Freitag, 9. September 2016

Unglücks - Mädchen




Derek war am Morgen nicht im Büro gewesen. Er hatte Giselle und seinen Balg aus dem Hospital abgeholt.
Ich war verärgert, denn auch Gunnar war nach dem Frühstück nach Stockholm gefahren und ich wusste genau, er würde am Abend nicht wiederkommen. Es war die Nacht für Alexa. Wie jeden Donnerstag. Zudem war der Freitag stets eine Unkonstante, wo die Möglichkeit bestand, dass Gunnar mit seinen Brüdern, oder wem auch immer, feiern ging.
Infolgedessen blieb ich gewissermaßen allein. Nun gut, eine Zeit lang war Kevin bei mir, oder besser, ich bei ihm im Büro, wo auch alle anderen waren, die ich täglich dort sah.
Nach dem Lunch, bei welchen ich nun tatsächlich allein an meinem Tisch saß, entschloss ich mich für eine Massage. In dieser Zeit keimte erneut die Eifersucht und der Zorn auf diese Giselle und ihr Balg. Und ich vergaß, für einen kurzen Moment Dereks Worte während unserer Diskussion, die besagten, dass sich nichts an unserer Beziehung ändert. Diese Sicherheit, die er mir gab und das Verständnis, welche ich nach unserer kleinen Debatte durchaus für ihn, sein Kind und sogar für Giselle empfand, waren dahin. Ich war nur noch zornig. In dieser Stimmung, in die ich mich in meinem eigenem Unvermögen von Größe, welches mir genau genommen zu eigen hätte sein müssen, hineinmanövriert hatte, entschloss ich mich zu einem Waldspaziergang, der mir zum Verhängnis wurde. Denn ich knickte um.

Genau genommen gedachte ich ausschließlich ein wenig Ruhe zu finden. Ich wollte nicht allzu weit gehen. Lief dennoch, entgegen meiner Absicht, einen guten Kilometer in den Wald hinein. Auf einem Weg. Wendete dann und als ich so ein paar Meter gegangen war, trat ich unglücklich auf einen Stein und verdrehte mir den linken Fuß. Hätte ich doch nur die Wanderschuhe mitgenommen! Dachte ich in diesem Augenblick. Dann wäre dies nicht geschehen. Aber hätte ich sie auch angezogen, wo ich doch nur ein kleines Stück weit hatte gehen wollte um Erholung zu finden und um gegebenenfalls ein paar Fotos zu machen. Aber egal. Nun war es passiert. Es ziepte ein wenig, als ich den Fuß bewegte. Jedoch maß ich der Angelegenheit wenig Bedeutung bei. Richtete mich auf und ging sogar noch weiter in den Wald hinein. Auf unebenen Gelände. Und das allein.
So tief im Wald, fern ab von jedem begehbarem Weg, bemerkte ich allerdings schon, wenn der weiche Boden des Waldes ab und an nachgab, dass mein Fuß nicht wirklich in Ordnung war. Also begab ich mich lieber auf den Pfad zurück. Ich kam gerade bis zum Rande des dichten Waldes, wo ich urplötzlich einen Schmerz verspürte, der sich anfühlte, als steche man mir ein Messer in meinen Fuß. Das Auftreten war nun kaum mehr möglich und ich ließ mich fallen. Was nun?
Da saß ich nun mitten auf dem Weg und mein Auto war noch gut einen Kilometer entfernt. Laufen…..unmöglich.
Zum Glück hatte ich wenigstens mein iPhone eingesteckt. Wen anrufen in solch einer Situation an? Derek? NEIN! Sollte er sich doch um Giselle kümmern. (Selbst in so einer Situation ließ ich die Eifersucht und meinen Stolz nicht fallen.)
Ein Krankenwagen erschien mir unnötig. Dann fiel mir Ryan ein.
Ich wählte seine Nummer, oder besser, drückte die Taste und erzählte ihm holpern und aufgeregt, was geschehen war. Erklärte ihm, WO genau ich lag.
„Ich komme sofort!“, war seine prompte Reaktion.
„Kannst du bitte noch jemanden mitbringen, der meinen Wagen fährt?“, fragte ich ihn. Denn ich gedachte ihn nicht dort stehen zu lassen.
Es war Sarah Sjögren, seine Lebensgefährtin, die ihn begleitete und, die meinen Wagen zurück zum Zentrum fuhr.
Es hatte nicht wirklich lange gedauert, bis ich Ryans Wagen sah, der, entgegen der Vorschriften, auf diesem Forstweg bis zu mir gefahren war. Die beiden verließen eilig ihren Rover und sprinteten zu mir hin. Hoben mich auf und Ryan trug mich zu seinem Wagen zurück. Sarah gab ich die Schlüssel für meinen Ferrari.
Die beiden brachten mich in mein Haus und Sarah versorgte meinen Fuß. Er war einigermaßen angeschwollen. Sie packte mir ein Kühl Pack obenauf. Sagte, ich solle  das Bein hoch lagern und nicht belasten. Merkte an einen Arzt zu konsultieren. Ich lehnte es ab.
Bevor die beiden gingen, reichte mir Sarah noch eine Tablette hin. Denn ich stöhnte auf vor Schmerzen. Es tat höllisch weh!
„Wo ist Gunnar?“, fragte sie. „Oder Derek?“
Ich verdrehte die Augen. „Die beiden haben mit ihren Frauen und ihren Bälgern zu tun.“
Sarah hob die Brauen und setzte ein bedauerndes Lächeln auf. „Du kommst zurecht? Oder soll ich bleiben?“
„Nein, nein. Schon gut. Es wird schon gehen.“
Und gerade als die beiden mein Haus verlassen wollten, kam Derek herein. Benötigte einen Augenblick um zu verstehen. Sah von einem zum anderen und dann auf mein Bein.
„Was ist passiert?“, fragte er und eilte zu mir hin.
Ich erzählte ihm rasch, was geschehen war.
„Du bleibst doch sicherlich jetzt hier?“, fragte Ryan an Derek gewandt.
Der nickte. „Selbstverständlich“.
Nachdem ich mich bei Ryan und Sarah bedankt hatte, gingen die beiden.
Derek war aufgebracht. „Warum hast du mich nicht angerufen? Ich habe einige Male versucht dich zu erreichen. Es war nur die Mailbox dran. War nicht so wie so ausgemacht, das wir uns heute sehen?“
„Ich wusste nicht, ob du Zeit für mich erübrigen kannst, jetzt, wo andere Verpflichtungen weit wichtiger für dich sind.“
„Rea, WAS HATTEN WIR BESPROCHEN? Was habe ich dir gesagt? Es hat sich nichts geändert zwischen uns und geht weiter wie bisher. Was denkst du dir nur? Hättest du nicht wenigstens MICH benachrichtigen können, als du da auf dem Waldweg lagst? Ich wäre auch gern MIT DIR spazieren gegangen. Warum hast du mich nicht gefragt?“
Uffff…… Fragen über Fragen, die ich in diesem Augenblick mitnichten bereit war zu beantworten. Ich hatte Schmerzen und jammerte.
„Komm‘, nimm erst einmal die Schmerztablette.“ Derek steckte mir beide Hände entgegen. In der einen die Pille und in der anderen ein Glas mit Wasser. Ich griff zu und nahm………Dann wurde es umgehend besser mit den Schmerzen. Was mich so allmählich entspannen ließ. Denn zu allem Überfluss kontraktierten kontinuierlich meine Muskeln. Zogen sich zusammen und bei jedem Mal, schrie ich auf vor Schmerz.
Derek bemühte sich, mir ein ausgezeichneter Helfer (Pfleger) zu sein. Wechselte die Eis Packs und rieb zum Schluss, vor dem Schlafengehen, meinen Fuß noch mit einer Mischung aus zwei verschiedenen Salben ein, die er im Bad gefunden hatte. Es mussten Gunnars gewesen sein. Und sie waren sicherlich nicht mehr die Jüngsten. Es roch nach Minze und anderen Kräutern.
Ein wenig später schlug Derek noch vor, Gunnar anzurufen.
„Nein!“, herrschte ich ihn an. „Das kommt nicht in Frage.“
Derek tat verwundert. „Warum?“
Ich antwortete nicht. Stöhnte stattdessen auf und Derek beließ es dabei.

