Donnerstag, 29. Januar 2015

Kein „Feigling“




Anweisungen
Gunnar rief mich an.
Genau genommen dachte ich, niemand kann vom Zauberwald aus anrufen. Aber Gunnar vermochte es dennoch. Womöglich mit Eriks Zustimmung. Zwinker.
„Warte auf mich. Ich bin in Kürze zurück. Bleib im Haus. Öffne niemandem und gehe nirgendwohin.“
Was ist mit Derek? Hätte ich gern fragen wollen. Ließ es jedoch und tat, wie mir geheißen.

-------

Kein Feigling!
„Warum warst du bei Erik?“
Augen roll’.
„Hat es irgendetwas mit Wanja zu tun?“
Gesicht verzieh’.
„Was hat Kurt denn jetzt genau gesagt?“
Schnauf und linke Augenbraue nach oben zieh’.
„Mach dir keine Sorgen. Alles wird gut.“ Gunnar zwinkerte mir zu und lächelte etwas gequält.
„Ich möchte wissen, was du so dringendes mit Erik zu besprechen hattest, das du Hals über Kopf davon fuhrst!“
Erneutes Schnaufen. Er leckte leicht über seine Lippen und presste sie dann aufeinander. „Ja. Ja. Womöglich hat es tatsächlich etwas mit dem Russen zu tun.“
„Ukrainer.“
Gunnar sah mich prüfend an und legte die Stirn in Falten. „Ja. Ich weiß.“

-------

Heute Morgen erneut ein Bote, der Gunnar aufforderte zu Wanja zu kommen.
Zumindest ließ man uns heute ausschlafen. Welch’ angenehmer Glücksfall! Nach dem erneuten nächtlichen Palaver von ein paar angetrunkenen Gästen in der Nähe unseres Hauses.

Ein spätes Frühstück im Restaurant und es wäre so wie so nur eine Frage der Zeit gewesen, bis ich/wir Wanja irgendwann hier begegnen. Er kam zur Tür herein, ohne Begleitung, und setzte sich an einen Tisch nicht weit von dem unseren entfernt.
Mir schauderte einen kurzen Augenblick und mein Messer fiel klirrend auf den porzellanernen Teller.
Wanja sah zu uns herüber. Grinste und nickte mir und Gunnar zu.
Und noch im selben Moment sah ich, wie sich die Muskeln in Gunnars Gesicht kaum merklich bewegten, er Wanja mit einem Funkeln in den Augen fixierte und ebenso kurz zurück nickte.
„Denkt er etwa ich bin ein Feigling?“, sagte Gunnar in verärgertem Tonfall. Stand entschlossen auf und ging zu Wanja hinüber.
Es war offensichtlich nur ein einziger Satz und ich sah Gunnar förmlich an, wie viel Mühe es ihm kostete, sich zu beherrschen. Dann kam er zurück an unseren Tisch und setzte sich.
Ich hob die Schultern und sah ihn fragend an.
„Ich werde jetzt gleich nach dem Frühstück zu ihm gehen und mir anhören, was er zu sagen hat. Schließlich bin ich kein Feigling und ihm ebenbürtig.“
Mit einem kurzen Blick streiften meine Augen Gunnars Gesicht, um seine Mimik zu erkunden. Meinte er das tatsächlich ernst? ER, Wanja ebenbürtig?
(Was genau genommen bereits aussagte/suggeriert, was ich von jedem der beiden halte.)