ich, dass Gunnar unterwegs zu mir war. Er hatte mich angerufen vom Flughafen aus.
Als er dann endlich kam, begrüßte er mich leidenschaftlich. Offenkundig war er tatsächlich glücklich, mich wieder zu sehen. Was selbstredend mein Herz erfreut. Obgleich mir doch verborgen blieb, was er am gestrigen Abend und in der Nacht so trieb. Oder eben nicht? Wer weiß das schon. Japaner befinden es für unangebracht „Geschenke“ abzulehnen. Welcher Art diese auch immer sein mögen. Infolgedessen fragte ich ihn in einem günstigen Augenblick.
„Fremd gefickt?“ Was genau genommen oft unsere/meine Frage ist, wenn er von irgendwoher zurückgekommen war.
Gunnar lachte. Es kam kein eindeutiges und rasches NEIN. Was mich ahnen ließ, dass da etwas nicht stimmte.
„Und du?“
„Bekannt.“
„Ah! Natürlich. Und? Wie war’s?“
„Angenehm.“
Er war erstaunt. „Okay.“ Dennoch gedachte ich ihm nicht zu gestehen, dass ich von seinem Stelldichein mit dieser Casandra wusste. Denn genau aus diesem Grund, hatte ICH keinerlei schlechtes Gewissen.
Er nahm mich noch einmal in den Arm und strich mir mit dem Rücken seiner Hand über die Wange. „Wie geht es dir denn?“
Ich schnaufte. „Ich denke möglichst nicht daran.“
„Ist es schlimmer geworden?“
„Nein. Die Beschwerden verlagern sich nur ständig. Mein ganzer Rücken fühlt sich merkwürdig an.“
„Möchtest du nicht doch lieber zu einem Arzt?“
„Nein. Vielleicht nächste Woche, FALLS es NICHT besser wird. Wir werden sehen.“
„Okay.“, erwiderte er ernst.
„Also was nun? Fremd gefickt?“, fragte ich zum wiederholten Male und fixierte meinen Ehemann.
Gunnar schnaufte ein wenig und hob die linke Augenbraue. Was tatsächlich nicht Gutes zu verheißen schien. „Du kennst doch die Japaner. Der Geschäftsabschluss wurde natürlich mit einer Feier und Geschenken besiegelt, welche ich NICHT ablehnen konnte. Hätte ich es getan, hätte man mir das als Schwäche ausgelegt und ich hätte in deren Augen mein Gesicht verloren.“
„Wie sahen die Geschenke aus?“
„Gut.“ Er grinste.
„Haben sie dir deine Wünsche erfüllt?“
„Selbstverständlich. Dafür waren sie doch da.“
Nun hätte ich genau genommen sauer sein sollen. Nur konnte ich das nicht. Schließlich war auch ich mit einem anderen zusammen gewesen. Also beließ ich es dabei und versuchte........zu vergessen.
Ich wendete mich dem Schreiben zu. Ignorierte für eine Weile meinen Ehemann. Obgleich ich doch glücklich war, dass ich ihn endlich wieder bei mir hatte.
Nach einer Weile kam Gunnar von hinten an mich heran. Umfing mich erneut mit seinen Armen und drückte mich an sich.
„Sei nicht böse. Ich bin es ebenso wenig. Vergiss es einfach. Es hat keinerlei Relevanz. Wir wollen doch nicht streiten.“
Ich räusperte mich und nickte dann. Was blieb mir auch anderes übrig.

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Wir beide hatten noch Einiges an unseren Notebooks zu erledigen. Anschließend, gegen halb acht, das gemeinsame Dinner im Restaurant.
Ich fühlte mich so kraftlos und Übelkeit plagte mich. Keine gute Voraussetzung.
Wir blieben nicht lange und gingen zurück zum Haus. Sex gab es keinen. Weder am Abend noch am Morgen. Wir hatten ein wenig ferngesehen und uns noch einmal über die Geschenke unterhalten. Ich gedachte genauer zu wissen, WELCHE seiner Gelüste und Neigungen sie ihm erfüllt hatten.
„Alle.“, erwiderte er zu Beginn als Sammelbegriff.
„Erzähl’ mir doch etwas darüber.“, bat ich meinen Ehemann, der mich mit hoch gezogener Braue von der Seite her, mit einem zweifelnden Blick bedachte.
