Montag, 5. August 2013

Klatschbörse



Seit ich bei Wanja war, hatte ich kaum mehr einen Anruf entgegen genommen. Lediglich einen Kurzen von Troels und eine SMS von Kevin.
Gunnar hat sich bis dato noch immer nicht gemeldet. Also versuchte ICH ihn zu erreichen.
Nichts.
Ich rief Christine an und fragte, ob sie etwas von ihrem Sohn gehört hätte.
„Ja. Sie sind gut angekommen. Haben viel zu tun. Wo bist du eigentlich? Wir suchten bereits nach dir.“
„Gut aufgehoben.“, antwortete ich.
Sie fragte nicht weiter, und ich vermute, sie wusste genau, wo ich war. Man hat es ihr mit Sicherheit zugetragen.

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Ich rief Sarah Sjögren zu mir. Sie grinste nur, als sie hereinkam.
„Erzählen sie mir, was geklatscht wird.“, kam ich ohne Umschweife zur Sache.
Sie hob die Augenbrauen und kratzte sich verlegen an der Nase. „Na ja.“, begann sich zögerlich.
„Kommen sie Sarah. Raus damit.“, forderte ich sie auf.
Aus dem Augenwinkel sah ich Wanja grinsen. Er war gerade aus dem Bad gekommen, zog sich sein Shirt über und wollte zum Fitnesscenter gehen.
Sarah räusperte sich als sie ihn sah.
„Was gibt es denn nun Neues?“, fragte ich ungeduldig.
„So Einiges.“ Sie schmunzelte und sah mir verschmitzt lächelnd in die Augen.
„Man hat sie gesucht Rea. Aber die Gerüchteküche des Personals vermeldete Christine ziemlich deutlich, wo sie sich aufhalten.“
Ich atmete hörbar aus. „Das dachte ich mir bereits. Und weiter?“
„Man sagt, sie wollten es Troels heimzahlen, weil er dieses junge Mädchen bei sich hat. Und ihrem Mann ebenso, weil er mit dieser Polizistin und ihren Schwestern fickt. Diese Elena liegt ebenfalls hoch im Kurs, was ihren Ehemann betrifft. Man mutmaßt, dass er jetzt ihretwegen des Öfteren „rein geschäftlich“, versteh sich, nach Stockholm fährt, um sie dort zu...besuchen.“
„Zu ficken. Nicht wahr? Sagen sie nur, was sie denken.“
„ICH urteile nicht. Mag jeder tun, was ihm beliebt. Solange man mich damit in Ruhe lässt.“
„Was erzählt man sich noch alles so?“, bohrte ich weiter.
Sarah lachte. „Ach. Wie konnte ich es vergessen. Ihre dunkelhäutige Freundin Marie, und Mutter von Gunnars Kindern“, sie hatte ihren Kopf und ihre Stimme bei den letzten Worten gesenkt und sah mich nun von unter her an, „hat einen neuen Stecher.“
„Was?“
„Ähh, ich meine einen neuen Liebhaber.“
„WEN?“
„Henrik Espen Olafson.“
„Ach was?“ Ich atmete ein wenig erleichtert auf. „Dann hat sie gefunden, wonach sie suchte. Einen nordischen Mann.“
„Möglicherweise genügt ihr das nicht. Jedenfalls hat sie schon mal die Kinder mit zu ihm ihn die Hütte geholt“, sagte Sarah.
Ich kniff die Augen zusammen und sah sie abwartend an.
„So wie ich hörte, ließ ihre Freundin verlauten, dass sie Rea, Gunnar nicht verdienen. Schließlich hätte sie ihm keine Kinder geschenkt.“
Wie konnte sie nur dergleichen schändlich über mich reden? Obendrein ist sie noch immer hinter ihm her.
„Werden Frauen, insbesondere noch von anderen Frauen daran fest gemacht, wie viel Kinder sie gebären?“, ereiferte ich mich.  „Nun, möglicherweise gibt sie sich doch mit Henrik zufrieden. Er ist ein überaus netter Mann.“
„Nett? Ja. Er mag durchaus ein guter Kumpel sein. Aber ein Ehemann wohl eher nicht.“
„Warum das denn?“
„Er ist ein Einzelgänger. Bisher konnte man ihm nicht einmal ein einziges Verhältnis nachweisen.“ Sie grinste.
„Ach ja? Trifft das möglicherweise ebenso auf andere zu?“
„Sicher. Auf Paul Bradley beispielsweise. Man sah ihn noch nie mit einer Frau.“
Ich schmunzelte. Aus gutem Grund. Dachte ich.
„Nun. Der EINZEKGÄNGER hat sich offensichtlich doch mit einer Frau eingelassen.“
„Sarah richtet sich auf. „Ja. Sehr erstaunlich.“
„Was ist mit Adam?“
„Ah. Der Indianer. Na ja. Er war sehr wütend, als das raus kam. Mit ihr und Henrik. Er betrank sich besinnungslos und seitdem sah man ihn nicht mehr. Seine Sachen sind noch hier. Man glaubt ihn in Stockholm durch die Bars ziehend gesehen zu haben.“
„DAS sieht ihm ähnlich. Anstatt sich der Situation zu stellen und möglicherweise doch noch eine Wende herbei zu führen, ergreifen sie die Flucht und saufen. Typisch Mann!“
Sarah schmunzelte.
„Was ist mit Troels?“, fragte ich.
„Was soll mit ihm sein?“ Sie sah mich fragend an. „Müssten SIE das nicht wissen?“
„Nein eben nicht. Ich verweigerte jedweden Anruf.“
Wir lachten.
Er scheint tatsächlich ein guter Kerl zu sein.“, sprach Sarah weiter. „Niemand glaubt wirklich, dass er etwas mit Frieda oder gar Elena hat. Seinem Bruder würde ich das schon eher zutrauen.“
„Was ist mit dem Spanier. Felicio. Klatscht man etwas über ihn?“
„Ja. Natürlich. Man weiß schließlich, dass ER ihr Exmann ist. Anfangs wurde sogar vermutet, sie seien bei ihm.“
Wieso? Hat man jemand mit ihm gesehen?“
Sarah lachte leicht. „Ja. Mit einem anderen Spanier.“
„Ach. Und wie sieht er aus?“
Sarah grinste. „Gut!“

