Freitag, 30. Januar 2015

Dunkle Seiten und aufregende Zeiten Ist Gunnar auf der Flucht?



Es dauerte eine ganze Weile, bis Gunnar zurückkam.
Er war noch bei seiner Mutter und hatte von ihrem Büro aus mit Erik telefonieret.
Ich dachte schon, das Treffen der beiden Männer sei eskaliert. Nur weiß ich ebenso, dass Wanja dies nicht zulassen würde. Er ist viel zu klug dafür.
Ups! Wird da die eine oder andere sagen. Sie hofiert nicht ihrem Ehemann.
Gunnar mag vieles sein. Aber Wanja ist ihm dennoch in den meisten Dingen überlegen. Was nicht nur eine Vermutung ist.

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„Warum wollte er dich sprechen? Was hat er gesagt? Um was ging es denn nun?“, fragte ich ungeduldig, als ich endlich die Gelegenheit dazu bekam.
Gunnars Gesicht war mehr als erst und er zeigte keinerlei Regung. Er sah mich nur an und schnaufte. „Er will dich.“
„Ja. Das wissen wir doch. Und?“
„Ich soll mich von dir scheiden lassen.“
Ich lachte. „Was soll das denn?“
„Wenn nicht, würde ich der Brandstiftung und vorsätzlichen Körperverletzung angeklagt. Es gäbe Zeugen.“
„W-A-S?! Das ist ein Scherz. Oder?“
„Nein.“
„Du, oder auch Erik, ihr habt doch damit überhaupt nichts zu tun.“
Gunnar räusperte sich und holte einen tiefen Atemzug. „Auf magische Art, haben wir damit zu tun. Nur dafür kann es keinerlei Zeugen geben. Selbst wenn, hätten sie vor Gericht keinen Bestand.“
Zuerst einmal sortierte ich Gunnars Worte in meinem Hirn, um für mich daraus eine Erkenntnis zu gewinnen, die ich verstand. Es war also doch so gewesen, wie ich es damals bereits vermutete. Der Brand kam nicht gänzlich von Ungefähr.
„Wie konntest du nur?“, empörte ich mich nun im Nachhinein und noch immer ein wenig zaghaft ob meiner Schlüsse, die ich aus seinen wenigen Sätzen und in der Kürze der Zeit gezogen hatte.
„Was?“ Gunnar hob die Schultern und streckte beide Arme zu Seite aus. „Es ist schließlich niemand zu Schaden gekommen! Und außerdem hat dein Russe Geld genug und wird seinen Verlust verschmerzen.“
„Es war ein traumatisches Erlebnis für ihn und er hatte Alpträume.“, plädierte ich nun für Wanja und wechselte für einen Augenblick die Seiten.
„Ahh. Gut.“, war Gunnars kurzer Kommentar dazu.
Mit stockte für einen Augenblick der Atem. War DAS in der Tat mein Ehemann?

Einige Minuten der Stille herrschten zwischen uns und ich wagte nicht zu fragen, wie er sich nun entscheiden würde. Oder, wie es nun weiter gehen wird. Also fragte ich, was WIR denn jetzt tun würden.
„Kämpfen.“, war seine Antwort. „Wenn du zu mir hälst.“ Gunnar sah mir forschend in die Augen und sicherlich ebenso in mein Hirn. Was mir selbstredend bewusst war. Infolgedessen vermiet ich jeglichen Gedanken an Wanja.
„Natürlich.“, sagte ich. Griff nach seiner Hand und drückte sie fest.
Erneut kehrte eine Weile der Stille ein. Jeder schien seinen Gedanken nach zu hängen.
„Wenn wir uns zum Kämpfen entschließen, was wird dann geschehen?“, fragte ich in der Hoffnung auf eine Antwort, mit welcher man bereits im Vorfeld Schritte hätte einleiten können, die hilfreich gewesen wären.
Gunnar legte einen zynischen Ausdruck über sein Gesicht und in seinen Ton. „Na ja. Man wird mich.....verhaften.“
„Nein!“ Ich schüttelte vehement den Kopf und hielt den Atem an. „Das kann nicht sein! Wie denn? Ich denke, man kann euch nichts nachweisen?“
Gunnar lachte bitter. „Mit Geld kann man alles.“
„Das wird er nicht wagen. Das wäre Meineid! Das ist doch strafbar! Oder etwa nicht?“
„Es wird im Wesentlichen auf die Ermittlungen der Polizei ankommen und“, Gunnar zog die linke Augenbraue nach oben, „auf ihre Bestechlichkeit.“
„Und Kurt?“
„Kurt ist draußen. Er wird wegen Befangenheit nicht an den Ermittlungen teilnehmen dürfen. Die Chancen stehen schlecht.“
„Was soll das denn? Du hast doch nichts getan!“
„Nein. Natürlich nicht....im rechtlichen und rein physischem Sinne. Magie zählt hier nicht. Aber falsche Zeugenaussagen.“
Ich schnaufte. Grübelte. Schnaufte.
„Soll ich mit Wanja reden?“, fragte ich schließlich.
Gunnar lachte lauf auf. „Nein. Er wird Versprechungen deinerseits keinen Glauben mehr schenken, nachdem du ihn mehr als einmal hast sitzen lassen und zu mir zurückgekehrt bist.“
„Ja. Du hast Recht.“, gab ich zu. „Also, was tun wir jetzt?“
„Ich werde ihm meine Entscheidung mitteilen, was ihn nicht erfreuen wird. Aber sicher hat er auch damit gerechnet. Dann können wir nur abwarten was geschieht. Der nächste Zug ist an ihm.“ Gunnar senkte den Kopf und lächelte verächtlich. „Vielleicht haben wir ja Glück, und er gibt auf.“
Sollte ich Gunnar jetzt sagen, dass Aufgeben keine von Wanjas Eigenschaften war und ist? Aber sicherlich wusste er das.
Und nein, er ging nicht noch einmal zu ihm. Er nahm mein iPhone und rief ihn schlicht und einfach an.
„Du bekommst Rea nicht. Nur über meine Leiche.“
„Das können wir einrichten.“, war seine knappe Antwort, bevor er auflegte.

