Samstag, 17. August 2013

Odyssee des Fahrens und Erlebens und ein Gentlemen



Den gesamten Vormittag über plärrten die Kinder und warteten auf die Milch der Mutter.
Marie muss sie geben, absaugen, wie mir die Säuglingsschwester erklärte. Daher fährt täglich ein „Kurier“ zu Eriks Haus im Wald, um die Milch für die Kleinen abzuholen.
Ich kämpfte mit mir, dem iPhone und meiner Kränklichkeit. Dachte an Gunnar, der jeder Zeit zurückkommen konnte, welchen ich jedoch gleichwohl NICHT erreichte.
Nach dem Lunch hielt es mich nicht mehr. Die Kinder waren versorgt. Die Nanny und Sarah waren bei ihnen. Ich stieg in meinen Wagen und brauste in Richtung Stockholm davon um nach Troels zu suchen.

-------

Als ich so auf der Landstraße dahin fuhr, kamen mir Zweifel. Gedanken an Gunnar schlichen sich ein. Das Versprechen, welches wir uns gegeben hatten. Vertrauen.
Ich stieg auf die Bremse, wendete und nahm nun den Weg zu Eriks Hütte.
Bereits in dieser Nacht hatte ich mir vorgestellt, dass Gunnar neben mir lag.
Ein „realer“ anderer Mann wäre ohnehin nicht in Frage gekommen. Schließlich waren die Kinder samt Nanny und Sarah im Haus. Es hätte erneut Gerede gegeben. Also ließ ich es besser.
Ich fuhr und fuhr und fuhr. Konnte mich des Eindrucks nicht erwehren, dass ich Kreise zog. War mir sicher, dass DAS die „richtige“ Straße, der richtige Weg war. Jedoch vermochte ich Eriks Hütte nicht zu finden.
Es war schlicht und einfach unmöglich!
Das konnte nicht sein!
Sie musste doch hier irgendwo stehen!
Ich kannte diesen Platz. Das wusste ich genau.
Ich stoppte den Wagen und stieg aus.
Verschnaufte. Atmete durch. Phhuuu.
Hier ist in der Tat Hexerei im Spiel. Dachte ich.
Man kann doch nicht ein ganzes Haus samt Schuppen schwinden lassen???
Was nun?
Wenn ich Gunnar nicht zu finden vermochte, dann möglicherweise doch Troels.
Infolgedessen stieg ich in meinen Wagen und fuhr nun doch nach Stockholm.

-------

Als ich dort ankam, war es bereits gegen halb fünf.
Wieder und wieder versuchte ich Troels via iPhone zu erreichen. Nichts.
Okay. Dann würde ich eben alleine in der Sushi-Bar speisen, bevor ich zu Elenas Haus fuhr.

-------

Es muss so gegen halb sieben gewesen sein, als ich vor Elenas Wohnung parkte.
Ich sah nach ganz oben. Gleich unterm Dach. Da war Licht im Fenster. Ich konnte es deutlich sehen. Hoffnung keimte, Troels doch noch an diesem Abend zu finden.
Ich stieg die Treppen bis nach oben. Kam außer Puste. Schnaufte. Legte zwei kleine Pausen ein. Dann stand ich vor der Tür und klopfte.
Es dauerte nicht lange und Elena öffnete.
„Dein Mann ist nicht hier?“, sagte sie schroff, ohne eine Begrüßung.
„Und was ist mit Troels?“
„Er ist mit Frieda zum Zentrum gefahren.“
Ich stöhnte und brach in mir zusammen. Ich musste ihm unterwegs begegnet sein. Verdammt!
„Ist niemand hier, der dich beschützt?“
„Mads.“
„Okay.“, sagte ich und ging.

-------

Im Zentrum angekommen, nahm ich den direkten Weg zu Troels Hütte. Stoppte jedoch hundert Meter davor und ging den Rest des Weges zu Fuß.
Zumindest brannte Licht. Ein erneuter Hoffnungsschimmer!
Ich hatte bereits meine Hand zum Klopfen erhoben. Hielt jedoch inne. Ging nach links zum Fenster und spähte in Troels Zimmer hinein.
Dort sah ich Frieda. Sie saß auf Troels Bett und zog sich gerade das Shirt über den Kopf. Dann stand sie auf und streifte ihre Hosen ab. Die Unterwäsche ebenso. Nun kam Troels zur Tür herein und reichte ihr ein Handtuch. Sie nahm es und ging zum Badezimmer.
Ich ging einen Schritt zurück. Hatte Angst von Troels gesehen zu werden.
Frieda hatte tatsächlich nackt vor ihm gestanden.
WAS in aller Welt hatte DAS zu bedeuten???
Sie fickten doch miteinander. Vermutete ich.
Um dies jedoch herauszufinden, musste ich ausharren und weiterhin vor dem Fenster stehen bleiben, wie eine gewöhnliche Voyeurin.
Wenn man mich sah? Was würde man denken?

