Es dauerte eine ganze Weile, bis
Gunnar zurückkam.
Er war noch bei seiner Mutter und
hatte von ihrem Büro aus mit Erik telefonieret.
Ich dachte schon, das Treffen der
beiden Männer sei eskaliert. Nur weiß ich ebenso, dass Wanja dies nicht
zulassen würde. Er ist viel zu klug dafür.
Ups! Wird da die eine oder andere
sagen. Sie hofiert nicht ihrem Ehemann.
Gunnar mag vieles sein. Aber Wanja
ist ihm dennoch in den meisten Dingen überlegen. Was nicht nur eine Vermutung
ist.
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„Warum wollte er dich sprechen? Was
hat er gesagt? Um was ging es denn nun?“, fragte ich ungeduldig, als ich
endlich die Gelegenheit dazu bekam.
Gunnars Gesicht war mehr als erst und
er zeigte keinerlei Regung. Er sah mich nur an und schnaufte. „Er will dich.“
„Ja. Das wissen wir doch. Und?“
„Ich soll mich von dir scheiden
lassen.“
Ich lachte. „Was soll das denn?“
„Wenn nicht, würde ich der
Brandstiftung und vorsätzlichen Körperverletzung angeklagt. Es gäbe Zeugen.“
„W-A-S?! Das ist ein Scherz. Oder?“
„Nein.“
„Du, oder auch Erik, ihr habt doch
damit überhaupt nichts zu tun.“
Gunnar räusperte sich und holte einen
tiefen Atemzug. „Auf magische Art, haben wir damit zu tun. Nur dafür kann es
keinerlei Zeugen geben. Selbst wenn, hätten sie vor Gericht keinen Bestand.“
Zuerst einmal sortierte ich Gunnars
Worte in meinem Hirn, um für mich daraus eine Erkenntnis zu gewinnen, die ich
verstand. Es war also doch so gewesen, wie ich es damals bereits vermutete. Der
Brand kam nicht gänzlich von Ungefähr.
„Wie konntest du nur?“, empörte ich
mich nun im Nachhinein und noch immer ein wenig zaghaft ob meiner Schlüsse, die
ich aus seinen wenigen Sätzen und in der Kürze der Zeit gezogen hatte.
„Was?“ Gunnar hob die Schultern und
streckte beide Arme zu Seite aus. „Es ist schließlich niemand zu Schaden gekommen!
Und außerdem hat dein Russe Geld genug und wird seinen Verlust verschmerzen.“
„Es war ein traumatisches Erlebnis
für ihn und er hatte Alpträume.“, plädierte ich nun für Wanja und wechselte für
einen Augenblick die Seiten.
„Ahh. Gut.“, war Gunnars kurzer
Kommentar dazu.
Mit stockte für einen Augenblick der
Atem. War DAS in der Tat mein Ehemann?
Einige Minuten der Stille herrschten
zwischen uns und ich wagte nicht zu fragen, wie er sich nun entscheiden würde.
Oder, wie es nun weiter gehen wird. Also fragte ich, was WIR denn jetzt tun
würden.
„Kämpfen.“, war seine Antwort. „Wenn
du zu mir hälst.“ Gunnar sah mir forschend in die Augen und sicherlich ebenso
in mein Hirn. Was mir selbstredend bewusst war. Infolgedessen vermiet ich
jeglichen Gedanken an Wanja.
„Natürlich.“, sagte ich. Griff nach
seiner Hand und drückte sie fest.
Erneut kehrte eine Weile der Stille
ein. Jeder schien seinen Gedanken nach zu hängen.
„Wenn wir uns zum Kämpfen
entschließen, was wird dann geschehen?“, fragte ich in der Hoffnung auf eine
Antwort, mit welcher man bereits im Vorfeld Schritte hätte einleiten können,
die hilfreich gewesen wären.
Gunnar legte einen zynischen Ausdruck
über sein Gesicht und in seinen Ton. „Na ja. Man wird mich.....verhaften.“
„Nein!“ Ich schüttelte vehement den
Kopf und hielt den Atem an. „Das kann nicht sein! Wie denn? Ich denke, man kann
euch nichts nachweisen?“
Gunnar lachte bitter. „Mit Geld kann
man alles.“
„Das wird er nicht wagen. Das wäre
Meineid! Das ist doch strafbar! Oder etwa nicht?“
„Es wird im Wesentlichen auf die
Ermittlungen der Polizei ankommen und“, Gunnar zog die linke Augenbraue nach
oben, „auf ihre Bestechlichkeit.“
„Und Kurt?“
„Kurt ist draußen. Er wird wegen
Befangenheit nicht an den Ermittlungen teilnehmen dürfen. Die Chancen stehen
schlecht.“
„Was soll das denn? Du hast doch
nichts getan!“
„Nein. Natürlich nicht....im
rechtlichen und rein physischem Sinne. Magie zählt hier nicht. Aber falsche
Zeugenaussagen.“
Ich schnaufte. Grübelte. Schnaufte.
„Soll ich mit Wanja reden?“, fragte
ich schließlich.
