Im Augenblick
bin ich doch, im Hinblick auf das Zentrum und ebenso im Privaten, recht
zufrieden, dass nichts Apokalyptisches passiert. Es ist in der Tat nicht nötig,
dass man sich ständig Schwierigkeiten, Erschwernissen und Schicksalsfragen
ausgesetzt fühlt. Die Geschichten und Affären meines Mannes sind mir vollends
genug, welche ich mit zu tragen habe.
Natürlich sagt
man immer, man hätte die Wahl. Aber ist das tatsächlich so?
Ich bin
eingebunden in Konventionen, Verpflichtungen wem oder was auch immer gegenüber
und letztendlich mit einem Ja-Wort gebunden an meinem Mann. Es ist wie es ist.
Wozu lamentieren?
Selbstredend
hatte ich vorab nicht wissen können, wie Gunnar wirklich ist. Oder zu WAS er geworden
war innerhalb dieser Sekte. Würde ich genau genommen so gerne sagen. Marie
hatte mich sogar noch gewarnt. Aber was bedeutet das schon, wenn man dem faszinierenden,
charmanten, bösen Buben gegenübersteht, der Gefallen an einem gefunden hat.
Ein Abenteuer, welches man als junge Frau nicht verpassen will. Zumal er damals
noch so offensichtlich mein Lebensretter war.
Jedoch fand ich
Gunnar zu Beginn noch nicht einmal wirklich sonderlich attraktiv. Er war lediglich
ein neuer Lover, welcher sich zur damaligen Zeit einfügte in die Reihe von
vielen dieser Art.
Aber egal.
Damals vermutete ich in ihm etwas ganz mysteriöses. Mir war, als wäre ich in
einer Geschichte von Anne Rice gelandet und Gunnar der gut aussehende Vampir,
der um das Mädchen wirbt. Und……er sollte sie haben.
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Derek. Tja nun,
Derek. Ihn sah ich am gestrigen Abend, als wir gegen halb zwei in der Nacht auf
dem Weg nach Hause waren. Wie so oft sehr spät. Gunnar hatte einige Bier mit
seinen Brüdern getrunken. Sein Vater hielt sich an härteren Stoff. Jedoch
glücklicher Weise in Maßen. Wirklich betrunken war bisher niemand. Man hält
sich tatsächlich an die Regeln und Konventionen des Zentrums. Was doch bisher recht
erstaunlich ist und mich glücklich macht.
Wir waren nur
für einen Moment lang stehen geblieben, so dass mich Derek fragen konnte, wie
es mir eben geht und ob wir uns heute sehen. Woher er kam und wohin er ging,
wusste ich nicht. Im Dienst schien er jedenfalls nicht zu sein.
Gunnar
beantwortete Dereks Frage. „Ja. Am Donnerstagabend wäre es mir Recht, wenn du
auf Rea achtest.“
Später, als wir
zu Hause waren, fragte ich meinen Mann, warum er sich nun doch entschieden
hatte, bei Alexa und dem schreienden Baby, eine ganze Nacht zu schlafen.
„Sie drängt mich
schon die ganzen Tage. Fragt, wann ich endlich wieder bei ihr bleibe.“
„Wie hältst du
es in Augenblick mit ihr und den Intimitäten?“, fragte ich ihn und blieb ernst
und abwartend dabei.
Gunnar sah mich
ein wenig skeptisch an und zog die linke Augenbraue hoch. „Gar nicht. Aber wenn
sie es unbedingt will, hat sie immer noch einen Mund und einen Hintern.“
Ich räusperte
mich verlegen. Drehte mich weg von ihm.
„Was ist? Du
hast mich gefragt.“ Gunnar grinste. Dann sah er mich von der Seite her an, was
ich aus dem Augenwinkel heraus sehen konnte. „Ich war heute bei Lara gewesen.“,
berichtete er mir. Seine Stimme war ruhig, beinahe sachlich, während er mit
dies erzählte.
Ich schwieg und
meine Augen fragten Bände.
„Es war nichts
weiter.“ Gunnar kratzte sich am Hinterkopf. „Es war einfach nötig. Sonst
nichts.“, bagatellisierte er nun wir üblich die Geschichte. Aber was soll’s?
„War noch jemand
dort?“, fragte ich nach.
„Nein. Dafür war
keine Zeit.“
Ich lächelte
kurz sarkastisch auf. „Natürlich.“, und nickte.
Gunnar schien
nun zu überlegen, ob er dieses Thema weiter verfolgt, oder es doch lieber
fallen lässt. Er entschied sich für Ersteres. Jedoch ausschließlich mit einen
Satz. „Ausschweifenderem widme ich mich dann später, wenn meine Familie
gegangen ist.“
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Ian sah ich nur
von weitem. Ich besuche die Veranstaltungen des Zentrums nicht und bin derzeit
ausschließlich zu den Mahlzeiten im großen Saal, wo eine Tafel eigens für
Gunnars Familie aufgestellt wurde, um sie/uns dort allesamt zu verköstigen. Im
Restaurant wäre dergleichen nicht möglich gewesen.
Ich frage mich,
warum er immer wieder hier her kommen will. Vermutlich hat Annica etwas
dagegen. Vielleicht fühlt er sich hier auch nur wohl und er schwelgt in
Erinnerungen an die Zeit, als ich mich noch freimütig zu ihm bekannte. Verliebt
in ihn war.
Bin ich es noch?
Frage ich mich immer wieder. Eine klare Antwort darauf gibt es nicht.
Trotz aller
übrig gebliebenen Gefühle für ihn, beabsichtige ich keineswegs, mich ihm erneut
hinzugeben. Sei denn……ich weiß es nicht!
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Die Kinder. Das Baby.
Ja. Es wird mir aufgezwungen, mich damit abzufinden. Mich damit zu
beschäftigen. Tante Rea zu sein. Und wie stets, gute Miene zum bösen Spiel zu
tun. Mich freundlichst mit einzubringen, ins Familiengeschehen. Tue ich es
gern? NEIN!
Marie ist nach
wie vor sprunghaft im Umgang mit mir. An einem Tag scheint sie die aller beste Freundin
zu sein und am Anderen, tritt sie mir eher abweisend gegenüber. In manchen
Augenblicken scheint mir sogar, dass sie eifersüchtig ist. Nur WARUM? Henriks
wegen? Ich will nichts von ihrem Mann! (Obwohl er doch ein recht Ansehnlicher
ist, welchen ich früher selbst schon einmal im Auge hatte, kurz nachdem er hier
angekommen war.)
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Manchmal kommt
mir Gunnars Mutter Christine in den Sinn. Wie fleißig sie war. Beklagte sich
nie. War glücklich mit ihrem Traum vom spirituellen Zentrum und das er
letztendlich doch (durch mich) in Erfüllung gegangen war. Gunnar erwähnt sie kaum.
Dennoch glaube ich, dass er gerade in diesen Tagen oft an sie denkt. Dass sie
eigentlich hier, bei der Familie sein sollte. Und nicht in einem Grab.
Ich finde,
Gunnar hat seine Gefühle (und Neigungen) mit den Jahren immer besser im Griff.
Und ich hoffe, es bleibt weiterhin seine Intension, sich in dieser Hinsicht kontinuierlich
zu fortzubilden. Weiter zu entwickeln. Wir werden sehen…….