-------

Scheiß drauf! Gleichgültig. Es würde mich schon niemand sehen. Dachte ich.
Ich ging wieder den einen Schritt auf das Haus zu und beobachtete Troels. Er hatte sich auf das Bett gelegt, die Arme nach oben unter seinem Kopf und sah fern.
Es dauerte eine Weile bis Frieda, ausschließlich mit einem Badetuch bekleidet ins Zimmer zurückkam. Ihr Haar war nass und hing in Strähnen über ihre Brüste. Sie nahm das Handtuch von ihrem Körper und rieb sich damit den Kopf. Stand nackt vor Troels, der nur einen kurzen, gefälligen Blick zu riskieren schien. Frieda ging zum Schrank und holte eines von Troels Hemden heraus, um es sich kurzerhand überzustreifen. Dann legte sie sich zu ihm ins Bett.
Ich war so derart auf das Geschehen im Zimmer konzentriert, dass ich nicht bemerkt hatte, dass jemand von hinten an mich herangetreten war und mir mit dem Finger auf die Schulter tippte.
Ich schlug meine Hand auf den Mund. Unterdrückte einen Schrei und fuhr augenblicklich herum, um zu sehen, wer da hinter mir stand.
Mein Erstaunen war übergroß, als ich diesem attraktiven Musiker, den ich bereits kannte, in sein schönes, lächelndes Gesicht sah.
„Was tun sie hier?“, fragte er flüsternd.
„Oha! Ich weiß, wie das für sie aussehen muss.“, stotterte ich verlegen.
Er lachte und ich sah ein Blitzen in seinen wunderschönen Augen.
„Es ist nicht, wie sie denken.“, bekräftigte ich noch einmal.
„Was denke ich denn?“
Ich wusste in Tat nicht, was ich antworten sollte. Mein Mund blieb still. Ich stand nur da und starrte ihn an.
„Es wäre vielleicht besser, wenn wir von hier verschwinden würden. Bevor uns noch jemand entdeckt.“ Er zwinkerte mir zu und grinste. „Meinen sie nicht?“
„Ja. Ja. Natürlich.“

Am Ende lud er mich ein auf ein Glas Wein, welchen ich gegen Sprudel austauschte, sobald ich in seiner Hütte angekommen war.
Wir redeten und lachten viel. Sprachen über Musik und er spielte mir auf seinem Instrument einige Partitionen einer Symphonie. Ich lauschte gespannt und war glücklich nicht mehr allein zu sein. Das Schicksal hatte sich mir zugewendet und diesen gut aussehenden, sympathischen Mann in meine Hände gespielt.
Er war Feuer und Flamme für seine Musik. Mit welcher Leidenschaft er darüber sprach erstaunte mich. Da war kein Platz für eine Beziehung. Eine Frau. Die Musik nahm die erste Stelle in seinem Leben ein. Nichts weiter.
Er, Armon Rubinstein, 1980 in Bad Godesberg geboren, stattliche 1.90 groß und blond gefärbtes Haar, mit einem vorzüglichen deutsch, englisch und hebräisch erzählte mir über seine Jahre in New York und dass er seit frühester Kindheit nichts lieber tat als zu musizieren.
Ich fragte ihn, ob er sich nicht nach einer Familie, einer Frau und Kindern sehne. Er lächelte und sagte: „Später vielleicht. Obwohl ich mir das heute noch nicht wirklich vorstellen kann. Meine Familie ist das Team, mit welchem ich durch die Städte ziehe. Es ist genau das, was ich mir immer wünschte.“

„Was ist mit der Liebe?“, fragte ich schmunzelnd.
Armon lachte herzhaft. „Meine Liebe gilt der Musik.“
„Ach. Tatsächlich und ausschließlich?“, setzte ich nach.
„Ja. Uneingeschränkt und absolut.“
„Die armen Frauen, welche sie verehren. Keine von ihnen hat eine Chance. Wie bedauerlich.“, bemerkte ich. „Lassen sie es sie wenigstens wissen? Oder nicht?“
„Durchaus“, antwortete er und seine braunen Augen weitete sich immer mehr.

