Freitag, 15. August 2014

Eine Frage der Contenance



Des Lebens Drama ist mein Spiel mit der Contenance.
Was sollte ich sonst anderes tun, als die Haltung zu wahren?
Die „gute Miene zum bösen Spiel“ vor zu täuschen und ebenso um meiner selbst Willen zu akzeptieren, zu billigen, anzunehmen, mich zu arrangieren mit den Umständen, welche nun einmal und vorerst nicht zu ändern sind.

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Entschluss
Im „Fall Natalja“ und überhaupt entschloss ich mich „Flagge“ zu zeigen. Zu demonstrieren, wie sehr wir uns lieben, Gunnar und ich, und wie glücklich wir miteinander sind.
Was bringt es mir zu schmollen? Mit Gunnar böse zu sein? Ich würde vermutlich nur das Gegenteil erreichen.
Allerdings denke ich noch darüber nach, WIE ich nun mit Natalja umgehen soll. Für den Augenblick bemühe ich mich trotz alldem, mir nichts anmerken zu lassen und weiterhin freundlich zu ihr zu sein.
Sprach sie mich doch nach dem gestrigen Dinner an: „Hat Gunnar mit dir geredet?“
„Ja. Hat er.“, erwiderte ich knapp aber manierlich.
Sie sah mich forschend an und hoffte offensichtlich auf eine ausführlichere, wohlwollende und verständnisvolle Antwort. Ich lächelte sie jedoch nur mitfühlend und würdevoll, jedoch immerhin noch freundschaftlich (und fair) an, während ich mir meinen Mantel überzog.
„Und?“, fragte sie dann doch noch ein wenig zaghaft, als ich mich bereits zum Gehen der Tür und ihr den Rücken zugewandt hatte.
Abgeklärt, mit erhobenem Kopf und ein wenig majestätisch, wendete ich mir ihr (gönnerhaft, überlegen und gnädig) noch einmal zu: „Und was?“, sagte ich in ruhigem Ton und lächelte ihr gelassen entgegen.
„Ich will es behalten.“
„Ich weiß.“
„Was wirst du tun?“
„Es ebenfalls als mein Kind ansehen, weil es Gunnars ist. Wie ich es gleichermaßen mit Inula Castanea und Óðinn Aron halte.“
„Wir sind also doch noch Freundinnen?“, flogen die Worte beinahe überschwänglich aus ihrem Mund und ihre Arme umschlangen mich. Drückten mich an sich. „Danke.“, sagte sie leise. „Ich wünsche mir so sehr ein Kind. Ich will es mir nicht wegmachen lassen.“, was doch annähernd so klang, als hätte sie es nicht „beabsichtigt“.
Wenn sie doch nur wüsste, was tatsächlich in mir vorgeht. Was ich ihr selbstredend tunlichst verschweigen werde. Schließlich gilt es die „Contenance“ zu wahren. Die Etikette. Das Ansehen. Es würde sich für mich nicht ziemen „aus der Rolle zu fallen. Es wäre unangemessen meinen Zorn und meiner Wut in der Öffentlichkeit, oder Natalja gegenüber Ausdruck zu verleihen. (Was ich, um ehrlich zu sein, am aller liebsten tun würde! Und nicht nur das. In meinem düstersten Inneren denke ich sogar darüber nach das Kind oder sie zu töten.)

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Anstand
Am aller liebsten würde ich mich, zur Ablenkung, mit der Reiseroute beschäftigen.
Der Ausgangsort wird ohnehin Berlin sein, wohin uns Marie, die Zwillinge, Inula Castanea und Óðinn Aron und Henrik begleiten werden. Nur vorher muss ich mit meinen Eltern reden. Sie zumindest in Kenntnis davon setzen, dass wir sie alle besuchen kommen. Das gebietet der Anstand.
Gunnar kennen sie noch nicht. Aber Marie.

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Weitere dramatische Ereignisse gab es in den letzten Stunden glücklicherweise nicht. So dass ich genau genommen zu Emilia Stephansdottir gehen könnte, um ihr meine Entscheidung mitzuteilen. Andererseits hatte Gunnar diesbezüglich angemerkt doch Gnade vor Recht ergehen, und sie schlicht und einfach links liegen zu lassen.
„Sie behelligt dich doch nicht. Wenn du dich nicht weiter um sie kümmerst.“, sagte er zu mir.
Ich dachte über Gunnars Worte nach und fand, dass er damit tatsächlich nicht falsch liegen konnte.
Nun gut. Mag sie bleiben. Jedoch bitte in gebührendem Abstand zu mir!
Und was tue ich mit den „Clan-Schwestern“? Lasse ich auch sie bestehen? Snezana scheint ein würdiges, sich aufopferndes Oberhaupt zu sein. Also, warum auch nicht hier Großzügigkeit walten, und den Clan der Bären-Schwestern bestehen lassen.

Ich finde, ich habe eine Anerkennung, einen Bonus in Höflichkeit und Haltung verdient.