Wir saßen eine Weile beieinander und hingen unseren Gedanken nach.
„Wissen sie, diese Lisa Anekelea erzählt im Frauenkreis bösartige Dinge über sie. Klar wissen alle, dass sie eifersüchtig ist. Das ist sie beinahe auf jede Frau, die ihr Mann auch nur annähernd anschaut.“
„Was für Dinge?“
„Sie würden sadomasochistische Spielchen gemeinsam mit dieser Polizistin, ihrem Ehemann und sogar noch anderen Männern betreiben. Da oben. In dem Zimmer über dem Office. Es würde ihnen wohl nicht wirklich gefallen, erzählt man sich. Aber sie täten es trotzdem, weil sie ihren Ehemann nicht verlieren wollten.“
„Woher wissen sie die Leute das alles und das da ein Zimmer ist?“
„Das weiß doch jeder.“
Mir blieb der Mund offen stehen ob ihres Berichtes. Sarah sah mich nachdenklich und abwartend an. „Also stimmt es, was man sich so erzählt. Mit dem Zimmer und so.“
„Ja.“, war meine einsilbige Antwort.
„JETZT vermutet man natürlich, dass sie Gunnar ganz und gar verlassen.“
„Warum das denn?“
„Na ja. Wenn sie sich ganze zwei Tage mit dem Russen in seiner Hütte einschließen und wer weiß was tun?“
„Und wenn schon. Vor einiger Zeit lebte ich mit drei Männern gleichzeitig. Maja, Olivia und Elise tun das schließlich noch immer. Ebenso die deutsche Anna. Was ist daran so ungewöhnlich?“
Sarah lachte. „V-i-e-l.“
„Also werden sie ihren Mann nicht verlassen?“, fragte sie mit einem entwaffnenden Grinsen im Gesicht.
„Nein. Ich denke nicht.“ Ich verzog das Gesicht während ich diese Worte sprach und sah Sara Kopf wiegend an.
„Was erzählt man sich eigentlich über Wanja?“, fragte ich weiter.
„Das er reich ist. Na ja, und ein toller Mann, auf alle Fälle. Da kann man schon so Einiges vermuten?
„Weiß man denn, dass ich mit ihm bereits liiert war?“
„Ja. Ich hörte davon. Nur ist man sich uneinig darüber, warum sie ihn verlassen haben, NACHDEM er zu Geld gekommen war.“
Ich schüttelte mit dem Kopf. „Das ist unglaublich. Warum schreibe ich mein Leben nicht schlicht und einfach auf ein Blatt Papier und hänge es ans schwarze Brett? Dann würden weniger Gerüchte kursieren, und jeder wüste aus ERSTER HAND die ganze Wahrheit.“