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Heute Morgen geht es mir schon besser. Die täglichen Dehn- und Streckübungen zahlen sich aus.
Selbstredend vermag ich noch nicht wirklich gut aufzutreten. Jedoch so einigermaßen humpeln kann ich schon.
Trotz alledem frühstückten wir im Restaurant. Ich setzte meine Füße, langsam, Schritt für Schritt und Derek stützte mich.
Ich gedachte nicht ZU viel zu ruhen. Eher zu erproben, ob und wie weit ich wieder gehen kann.
Während wir speisten, rief Dereks Mutter an. Am Morgen, so gegen neun, gerade nachdem wir aufgewacht waren, alldieweil sehr spät ins Bett, hatte bereits Giselle nach ihm geläutet. Nun begann er eine Debatte mit seiner Mutter und stieß auch sie vor den Kopf.
Derek war aufgestanden und hatte sich ein wenig von mir weg gedreht. Dennoch hörte ich, was er sagte. Seine Worte waren unbeugsam und eindeutig. Er erklärte ihr, dass er zwar die Verantwortung für das Kind übernahm und sich kümmern würde, jedoch hätte Giselle keinerlei Rechte an ihm. Schließlich wäre es ihre Entscheidung gewesen. Nicht die Seine.
„Mutter! Bitte! Jetzt nicht. Ich gehe später zu ihr. Sie kann mich doch so wie so jeder Zeit anrufen, wenn sie mich braucht.“
Derek schnaufte und setzte sich an unseren Tisch zurück.
„Kommst du mit ins Büro?“, fragte er dann.
„Ich versuche es.“
Auf dem Weg dorthin entschloss ich mich jedoch nach Hause zu gehen. Derek begleitete mich.
„Soll ich bleiben? Gibt mir meine Chefin frei?“, fragte er mit einem breiten Grinsen.
„Wenn nichts wichtiges zu tun ist.“, antwortete ich ihm und grinste zurück. „Aber ich werde ein wenig schreiben.“
„Ist okay. Wann kommt Gunnar zurück.“
Ich zuckte mit den Achseln. „Das weiß ich nicht.“