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Gunnar schien es nicht wirklich wohl in seiner Haut zu sein. Er benahm sich eigenartig. War ruhig und nachdenklich. Geistesabwesend und zerstreut. Resignierte er etwa? So kannte ich ihn nicht. Allerdings ist Wanja ein wirklich ernst zu nehmender Gegner, mit welchem offenkundig nun nicht mehr zu scherzen ist.
Wenn ich wüsste was ich tun sollte? Wie ich ihm helfen könnte!

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Am Abend waren wir alle bei Christine und feierten Thomas Geburtstag. Erik war ebenfalls zugegen. Die beiden, Gunnar und Erik, sah ich des Öfteren ein wenig abseits stehen. Sie tuschelten miteinander und ich bemerkte, dass Gunnars Stimmung ziemlich getrübt war.
Kurz bevor sich die kleine Gesellschaft in ihre Einzelteile auflöste, fragte Gunnar nach meinem iPhone. Ich gab es ihm und er rief Derek an, der noch innerhalb der nächsten viertel Stunde in der Tür stand, um mich mit sich zu nehmen.
„Was ist hier los?“, fragte ich verstört.
„Du wirst mit Derek gehen. Ich bat ihn auf dich zu achten.“
Fassungslos starrte ich Gunnar an. „Und du?!“
„Ich werde mit Erik fahren.....“
Ich ließ Gunnar nicht ausreden und bäumte mich verbal gegen sein Vorhaben auf. „Warum das? Weshalb?“
„Vertraue mir. Es ist wichtig.“
Gunnar fuhr mit Erik davon und ich ging mit Derek in seine Hütte.

Es war zwar bereits kurz nach Mitternacht und ich war selbstredend müde und erschöpft. Gab jedoch Dereks Drängen, der sich tausend Mal dafür entschuldigte, nach und wir hatten vor dem Einschlafen doch noch ein angenehmes, wenn auch kurzes Ineinander. Wo mir die Flüchtigkeit nun genau genommen entgegen kam.

