Montag, 23. Februar 2015

Wahrheit und Erinnerung




Mein schlechtes Gewissen, bezüglich Wanja, plagte mich weiterhin. Was zu Folge hatte, dass nach wie vor, in unterschiedlich langen oder kurzen Abständen  eindringlich miteinander darüber sprachen.
„Was empfindest du für ihn?“, war eine von Gunnars Fragen.
Ich dacht kurz darüber nach und sagte: „Erinnerung.“, was in der Tat der Wahrheit entsprich.
„Aber da ist doch noch mehr?“ Aufmerksam beobachtete er mein Gesicht.
„Ja. Vielleicht. Du weißt, ich liebte ihn damals über die Maßen. Mehr, als ich Felicio je geliebt habe.“
Gunnar räusperte sich. „Das ist eine ganze Menge. Wenn du mich schon seinetwegen am Traualtar stehen ließest, was erwartete mich dann erst wegen dem Russen?“
„Er ist Ukrainer.“, bemerkte ich leise und im selben Atemzug sprach ich Lara an. Denn genau genommen verspürte ich in diesem Moment eine gewisse Leidenschaft für meinen Ehemann. Welche zum Teil womöglich auch daraus entsprang, die angespannten Wogen zu glätten. Insbesondere die reumütigen in meinem Kopf. Die immer wieder ein pochendes Geräusch hinterließen, das so ähnlich klang wie: Lügnerin! Betrügerin! Verräterin!
„Wann hast du sie gefickt?“, fragte ich. Weil es mir wichtig war.
„Heute Morgen.“, sagte er glatt heraus. „Und du den Russen?“
Ich senkte meinen Blick und biss mir auf die Unterlippe. „Heute Morgen.“, was sich durchaus glaubhaft anhörte. Denn Gunnar wusste ganz genau, dass ich abends stets zu müde dafür war.
Dachte ich nur an Wanja, mahnte mich erneut mein Gewissen und ich entschuldigte mich bei Gunnar wieder und wieder. „Es tut mir leid. Ich hätte das nicht tun sollen.“
Er gab sich trotz alldem cool und gelassen. Nahm mich in seine Arme und küsste mich. „Lass gut sein jetzt. Auch wenn du mit ihm geschlafen hast, hat es zumindest seinen Zweck erfüllt, dass du zum Teil erfahren hast, was seine Pläne sind.“
„Er will Rache“, warf ich ein. Nur um meine Stimme zu erheben. Zu hören, was noch ein bisschen mehr wie bedauernd für mich klang und mich beruhigte. Zumindest nahm ich das an. Denn es war gut anzusprechen, dass meine Verfehlung, wenigstens dem Anschein nach, einen Sinn zu haben schien.
Und kontemporär zu meinem schweren Herzen wegen dem Vertrauensbruches, meldete sich meine Eifersucht.
„Du liebst Lara. Nicht wahr?“, fragte ich fordernd. Hielt den Kopf dabei gesenkt und sah ihn von unter her an.
Gunnar atmete tief. „Ich mag sie. Ja. Vielleicht So, wie du Derek magst.“
„Nein.“, schüttelte ich mit dem Kopf. Denn ich war beileibe nicht in Derek verliebt. Es war ausschließlich eine aufreizende Schwärmerei. „Du magst sie sicher um einiges mehr.“
„Und warum sagst du mir nicht, wie sehr du Wanja liebst. Du erwähntest bereits, wie viel er dir in der Vergangenheit bedeutet hat. Aber WAS bedeutet er die JETZT?“
Ich schnaufte. Sollte ich Gunnar tatsächlich eine aufrichtige Antwort geben? Denn ich wusste genau, wenn mich mein schlechtes Gewissen so derart plagte, war da noch immer Liebe zu Wanja in mir. Alldieweil ich über Derek nicht einmal annähernd so nachdachte. Oder mich fühlte. Außerdem war ich mir durchaus bewusst, dass in meinem Herzen offensichtlich noch immer dazu bereit war, erneut mit ihm zu gehen. Denn einerseits fühlte ich mich des Verrates an Gunnar schuldig. Jedoch andererseits, ging mir Wanja nicht aus dem Kopf.
Gunnar wartete auf eine Antwort und ich musste sie ihm geben. Sofort! Da führte anscheinend kein Weg daran vorbei.
Also gut.
Ich strich mir mit beiden Händen über das Gesicht und stöhnte leise. „Ja. Vielleicht ist da doch noch etwas Liebe. Mag sein.“, gab ich ihm bedauernd zu verstehen. Setzte jedoch noch im selben Augenblick zur Gegendarstellung an. „Es war nicht nur die andere Frau, weswegen ich ihn damals verließ. Er ist ein Ehrenmann. Daran besteht kein Zweifel. Er sieht sich gern als der Ritter in der goldenen Rüstung, der das Fräulein vor dem bösen Drachen errettet. Aber da sind noch sie viele andere Belanglosigkeiten, die ich zum Anlass nahm zu gehen.“
„Die da wären?“, bohrte Gunnar nach. Er schien es tatsächlich diese Mal genau wissen zu wollen.
„Sein übertriebener Ordnungssinn. Die vehemente Disziplin. Das militärische in seiner Art. Das Männlichkeitsgetue und die Denkweise über den Platz der Frau. Dem konnte und wollte ich mich nicht unterwerfen. Das alles war mir zu durch und durch konservativ. Ich wollte frei sein von all den Konventionen. Nicht unter derartigen Zwängen leben. Und dann noch die Politik!“ Nun war beinahe alle raus und ich ereiferte mich. Die Wahrheit, sowie meine eigenen Rechtfertigungen, flogen Gunnar nur so um die Ohren.
Gunnar begann zu lächeln. „Dann hast du jetzt genau den richtigen Mann.“
Ich wusste genau, was er mit diesem Ausspruch meinte. „Und was ist mit der Liebe?“, fragte ich sanft.
Gunnar schien es nicht fassen zu können,  wie ich so etwas überhaupt fragen konnte. „Was denkst du nur? Ich liebe dich. Wir gehören zueinander. Waren und werden immer zusammen sein. Auch wenn ich in diesem Leben aller Wahrscheinlichkeit nach durch die Zeit in der Sekte Empfindungs- geschädigt bin. Mag sein, dass ich gelegentlich meinen Neigungen folge mit Siv und ihren Schwestern. Oder Verlangen nach anderen Frauen verspüre. Aber LIEBEN, Rea, tue ich DICH!“
Und noch im gleichen Augenblick veränderte sich sein Blick. Er schien traurig,  befangen, fast mutlos zu sein. Als hätte er gerade in seinem Inneren die eigenen Fehler entdeckt. Denn er fragte: „Aber DU liebst mich doch und wirst zu mir halten? Nicht wahr? Wir stehen das alles zusammen durch?!“
„Aber ja.“, versuchte ich ihn zu beruhigen. „Natürlich tue ich das!“
Offenkundig hatte auch Gunnar seine Ängste und wusste genau, wo seine Fehler lagen.

