Des Lebens Drama ist mein Spiel mit der
Contenance.
Was sollte ich sonst anderes tun, als
die Haltung zu wahren?
Die „gute Miene zum bösen Spiel“ vor
zu täuschen und ebenso um meiner selbst Willen zu akzeptieren, zu billigen, anzunehmen,
mich zu arrangieren mit den Umständen, welche nun einmal und vorerst nicht zu
ändern sind.
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Entschluss
Im „Fall Natalja“ und überhaupt
entschloss ich mich „Flagge“ zu zeigen. Zu demonstrieren, wie sehr wir uns
lieben, Gunnar und ich, und wie glücklich wir miteinander sind.
Was bringt es mir zu schmollen? Mit
Gunnar böse zu sein? Ich würde vermutlich nur das Gegenteil erreichen.
Allerdings denke ich noch darüber
nach, WIE ich nun mit Natalja umgehen soll. Für den Augenblick bemühe ich mich
trotz alldem, mir nichts anmerken zu lassen und weiterhin freundlich zu ihr zu
sein.
Sprach sie mich doch nach dem
gestrigen Dinner an: „Hat Gunnar mit dir geredet?“
„Ja. Hat er.“, erwiderte ich knapp
aber manierlich.
Sie sah mich forschend an und hoffte
offensichtlich auf eine ausführlichere, wohlwollende und verständnisvolle
Antwort. Ich lächelte sie jedoch nur mitfühlend und würdevoll, jedoch immerhin
noch freundschaftlich (und fair) an, während ich mir meinen Mantel überzog.
„Und?“, fragte sie dann doch noch ein
wenig zaghaft, als ich mich bereits zum Gehen der Tür und ihr den Rücken
zugewandt hatte.
Abgeklärt, mit erhobenem Kopf und ein
wenig majestätisch, wendete ich mir ihr (gönnerhaft, überlegen und gnädig) noch
einmal zu: „Und was?“, sagte ich in ruhigem Ton und lächelte ihr gelassen
entgegen.
„Ich will es behalten.“
„Ich weiß.“
„Was wirst du tun?“
„Es ebenfalls als mein Kind ansehen,
weil es Gunnars ist. Wie ich es gleichermaßen mit Inula Castanea und Óðinn Aron halte.“
„Wir sind also doch noch Freundinnen?“, flogen die Worte beinahe
überschwänglich aus ihrem Mund und ihre Arme umschlangen mich. Drückten mich an
sich. „Danke.“, sagte sie leise. „Ich wünsche mir so sehr ein Kind. Ich will es
mir nicht wegmachen lassen.“, was doch annähernd so klang, als hätte sie es
nicht „beabsichtigt“.
Wenn sie doch nur wüsste, was tatsächlich in mir vorgeht. Was ich
ihr selbstredend tunlichst verschweigen werde. Schließlich gilt es die „Contenance“ zu wahren. Die Etikette. Das Ansehen.
Es würde sich für mich nicht ziemen „aus der Rolle zu fallen. Es wäre
unangemessen meinen Zorn und meiner Wut in der Öffentlichkeit, oder Natalja
gegenüber Ausdruck zu verleihen. (Was ich, um ehrlich zu sein, am aller
liebsten tun würde! Und nicht nur das. In meinem düstersten Inneren denke ich
sogar darüber nach das Kind oder sie zu töten.)
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Anstand
Am aller liebsten würde ich mich, zur
Ablenkung, mit der Reiseroute beschäftigen.
Der Ausgangsort wird ohnehin Berlin
sein, wohin uns Marie, die Zwillinge, Inula Castanea und Óðinn Aron und
Henrik begleiten werden. Nur vorher muss ich mit meinen Eltern reden. Sie
zumindest in Kenntnis davon setzen, dass wir sie alle besuchen kommen. Das
gebietet der Anstand.
Gunnar kennen sie noch nicht. Aber
Marie.
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Weitere dramatische Ereignisse gab es
in den letzten Stunden glücklicherweise nicht. So dass ich genau genommen zu
Emilia Stephansdottir gehen könnte, um ihr meine Entscheidung mitzuteilen.
Andererseits hatte Gunnar diesbezüglich angemerkt doch Gnade vor Recht ergehen,
und sie schlicht und einfach links liegen zu lassen.
„Sie behelligt dich doch nicht. Wenn
du dich nicht weiter um sie kümmerst.“, sagte er zu mir.
Ich dachte über Gunnars Worte nach
und fand, dass er damit tatsächlich nicht falsch liegen konnte.
Nun gut. Mag sie bleiben. Jedoch
bitte in gebührendem Abstand zu mir!
Und was tue ich mit den
„Clan-Schwestern“? Lasse ich auch sie bestehen? Snezana scheint ein würdiges,
sich aufopferndes Oberhaupt zu sein. Also, warum auch nicht hier Großzügigkeit walten, und den Clan der Bären-Schwestern bestehen lassen.
Ich finde, ich habe eine Anerkennung,
einen Bonus in Höflichkeit und Haltung verdient.