Nach einiger Zeit, es muss so gegen elf, halb zwölf gewesen sein, bemerkte er erstaunlicherweise von sich aus, dass ich erschöpft war und müde.
„Warum legen sie sich nicht einen Augenblick auf die Couch? Er stand auf, reichte mir eine Decke und nahm im Sessel Platz. „Ich werde mir in der Zwischenzeit noch eine Symphonie von Brahms anhören, wenn es sie nicht stört.“
So fiel ich mit den Klängen der Violine in einen unruhigen Schlaf.
Als ich für einen kurzen Augenblick erwachte, befand ich mich bereits in Armons Bett. Er lag neben mir und hatte seinen Arm unter meinen Kopf geschoben. Ich hielt ihn erstaunlicherweise fest umklammert.
„Oh! Tut mir leid.“, entschuldigte ich mich. „Ich sollte gehen.“
Ich war gerade im Begriff mich aufzurichten, als er mich sanft zurück in seinen Arm drückte. „Vielleicht können sie noch eine Weile bleiben? Wo ist eigentlich ihr Mann?“
Ich legte mich willig zurück in seinen Arm und lächelte verschämt. „Nicht da.“, antwortete ich leise und schloss die Augen um weiter zu schlafen.
„Sie sind eine einsame Frau.“, hörte ich ihn noch sagen, bevor ich erneut ins Land der Träume schwebte.

Wie angenehm und behaglich nicht allein, ohne Mann schlafen zu müssen. Ich schlief einen ruhigen, erholsamen Schlaf an Armons Körper geschmiegt. Und NEIN, wir fickten NICHT miteinander!


-------

Zu früher Stunde löste ich mich aus Armons Armen, der mir noch einmal liebevoll über die Wange strich und ging zurück zu meinem Haus.
Man hatte mich bereits vermisst. Wäre ich in dieser Stunde nicht zurückgekehrt, hätte Christine Kurt angerufen und nach mir suchen lassen.
„Wo um Himmels Willen waren sie?“, fragte Sarah.“
Ich lächelte nur und sie grinste.
„Nein, nein! Sarah. Nicht, was sie denken. Ich schlief nur. Nichts weiter.“

Die Säuglingsschwester musste Christine Bescheid gegeben haben. Denn sie war kurz nach meiner Rückkehr ins Haus umgehend erschienen, um „angeblich“ nach den Kleinen zu sehen, bevor sie zum Office ging. Ein vorwurfsvoller, durchdringender, fragender Blick traf mich. Sie schien misstrauisch und argwöhnte offensichtlich, dass ich ihren geliebten Sohn in der letzten Nacht erneut betrog.
„Wo warst du?“, platzte sie schließlich heraus.
„Hast du Gunnar erreicht?“, stellte ich eine Gegenfrage.
„Nein.“, war ihre knappe missbilligende Antwort und ich rang mit mir, ob ich auf ihre Frage tatsächlich wahrheitsgetreu antworten sollte.
„Gut.“, sagte ich stattdessen.
„Gut?“
„Ich suchte Gunnar am gestrigen Nachmittag.“
„Du warst bei Erik?“
„Nein!“
Sie sah mich verdutzt an. „Nein? Wo dann?“
„Erik und sein Haus waren auf wundersame Weise verschwunden. Ich fand es nicht. Obgleich ich mir sicher gewesen war, dass ich den richtigen Weg genommen und den korrekten Platz vor mir hatte.“
„Und dann?“, bohrte sie weiter.
„Fuhr ich nach Stockholm. Aß in der Sushi-Bar und war kurz bei Elena.“
Christine sah mich abwartend an. Sollte ich ihr gestehen, wo ich tatsächlich gewesen war?
Nein! Auf keinen Fall!
Ob so oder so. Sie würden ohnehin allesamt vermuten, ich hätte die Nacht in den Armen eines anderen Mannes verbracht. WAS nun in der Tat korrekt gewesen war. Jedoch war absolut NICHTS geschehen, wessen ich mich hätte schämen müssen. NUR, würde man mir genau DAS nicht glauben. Infolgedessen beließ ich es dabei, antwortete nicht mehr auf Christines Fragen und ging hingegen zum Badezimmer, wo ich mich für einige Zeit „einschloss“. Bis,...sich die Gemüter beruhigt hatten und Christine gegangen war.

Sarah bemühte sich noch einmal herauszufinden, wo ich gewesen war.
„Man hat sie bei Troels gesucht. Wissen sie?“
„W-a-s?“
„Christine bat mich gestern Abend zu Troels zu gehen und nachzusehen, ob sie dort sind.“
„Und?“
„Und was?“
„Waren sie dort?“
„Ja.“
„Was sagte ER?“
„Das er sie nicht gesehen habe und nichts weiter.“
„War noch jemand bei ihm?“
„Frieda. Sie lag auf seinem Bett.“
„Wann war das?“
„Phhuuu.“ Sie blies die Luft durch ihre geschürzten Lippen und dachte nach. „Vielleicht so gegen elf.“
Zu dieser Zeit erfreute ich mich bereits an Armons Gegenwart. Was ich selbstredend verschwieg.