„Du bist dir sicher?“
„Ja. Was könntest du mir sagen, was ich nicht bereits weiß, oder gesehen hätte.“
Er lachte ein wenig zynisch und begann.
Es waren zwei japanische Frauen, wie er sagte und von zahlreichen Spielzeugen war die Rede. Also NICHTS, was ich nicht kannte. Die Eine hätte er so richtig durchgefickt (Gunnars Worte!). An dieser Stelle kam der sadistische Teil von ihm durch. Dann wechselte er über zum Masochisten mit einer Domina, die ihm den Schwanz auspeitschte und seinen „Hintern“ verwöhnte.
„Alles in allem eine sadomasochistische Session. Wie du sie sonst mit Siv und ihren Schwestern betreibst.“, sagte ich fast emotionslos und kühl, als reine Feststellung. Gerade so, als würde es mich nicht weiter berühren. Und auch Gunnar redete darüber, als wäre es eine Sache, die sich eben ereignet hätte und....nichts weiter.
Aber auch DAS kannte ich schon und wusste, dass es ihm in der Tat nichts weiter bedeutete, wie die Befriedigung seiner sexuellen Bedürfnisse. Was ich versuchte nachzuvollziehen. Denn auch ICH vermochte Sex und Liebe ganz gut zu trennen. Allerdings gelang es mir nicht immer. Denn Derek mochte ich tatsächlich.
Und auch Gunnar fragte mich Einiges, was das Zusammensein und den Sex mit Derek betraf. Es war erstaunlich. Denn DAS hatte er noch NIE getan.
„Was gefällt dir so an ihm und wie er es macht? Wo liegt der Unterschied zwischen uns beiden?“ Usw......
So brachte er mich dazu, zu vergleichen und ihm recht nüchtern mitzuteilen, wie ich meine beiden Männer so empfand. Was genau genommen beinahe einer psychologischen Einschätzung glich. Denn es ging dabei nicht ausschließlich um sexuelle Belange. Sondern ebenfalls um den Menschen an sich.
Derek ist ohne Frage der gefühlvollere Typ. Mit viel Einfühlungsvermögen und Zärtlichkeit. Gunnar ist anscheinend manchmal nur darauf bedacht, seine Bedürfnisse zu befriedigen. Obgleich er doch stets ebenfalls auf mich achtet. Er ist eindeutig härter als Derek beim Sex. Die gefühlvollen, normalen Dinge liegen ihm nicht ganz so sehr. Derek ist da doch eher einfach gestrickt. Er benötigt keine zusätzlichen Stimmulanzien. Nur mich. Was ich doch an ihm zu schätzen weiß.
„Du bist von deinem Wesen her oft so kühl. Auch ein wenig herber als er.“, gestand ich Gunnar ganz einfach.
Er hob die Brauen und sah mich verwundert an. „ICH bin KÜHL? Aha.“ Er lachte. „Du meine Güte! Wir sind jetzt fünf Jahre verheiratet und die Frau findet mich......KÜHL. Aber ich kann doch auch sehr leidenschaftlich sein?“
„Ja. Natürlich. Beim Sex. Ich weiß. Aber von deinem Wesen her bist du......mit WAS könnte ich es nur vergleichen? Es fällt mich gerade nichts ein.“ Ich dachte noch einige Sekunden angestrengt nach. „Vielleicht in dem Ausdruck deiner Gefühle nicht so feingliedrig. Du magst feurig sein, auch gelegentlich aufbrausend, deinen Willen absolut vertretend und wenn du einiges getrunken hast scheinst du fast unbesonnen, auf Physis setzend. Setzt deine Stärke ein. Es ist dir dann wichtig, aus dir raus zu gehen.“
„Macht er das nicht?“
„Ich habe Derek noch nie betrunken erlebt.“
„Vermeidest du es deshalb mit mir zusammen zu sein, wenn ich auf Partys gehe und trinke?“
„Ja. Ich mag dich nicht SO sehen.“
Gunnar stutzte.