Gunnar lachte lauf auf. „Nein. Er
wird Versprechungen deinerseits keinen Glauben mehr schenken, nachdem du ihn
mehr als einmal hast sitzen lassen und zu mir zurückgekehrt bist.“
„Ja. Du hast Recht.“, gab ich zu.
„Also, was tun wir jetzt?“
„Ich werde ihm meine Entscheidung
mitteilen, was ihn nicht erfreuen wird. Aber sicher hat er auch damit
gerechnet. Dann können wir nur abwarten was geschieht. Der nächste Zug ist an
ihm.“ Gunnar senkte den Kopf und lächelte verächtlich. „Vielleicht haben wir ja
Glück, und er gibt auf.“
Sollte ich Gunnar jetzt sagen, dass
Aufgeben keine von Wanjas Eigenschaften war und ist? Aber sicherlich wusste er
das.
Und nein, er ging nicht noch einmal
zu ihm. Er nahm mein iPhone und rief ihn schlicht und einfach an.
„Du bekommst Rea nicht. Nur über
meine Leiche.“
„Das können wir einrichten.“, war
seine knappe Antwort, bevor er auflegte.
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Gunnar schien es nicht wirklich wohl
in seiner Haut zu sein. Er benahm sich eigenartig. War ruhig und nachdenklich.
Geistesabwesend und zerstreut. Resignierte er etwa? So kannte ich ihn nicht.
Allerdings ist Wanja ein wirklich ernst zu nehmender Gegner, mit welchem
offenkundig nun nicht mehr zu scherzen ist.
Wenn ich wüsste was ich tun sollte?
Wie ich ihm helfen könnte!
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Am Abend waren wir alle bei Christine
und feierten Thomas Geburtstag. Erik war ebenfalls zugegen. Die beiden, Gunnar
und Erik, sah ich des Öfteren ein wenig abseits stehen. Sie tuschelten
miteinander und ich bemerkte, dass Gunnars Stimmung ziemlich getrübt war.
Kurz bevor sich die kleine
Gesellschaft in ihre Einzelteile auflöste, fragte Gunnar nach meinem iPhone.
Ich gab es ihm und er rief Derek an, der noch innerhalb der nächsten viertel
Stunde in der Tür stand, um mich mit sich zu nehmen.
„Was ist hier los?“, fragte ich
verstört.
„Du wirst mit Derek gehen. Ich bat
ihn auf dich zu achten.“
Fassungslos starrte ich Gunnar an.
„Und du?!“
„Ich werde mit Erik fahren.....“
Ich ließ Gunnar nicht ausreden und
bäumte mich verbal gegen sein Vorhaben auf. „Warum das? Weshalb?“
„Vertraue mir. Es ist wichtig.“
Gunnar fuhr mit Erik davon und ich
ging mit Derek in seine Hütte.
Es war zwar bereits kurz nach
Mitternacht und ich war selbstredend müde und erschöpft. Gab jedoch Dereks
Drängen, der sich tausend Mal dafür entschuldigte, nach und wir hatten vor dem
Einschlafen doch noch ein angenehmes, wenn auch kurzes Ineinander. Wo mir die
Flüchtigkeit nun genau genommen entgegen kam.
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Heute Morgen wurden Derek und ich
unsanft geweckt. Draußen waren die Räum- und Streufahrzeuge unterwegs und auch
sonst war es verhältnismäßig unruhig. Daher sind wir bereits gegen sieben Uhr
wach gewesen und Derek begann sich genüsslich gähnend zu strecken und zu dehnen
und mit seinen Händen über meinen Körper
zu streichen. Was am Ende dazu führte, dass er schwups über mir und schwups in
mir war.
Kaum dass Derek zu Ende gekommen war,
läutete es an der Tür.
„Verdammt!“
Er ging raus aus mir, aus dem Bett
und dem Zimmer und während Derek nachsah, wer uns zu dieser frühen Stunde
belästigte, klingelte mein iPhone. Es war Christine.
„Hör zu.“ Ihre Stimme klang
überhastet und sie flüsterte beinahe. „Die Polizei ist zu dir unterwegs. Sie
haben nach Gunnar gefragt. Ich sagte nur, dass er gestern Abend weg gefahren
sei und ich ihn seitdem nicht mehr sah. Sag’ du ihnen das Gleiche.“
„Die Polizei? Ist Gunnar etwas
passiert?“ In Erwartung unangenehmer Nachrichten, hörte ich Derek nach mir
rufen. „Die Polizei ist hier und will mit dir reden.“
Christine hatte in der Zwischenzeit schon
längst aufgelegt.
„Einen Augenblick!“, rief ich Derek
entgegen. Sprang aus dem Bett und warf mir rasch einen Morgenmantel über, bevor
ich ins Wohnzimmer eilte. Derek hatte die Polizeibeamten bereits herein
gebeten. was mir gewissermaßen überaus unangenehm war. Ich tat verschlafen und
fragte, um was es denn gehe.
Die Beamten (Männer!) räusperten sich
und grinsten unverholen. Sahen zu mir. Dann zu Derek und wieder zurück.