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„Du hast keine Ordnung. Keine Struktur in deinem Leben. Tust und isst, was und wann immer es dir in den Sinn kommt.“, begann Wanja in bekannter Manier, als er vom Training zurückkam.
Da war er wieder. Der alte, militärisch geordnete Wanja, der versucht MICH in SEIN Leben einzubinden. Wessen ich jedoch bedarf, ist das genaue Gegenteil.
„Ich esse, wenn ich Hunger verspüre, und zwar DAS, was ich will. Nicht etwas Vorgegebenes, wenn es ZEIT dafür ist.“
„Hat dir das dein neuer Ehemann beigebracht?“
„Ja, und ich finde es in Ordnung so. Obgleich er ebenso vehement versucht Stabilität, Ruhe und Disziplin in meinen Tag zu bekommen.“
„Okay. Dann tut er wenigstens ETWAS für dich.“
„Er tut sehr viel für mich.“, verteidigte ich Gunnar.
„Was? Bei dir zu sein? Oder mit anderen Weibern zu ficken?“
„Warst DU vielleicht damals besser, kurz bevor ich dich verließ?“
„Dann weißt du ja ganz genau, was du zu tun hast.“ Wanja grinste mich an. „Und keine Angst. Ich bin nicht  mehr wie früher. Habe mich verändert.“
„Ach! Ist das so? Bist du vielleicht jetzt schwul? In jedem Fall steht fest, dass du dich noch immer mit deiner PR-Freundin triffst und sogar mit ihr verreist.“
„Wenn du nicht da bist?“
„Würdest du sie lassen, wenn ich zu dir zurück käme?“
„Selbstverständlich.“
„Das glaube ich dir nicht.“ Ich funkelte ihn misstrauisch an. „Du würdest mit ihr ausgehen. Weil ICH es nicht will. Würdest dich weiterhin heimlich mit ihr treffen. Nicht wahr?“
„Nein!“
„Ach. Du lügst. Ihr Männer lügt doch alle, sobald ihr den Mund aufmacht.“
Wanja wurde ernst. Ich wusste sehr wohl, dass ihm Ehre und Lauterkeit sehr viel bedeuten. Er ist einer von denen, die auf einem weißen Ross daher geritten kommen und die Prinzessin befreien. Sich allen Gefahren mutig entgegen stellt.
Dieses männliche Gehabe. Nur auf eine anständige, feinere Art.

Und nein. Wir speisen noch immer in Wanjas Hütte. Gehen nicht gemeinsam zum Restaurant. Lassen alles zu uns kommen.
Ich mag niemanden begegnen. Weder Marie, noch Adam, um den ich mich sorge. Ganz und gar nicht Christine. Jedenfalls im Augenblick. Es ist, als wollte ich Wanja tatsächlich genießen. Was ich mit Nichten vermutet hätte.
Amazing!