„Aber ich glaube“, redete ich weiter,  „ich habe dir das bereits vor einiger Zeit schon einmal gesagt. Allerdings ist es eine Weile her. In letzter Zeit hattest du doch stets deine Bekleidung auf etwaigen Festen.“
„Alexa?“
„Ja. Hast du sie mittlerweile erreicht?“
„Ja.“
„Und? Was sagst sie?“
Gunnar räusperte sich. „Ich denke, sie wird wieder kommen. Sie brauchte anscheinend nur eine kleine Auszeit, wie sie sagte. Allerdings hält sie sich mit Erklärungen sehr zurück. Weicht aus.“
„Was gibt sie an, zu der Liebe, die sie zu dir fühlt?“
„Sie sagt, dass sie mich liebt.“
Wie du das ausdrückst, scheinst du ihr dies nicht wirklich abzunehmen?“
„Doch schon.“
„Aber?“
„Da ist neuerdings so ein Unterton, welchen ich noch nie bei ihr hörte.“
„Hast sie womöglich jemand anderen kennen gelernt?“
„Nein. Das glaube ich nicht.“ Und ICH konnte es kaum glauben, dass ich mich so ganz spröde und ungeziert mit meinem Ehemann über seine Geliebte unterhielt. Schluss damit. Dachte ich so. Jedoch die Unterhaltung ging noch eine Weile weiter und genau genommen tat es gut, sich einmal richtig, über alles, auszusprechen. Gunnar schien diese Konversation ebenfalls nicht unangenehm zu sein. Ich sah, wie er, wenn auch vorsichtig, so manches Mal die Worte genau wählend, erleichtert war, mit mir darüber reden zu können. Ich vermute, genau DAS schätzt er gleichwohl an mir. Andere Frauen wären dazu wahrscheinlich kaum in der Lage. Vor allem, dabei so abgeklärt und ruhig zu sein/zu bleiben.

So wurde es ein angenehmer, langer Abend für uns beide. Heute Morgen schliefen wir aus. Räkelten uns noch lange, bevor wir das Bett gegen zehn verließen. Es war kalt und ich hatte nicht das Verlangen nach draußen zu gehen. Infolgedessen frühstückten wir im Haus.
Der Tag verlagert sich so nach hinten. Und der Lunch auf zwei Uhr.
Anschließend doch noch ein Stück gehen. Es ist sssooooo schön, meinen Ehemann bei mir zu haben. Wir bleiben beide übers Wochenende hier. Allerdings nächste Woche wird es kompliziert. Siv hat Geburtstag und Gunnars Bruder Carsten ebenfalls. Da stehen erneut die Partys an (die NICHT in meinem Interesse sind und die ICH nicht mag). Gunnar hat mich gebeten, wenigstens mit ihm zu Carsten zu kommen. Nur gedenke ICH mich der Begegnung mit dessen Freundin und ihrer Familie NICHT auszusetzen! Womit erneut unsere Interessen auseinander gehen.
Schade......eigentlich.

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Da ich bei Gunnar sein wollte, stimmte ich zu und begleitete ihn zum Fitnesscenter.
Dort traf ich Derek. Und ich fühlte mich (ebenso!) zu IHM hingezogen. (Er küsste mich, trotz Gunnars Anwesenheit, kurz auf die Lippen.) Was der Beweis für mich ist, dass ich zwei Personen/Männer lieben kann. Jeden, auf seine Weise. Kevin ist jedoch ebenfalls nicht zu vergessen. Ich empfinde noch immer viel für ihn. Bei Ian bin ich mir nicht sicher. Meine Gefühle zu ihm, scheinen sich derzeit auf Leidenschaft reduziert zu haben. Aber ich vermute, das liegt gleichwohl an ihm.
Wanja ist eine ganz andere Hausnummer. Ich werde ihn wohl immer lieben. Ihn nie vergessen. Offensichtlich war er die größte, oder es die intensivste Liebe, die ich je für einen Mann empfand. Felicio......habe ich (bewusst) vergessen. Und an Jack möchte ich nicht mehr denken. Er war ein gewalttätiger Säufer und Egoist.

Wenn ich so darüber nachdenke, finde ich es alles in allem überaus angenehm, mit Gunnar so reden zu können. Und Gunnar empfindet offenkundig das Gleiche.
Ich denke, es ist ein Prozess der gegenseitigen Entwicklung, wenn man lange Zeit mit EINEM Partner zusammen ist. Man wächst aneinander.