„Wir suchen Herrn Gunnar Sølgård. Aber er
scheint DAS ja nicht zu sein.“ Ein spöttisches Grinsen überzog die Gesichter.
„Und wer sind SIE, bitteschön.“, fragte ich spitz und
ein wenig bissig.
Sie holten ihre Ausweise aus ihren Manteltaschen,
hielten sie mir vor die Nase und stellten sich kurz und stoisch vor.
„Was ist mit meinem Mann?“, fragte ich und wieder taten
die Beamten einen feixenden Seitenblick
zu Derek.
„Wir haben einen Haftbefehl gegen ihn.“
„W-A-S?! Warum? Was soll er denn getan haben?“
„Brandstiftung und vorsätzliche Köperverletzung.“
„Was für ein alberner Unsinn!“, echauffierte ich mich
und fuchtelte wild mit den Armen. Derek stand ruhig daneben und beobachtete das
Szenario.
Einer der Beamten wandt sich nun Derek zu. „Und wer
sind sie nun?“
„Derek Moore. Ein
Sicherheitsbeamter des Zentrums, welcher den Auftrag hat auf unsere Chefin zu
achten. Es gab schließlich bereits Anschläge, wenn sie sich erinnern können.“
Derek antwortete selbstischer und sachlich. Worum ich ihn beinahe beneidete.
Die Beamten nickten und
ich widersprach in einem Satz und ziemlich leise, dass ich doch nun nicht mehr
wirklich seine Chefin wäre, nachdem ich in Konkurs gegangen war und alles
verkauft hatte.
„Wer hat ihnen diesen
Auftrag erteilt?“, fragte einer der Polizisten an Derek gewandt.
„Ich vermute, dass dies
wohl kaum von Relevanz für sie sein dürfte.“, antwortete ich etwas
schnippig an Dereks Stelle.
„Der Beamte blieb ruhig.
„Doch. Ist es.“
Derek tat nun einen
Schritt nach vorn und trat zwischen mich und die zwei Polizisten.
„Gunnar selbst hat mich
gestern Abend beauftrag. Kurz bevor er wegfuhr.“
Die zwei Ermittler sahen
sich an und runzelten beinahe gleichzeitig die Stirn.
„Ach was? Und hat er
gesagt wo er hinfährt?“
„Nein.“, sagte ich im
selben Atemzug mit Derek, was erneut bei den beiden Männern für Verwunderung
sorgte.
„Frau Sølgård, wann haben sie ihren Mann das letzte mal gesehen und was hat
er gesagt?“
Ich blieb noch immer stehen, dort mitten im Zimmer,
dachte nicht im Geringsten daran den beiden Männern einen Patz oder ganz und
gar etwas zu Trinken anzubieten und berichtete so präzise und effizient wie
möglich vom vergangenen Abend.
Die Beamten bedankten sich letztendlich rasch für meine
Aussage, sahen mich und Derek noch einmal grienend an und gaben mir eine
Visitenkarte in die Hand,....falls uns noch etwas einfiele. Überdies wiesen sie
uns, bevor sie gingen, darauf hin, dass es wahrscheinlich sei, dass man uns
noch einmal befragen würde.
Ich hatte angegeben, dass Gunnar des Öfteren zu seinen
Brüdern nach Stockholm führe und dort auch zuweilen ein oder zwei Tage bliebe.
Nun nehme ich an, dass man womöglich bei Hjalmar, Carsten und Sven nach Gunnar
suchen wird. Stine und Kurt waren wegen Befangenheit ohnehin von den
Ermittlungen ausgeschlossen worden. Jedoch wird man sie sicherlich ebenso
befragen.
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Alles in allem erschlagen
mich die Ereignisse geradezu.
In meinem Kopf herrscht
ein Durcheinander und mein Durchblick ist im Augenblick gleich null.
Ich gedenke mich erst
einmal zu beruhigen, zu fassen und darüber nachzudenken, was nun zu tun ist.
Außerdem wäre es angebracht mit Christine zu reden. Denn Gunnar habe ich bisher
via iPhone nicht erreicht. Was zu erwarten war. Und Erik ebenso wenig.
Ist Gunnar
jetzt „auf der Flucht“? Oder was? Und
wenn ja, warum? Er hat doch nichts getan! Zumindest nichts, was man ihm
nachweisen könnte. Und ein falscher Zeuge ist doch sicherlich in absehbarer
Zeit zu entlarven!
Wanja hat bisher noch nichts von sich hören lassen. Genau genommen dachte ich, er würde sich von
selbst bei mir melden. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird er das auch demnächst
noch tun. Oder sollte ICH den ersten Schritt (auf ihn zu) wagen? Nur, was
sollte ich ihm sagen?
Ich weiß es nicht.
Christine ist noch in
Stockholm. Sie wollte zu Kurt und zu Stine. Wenn sie zurück ist werde ich
unverzüglich mit ihr reden, wie unser weiteres Vorgehen nun aussehen wird. Bis
dahin,....verbleibe ich bei Derek.
Es sind „aufregende
Zeiten“ und ich bange um meine Gesundheit, die mir zu jeder einzelnen Sekunde
mehr denn je fehlt.