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Heute Morgen wurden Derek und ich unsanft geweckt. Draußen waren die Räum- und Streufahrzeuge unterwegs und auch sonst war es verhältnismäßig unruhig. Daher sind wir bereits gegen sieben Uhr wach gewesen und Derek begann sich genüsslich gähnend zu strecken und zu dehnen und mit seinen Händen über meinen  Körper zu streichen. Was am Ende dazu führte, dass er schwups über mir und schwups in mir war.
Kaum dass Derek zu Ende gekommen war, läutete es an der Tür.
„Verdammt!“
Er ging raus aus mir, aus dem Bett und dem Zimmer und während Derek nachsah, wer uns zu dieser frühen Stunde belästigte, klingelte mein iPhone. Es war Christine.
„Hör zu.“ Ihre Stimme klang überhastet und sie flüsterte beinahe. „Die Polizei ist zu dir unterwegs. Sie haben nach Gunnar gefragt. Ich sagte nur, dass er gestern Abend weg gefahren sei und ich ihn seitdem nicht mehr sah. Sag’ du ihnen das Gleiche.“
„Die Polizei? Ist Gunnar etwas passiert?“ In Erwartung unangenehmer Nachrichten, hörte ich Derek nach mir rufen. „Die Polizei ist hier und will mit dir reden.“
Christine hatte in der Zwischenzeit schon längst aufgelegt.
„Einen Augenblick!“, rief ich Derek entgegen. Sprang aus dem Bett und warf mir rasch einen Morgenmantel über, bevor ich ins Wohnzimmer eilte. Derek hatte die Polizeibeamten bereits herein gebeten. was mir gewissermaßen überaus unangenehm war. Ich tat verschlafen und fragte, um was es denn gehe.
Die Beamten (Männer!) räusperten sich und grinsten unverholen. Sahen zu mir. Dann zu Derek und wieder zurück.
„Wir suchen Herrn Gunnar Sølgård. Aber er scheint DAS ja nicht zu sein.“ Ein spöttisches Grinsen überzog die Gesichter.
„Und wer sind SIE, bitteschön.“, fragte ich spitz und ein wenig bissig.
Sie holten ihre Ausweise aus ihren Manteltaschen, hielten sie mir vor die Nase und stellten sich kurz und stoisch vor.
„Was ist mit meinem Mann?“, fragte ich und wieder taten die Beamten einen  feixenden Seitenblick zu Derek.
„Wir haben einen Haftbefehl gegen ihn.“
„W-A-S?! Warum? Was soll er denn getan haben?“
„Brandstiftung und vorsätzliche Köperverletzung.“
„Was für ein alberner Unsinn!“, echauffierte ich mich und fuchtelte wild mit den Armen. Derek stand ruhig daneben und beobachtete das Szenario.
Einer der Beamten wandt sich nun Derek zu. „Und wer sind sie nun?“
„Derek Moore. Ein Sicherheitsbeamter des Zentrums, welcher den Auftrag hat auf unsere Chefin zu achten. Es gab schließlich bereits Anschläge, wenn sie sich erinnern können.“ Derek antwortete selbstischer und sachlich. Worum ich ihn beinahe beneidete.
Die Beamten nickten und ich widersprach in einem Satz und ziemlich leise, dass ich doch nun nicht mehr wirklich seine Chefin wäre, nachdem ich in Konkurs gegangen war und alles verkauft hatte.
„Wer hat ihnen diesen Auftrag erteilt?“, fragte einer der Polizisten an Derek gewandt.
„Ich vermute, dass dies wohl kaum von Relevanz für sie sein dürfte.“, antwortete ich etwas schnippig  an Dereks Stelle.
„Der Beamte blieb ruhig. „Doch. Ist es.“
Derek tat nun einen Schritt nach vorn und trat zwischen mich und die zwei Polizisten.
„Gunnar selbst hat mich gestern Abend beauftrag. Kurz bevor er wegfuhr.“
Die zwei Ermittler sahen sich an und runzelten beinahe gleichzeitig die Stirn.
„Ach was? Und hat er gesagt wo er hinfährt?“
„Nein.“, sagte ich im selben Atemzug mit Derek, was erneut bei den beiden Männern für Verwunderung sorgte.
„Frau Sølgård, wann haben sie ihren Mann das letzte mal gesehen und was hat er gesagt?“
Ich blieb noch immer stehen, dort mitten im Zimmer, dachte nicht im Geringsten daran den beiden Männern einen Patz oder ganz und gar etwas zu Trinken anzubieten und berichtete so präzise und effizient wie möglich vom vergangenen Abend.
Die Beamten bedankten sich letztendlich rasch für meine Aussage, sahen mich und Derek noch einmal grienend an und gaben mir eine Visitenkarte in die Hand,....falls uns noch etwas einfiele. Überdies wiesen sie uns, bevor sie gingen, darauf hin, dass es wahrscheinlich sei, dass man uns noch einmal befragen würde.
Ich hatte angegeben, dass Gunnar des Öfteren zu seinen Brüdern nach Stockholm führe und dort auch zuweilen ein oder zwei Tage bliebe. Nun nehme ich an, dass man womöglich bei Hjalmar, Carsten und Sven nach Gunnar suchen wird. Stine und Kurt waren wegen Befangenheit ohnehin von den Ermittlungen ausgeschlossen worden. Jedoch wird man sie sicherlich ebenso befragen.

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Alles in allem erschlagen mich die Ereignisse geradezu.
In meinem Kopf herrscht ein Durcheinander und mein Durchblick ist im Augenblick gleich null.
Ich gedenke mich erst einmal zu beruhigen, zu fassen und darüber nachzudenken, was nun zu tun ist. Außerdem wäre es angebracht mit Christine zu reden. Denn Gunnar habe ich bisher via iPhone nicht erreicht. Was zu erwarten war. Und Erik ebenso wenig.
Ist Gunnar jetzt „auf der Flucht“? Oder was? Und wenn ja, warum? Er hat doch nichts getan! Zumindest nichts, was man ihm nachweisen könnte. Und ein falscher Zeuge ist doch sicherlich in absehbarer Zeit zu entlarven!


Wanja hat bisher noch nichts von sich hören lassen. Genau genommen dachte ich, er würde sich von selbst bei mir melden. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird er das auch demnächst noch tun. Oder sollte ICH den ersten Schritt (auf ihn zu) wagen? Nur, was sollte ich ihm sagen?
Ich weiß es nicht.

Christine ist noch in Stockholm. Sie wollte zu Kurt und zu Stine. Wenn sie zurück ist werde ich unverzüglich mit ihr reden, wie unser weiteres Vorgehen nun aussehen wird. Bis dahin,....verbleibe ich bei Derek.
Es sind „aufregende Zeiten“ und ich bange um meine Gesundheit, die mir zu jeder einzelnen Sekunde mehr denn je fehlt.