Donnerstag, 8. August 2013

Ehe und Partnerschaft will gelernt sein



Was für ein vorteilhafter Zufall, dass ich allein in unserem Haus an meinem Notebook saß, als sich die Tür öffnete und Gunnar mit seinem Koffer und einem breiten Grinsen zur Tür herein kam.
Ich sprang auf und fiel ihm um den Hals.
Ich drückte mich fest an ihn und er hielt mich fest an sich gedrückt. Ehrliche Tränen der Erleichterung rannen mir über die Wangen. Mein Herz, mein Innerstes scheint ihn doch in der Tat bedingungslos und uneingeschränkt zu lieben. Amazing!
Aufatmen, und Zufriedenheit.
(Zumindest für den Augenblick.)
Bis, nun, bis sich das so oft unnütz denkende Hirn zuschaltete und tausend Fragen in meine Kehle warf.
Warum hast du mich so unendlich lange Zeit allein gelassen?
Das wäre alles  nicht so passiert, wenn du bei mir geblieben wärst.
Warum sagtest du mir nicht, dass du heute kommst, sondern morgen? Du hast es sicherlich ganz genau gewusst. Wolltest du mich Überraschen? Sehen, ob ich tatsächlich auf dich warte? Allein bin.
Warst du womöglich in Stockholm? Bei Elena? Hast du mit ihr gefickt?
Oder mit Siv und ihren Schwestern? Oder mit sonst wem?
Warst du überhaupt in New York?
Jedoch mein Mund blieb still.

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Wunden lecken.
Alles vergeben. Alles vergessen. Verzeihen.
Ab- und Angewöhnungsphasen. Das ist es, was ich nicht mag!
„Du bist noch so unwirklich. So durchsichtig. Kaum da.“
Gunnar lachte. „Du SIEHST.  Wahrhaftig und tatsächlich. Das ist großartig! Aber keine Sorge. Ich verdichte mich.“

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Fragende Augen.
Vorwurfsvolle Blicke.
Unklarheiten, die bis zu diesem Zeitpunkt nicht ausgesprochen wurden, verdunkelten das Gemüt.
Aber keine Dunkelheit vermag so finster zu sein, dass sie das Licht der Liebe nicht zu überstrahlen vermag.

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Die Wahrheit besitzt zuweilen einen faden Geschmack. Offenheit und Ehrlichkeit gelegentlich einen Beißenden, Scharfen oder Bitteren, der noch endlos und ungenießbar lange auf der Zunge liegt.
„Komm, wir sprechen alles aus, bevor wir daran zerbersten. Bevor es ewig zwischen uns schwelt.“, brach Gunnar schlussendlich das unerträgliche, belauernde Schweigen während wir zu Abend speisten.
„Du hast fremd gefickt. Nicht wahr?“ Mein Kopf war gesenkt. Jedoch meine Augen hoben sich zu ihm empor und sahen ihn vorwurfsvoll an.
„Nein.“, antwortete er mit ruhiger Stimme. „Ich habe keine fremden Frauen gefickt.“
Ich lachte kopfschüttelnd. Welche Zynik!
„Dann war es also der bekannte Selbstläufer?“
„Viel mehr das Angebotene, welches ich wahrnahm.“ Ein kurzes, verlegenes Lächeln huschte über seine Lippen.
„Elena?“, wurde ich deutlicher.
Seine Augen schlossen sich für einen kurzen Moment und dann sah er mir gefasst entgegen. „Und du? Der Russe? Gleichwohl KEIN Selbstläufer?“
Gunnars Augen fixierten die Meinen. „Wohl kaum.“, beantwortete er seine Frage selbst, während ich kurz, fast unmerklich nickte. Und jetzt nur nicht an Jason denken! Er hätte es augenblicklich bemerkt.
„Fickst du mit ihr, wenn du in Stockholm bist?“, setzte ich nach, um meinen Gedanken eine andere Richtung zu geben, das Gespräch auf ihn zurück zu lenken  und um meinen eifersüchtigen Wissensdurst zu stillen.
„Nein.“ Sein Blick schien mir abwartend. Schon wollte ich Zweifel am Wahrheitsgehalt dieses einen Wortes äußern, als er weiter sprach, nachdem er einen tiefen Atemzug genommen hatte. „Okay. Zuweilen.“
Ich hatte es gewusst. Ich hatte es genau gewusst!
Sein Körper, seine Händen formten entschuldigende Gesten. „Sie ist in der Tat attraktiv. Zugegeben. Jedoch liebe ich sie nicht. Ich nehme nur ihr Dankbarkeit an.“
Am liebsten hätte ich mich empört ob seiner Worte. Fragte stattdessen nach Siv.
„Was soll mit ihr sein? Ich sah sie seit über einer Woche nicht.“
Ich sank in mir zusammen. Schwermut breitete sich aus. „Warum passiert so etwas mit uns?“,  bemerkte ich jedes einzelne Wort betonend. Jedoch viel mehr für mich selbst, als dass ich fragte.
„Weil wir uns nicht vertrauen.“, war seine besonnene und zügige Antwort.
Entwaffnende Ehrlichkeit!?
„Du denkst, dass ich dich betrüge. Vergeltest es mir nach Annahme im Voraus. Ich hingegen weiß, dass du das denkst und tust und empfinde es nur als ausgleichende Gerechtigkeit, dergleichen gelegentlich ebenso in Anspruch zu nehmen.“
So vehement ich mich gleichwohl in meinem Inneren dagegen verwehren und empören mochte. Er sprach die Wahrheit. Ich hätte es an seiner statt genau so gesehen.
„Wie beenden wir es?“, fragte ich ohne Umschweife.
Gunnar sah mir angenehm überrascht entgegen und schmunzelte leicht.
„Indem wir uns vertrauen oder es tolerieren.“
„Billigen wir es denn nicht bereits? Ich wollte wissen, wie wir es beenden.“
„Willst du das denn tatsächlich?“
Ups. Jetzt nur nicht an Jason denken.
„Willst du es etwa nicht?“ Mein vorwurfvoller Blick traf ihn. Ich dachte an seine Neigungen. Sprach sie jedoch nicht an. Hoffte, dass Eriks Zauber wirksam wurde, wenn ich nur den Mund hielt und ihn nicht daran erinnerte.
„Natürlich will ich das. Es könnte in der Tat für uns beide zukünftig ein angenehmeres, erfreulicheres und entspannteres Leben werden. Und du willst es tatsächlich?“, fragte er noch einmal mit zweifelndem Blick.
Ich atmete ruhig. Ging in mich und  sprach mit den Worten des Herzens: „Ich wünsche mir nichts Sehnlicheres.“
Gunnar nickte und begann zu Lächeln. „Okay.“