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Ein angenehmer Schlaf übermannte mich nach einem lebhaften und leidenschaftlichen Sex. So beschützt und geborgen in Gunnars Armen. (Obgleich Wanjas Arme, an die ich dachte, viel stärker waren!) Da war die pure Entspannung. Wohl auch, weil wir uns unsere Fehler gegenseitig vergaben....was erleichternd war. Und trotz alledem NOCH in Liebe bei- und miteinander waren.

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- Ein Video von Ian.. Nach so langer Zeit des Schweigens. Sonderbar.
- Ein kurzer Anruf von Marie. Gunnar war glücklich seine Kinder zu hören.
- Lisa Anekelea brachte am 22. Februar ihre Tochter Lola zur Welt.
- Nichts von Kevin. Er scheint noch immer gekränkt zu sein, dass ich ihn nicht erhörte.
- Wanja sendet mir ab und an eine SMS. Ich antworte....manchmal.

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Heute Morgen schien GUNNAR die Leidenschaft gepackt zu haben. Er wurde beinahe dreist.
„Du hast mein bestes Stück lange nicht zwischen deine Lippen genommen. Wie wäre es damit?“ Er grinste. „Ahhh! Jetzt denk’ nicht an Lara. Das war gestern. Und ich war bereits wieder in DIR drin.“ Gunnar hatte in meinem Kopf gestöbert und die Bilder von Lara und ihm gesehen, welche mich argwöhnisch plagten. „Ich geh ihn waschen und dann......“
Natürlich ließ ich mich darauf ein. Warum auch nicht? Es glättete sicherlich weiterhin die eifersüchtigen, zweifelnden, ängstlichen, beklemmenden, kummervollen Wogen zwischen uns und trug zum Vertrauen bei. Selbst Gunnar schien dieses Verlangen zu teilen. Denn auch er liebkoste mich überall.....