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Trotz alledem schien er am Abend unzufrieden.
Wir sprachen noch einmal über Treue und er sprach sich eindeutig dafür aus.
Erstaunlich. Denn ob seiner Neigungen war dies genau genommen kaum möglich.
Ich bat ihn noch einmal mich nicht wieder und wieder allein zu lassen und die Führung in unser beider Leben zu übernehmen.
Schließlich gedachten und versprachen wir uns zukünftig uneingeschränktes Vertrauen entgegen zu bringen. Uns gegenseitig zur Seite zu stehen und füreinander da zu sein.

Dann doch noch die „Gewissensfrage“, welche ich mir nicht zu verkneifen vermochte. „Wie oft hast Du Elena gefickt in den letzten Tagen?“
„Sagst du mir im Gegenzug wie oft DU mit dem Russen gefickt hast?“
„Ja.“, antworte ich leise und senkte den Blick.
„Es geschah drei Mal. Mit Elena. Während der Zeit in New York. Sie wollte es so.“
Ich räusperte mich. „Drei Mal. Ebenso bei mir.“, gestand ich. „Verbrachtest du etwa die ganzen Nächte mit ihr?“, forschte ich rasant weiter, um ihm nicht die Gelegenheit für weitere Fragen zu bieten.
Nur war es an ihm sich zu räuspern. Er biss sich auf die Lippe und verzog ein wenig den Mund. „Die erste Nacht schon. Die Zweite schliefen wir zwar im selben Bett. Ich drehte ihr jedoch den Rücken zu und dachte, gleichwohl du es nicht für möglich halten wirst, an dich Rea. Nach dem dritten Mal bin ich schlicht und einfach aus dem Zimmer gegangen. Schlief NICHT bei ihr.“
„Wärst du nur bei mir geblieben, wäre all das nicht geschehen. Es ist deine Schuld.“, sagte ich trotzig. „Ich will nicht mehr (allein) ohne dich sein.“ (Und denken müssen den Männer für ihre Gegenwart einen Preis zahlen zu müssen.)
„Dann hätten wir uns jetzt nicht ausgesprochen und nicht (erneut) beschlossen uns treu zu sein.“ Gunnar lächelte und ich wusste, er hätte Recht.
Ehe, Partnerschaft und Zweisamkeit will gelernt sein.

Wir schliefen am gestrigen Abend nicht mehr miteinander. Stattdessen erzählte ich ihm ALLES über Marie.