Derek war am
Morgen nicht im Büro gewesen. Er hatte Giselle und seinen Balg aus dem Hospital
abgeholt.
Ich war
verärgert, denn auch Gunnar war nach dem Frühstück nach Stockholm gefahren und ich
wusste genau, er würde am Abend nicht wiederkommen. Es war die Nacht für Alexa.
Wie jeden Donnerstag. Zudem war der Freitag stets eine Unkonstante, wo die
Möglichkeit bestand, dass Gunnar mit seinen Brüdern, oder wem auch immer,
feiern ging.
Infolgedessen
blieb ich gewissermaßen allein. Nun gut, eine Zeit lang war Kevin bei mir, oder
besser, ich bei ihm im Büro, wo auch alle anderen waren, die ich täglich dort
sah.
Nach dem Lunch,
bei welchen ich nun tatsächlich allein an meinem Tisch saß, entschloss ich mich
für eine Massage. In dieser Zeit keimte erneut die Eifersucht und der Zorn auf diese
Giselle und ihr Balg. Und ich vergaß, für einen kurzen Moment Dereks Worte
während unserer Diskussion, die besagten, dass sich nichts an unserer Beziehung
ändert. Diese Sicherheit, die er mir gab und das Verständnis, welche ich nach
unserer kleinen Debatte durchaus für ihn, sein Kind und sogar für Giselle
empfand, waren dahin. Ich war nur noch zornig. In dieser Stimmung, in die ich
mich in meinem eigenem Unvermögen von Größe, welches mir genau genommen zu
eigen hätte sein müssen, hineinmanövriert hatte, entschloss ich mich zu einem
Waldspaziergang, der mir zum Verhängnis wurde. Denn ich knickte um.
Genau genommen
gedachte ich ausschließlich ein wenig Ruhe zu finden. Ich wollte nicht allzu
weit gehen. Lief dennoch, entgegen meiner Absicht, einen guten Kilometer in den
Wald hinein. Auf einem Weg. Wendete dann und als ich so ein paar Meter gegangen
war, trat ich unglücklich auf einen Stein und verdrehte mir den linken Fuß.
Hätte ich doch nur die Wanderschuhe mitgenommen! Dachte ich in diesem
Augenblick. Dann wäre dies nicht geschehen. Aber hätte ich sie auch angezogen,
wo ich doch nur ein kleines Stück weit hatte gehen wollte um Erholung zu finden
und um gegebenenfalls ein paar Fotos zu machen. Aber egal. Nun war es passiert.
Es ziepte ein wenig, als ich den Fuß bewegte. Jedoch maß ich der Angelegenheit
wenig Bedeutung bei. Richtete mich auf und ging sogar noch weiter in den Wald
hinein. Auf unebenen Gelände. Und das allein.
So tief im Wald,
fern ab von jedem begehbarem Weg, bemerkte ich allerdings schon, wenn der
weiche Boden des Waldes ab und an nachgab, dass mein Fuß nicht wirklich in
Ordnung war. Also begab ich mich lieber auf den Pfad zurück. Ich kam gerade bis
zum Rande des dichten Waldes, wo ich urplötzlich einen Schmerz verspürte, der
sich anfühlte, als steche man mir ein Messer in meinen Fuß. Das Auftreten war
nun kaum mehr möglich und ich ließ mich fallen. Was nun?
Da saß ich nun
mitten auf dem Weg und mein Auto war noch gut einen Kilometer entfernt. Laufen…..unmöglich.
Zum Glück hatte
ich wenigstens mein iPhone eingesteckt. Wen anrufen in solch einer Situation an?
Derek? NEIN! Sollte er sich doch um Giselle kümmern. (Selbst in so einer
Situation ließ ich die Eifersucht und meinen Stolz nicht fallen.)
Ein Krankenwagen
erschien mir unnötig. Dann fiel mir Ryan ein.
Ich wählte seine
Nummer, oder besser, drückte die Taste und erzählte ihm holpern und aufgeregt,
was geschehen war. Erklärte ihm, WO genau ich lag.
„Ich komme
sofort!“, war seine prompte Reaktion.
„Kannst du bitte
noch jemanden mitbringen, der meinen Wagen fährt?“, fragte ich ihn. Denn ich
gedachte ihn nicht dort stehen zu lassen.
Es war Sarah
Sjögren, seine Lebensgefährtin, die ihn begleitete und, die meinen Wagen zurück
zum Zentrum fuhr.
Es hatte nicht
wirklich lange gedauert, bis ich Ryans Wagen sah, der, entgegen der
Vorschriften, auf diesem Forstweg bis zu mir gefahren war. Die beiden verließen
eilig ihren Rover und sprinteten zu mir hin. Hoben mich auf und Ryan trug mich
zu seinem Wagen zurück. Sarah gab ich die Schlüssel für meinen Ferrari.
Die beiden
brachten mich in mein Haus und Sarah versorgte meinen Fuß. Er war einigermaßen
angeschwollen. Sie packte mir ein Kühl Pack obenauf. Sagte, ich solle das Bein hoch lagern und nicht belasten.
Merkte an einen Arzt zu konsultieren. Ich lehnte es ab.
Bevor die beiden
gingen, reichte mir Sarah noch eine Tablette hin. Denn ich stöhnte auf vor
Schmerzen. Es tat höllisch weh!
„Wo ist Gunnar?“,
fragte sie. „Oder Derek?“
Ich verdrehte
die Augen. „Die beiden haben mit ihren Frauen und ihren Bälgern zu tun.“
Sarah hob die
Brauen und setzte ein bedauerndes Lächeln auf. „Du kommst zurecht? Oder soll
ich bleiben?“
„Nein, nein.
Schon gut. Es wird schon gehen.“
Und gerade als
die beiden mein Haus verlassen wollten, kam Derek herein. Benötigte einen
Augenblick um zu verstehen. Sah von einem zum anderen und dann auf mein Bein.
„Was ist
passiert?“, fragte er und eilte zu mir hin.
Ich erzählte ihm
rasch, was geschehen war.
„Du bleibst doch
sicherlich jetzt hier?“, fragte Ryan an Derek gewandt.
Der nickte. „Selbstverständlich“.
Nachdem ich mich
bei Ryan und Sarah bedankt hatte, gingen die beiden.
Derek war
aufgebracht. „Warum hast du mich nicht angerufen? Ich habe einige Male versucht
dich zu erreichen. Es war nur die Mailbox dran. War nicht so wie so ausgemacht,
das wir uns heute sehen?“
„Ich wusste
nicht, ob du Zeit für mich erübrigen kannst, jetzt, wo andere Verpflichtungen
weit wichtiger für dich sind.“
„Rea, WAS HATTEN
WIR BESPROCHEN? Was habe ich dir gesagt? Es hat sich nichts geändert zwischen
uns und geht weiter wie bisher. Was denkst du dir nur? Hättest du nicht
wenigstens MICH benachrichtigen können, als du da auf dem Waldweg lagst? Ich
wäre auch gern MIT DIR spazieren gegangen. Warum hast du mich nicht gefragt?“
Uffff…… Fragen
über Fragen, die ich in diesem Augenblick mitnichten bereit war zu beantworten.
Ich hatte Schmerzen und jammerte.
„Komm‘, nimm erst
einmal die Schmerztablette.“ Derek steckte mir beide Hände entgegen. In der
einen die Pille und in der anderen ein Glas mit Wasser. Ich griff zu und nahm………Dann
wurde es umgehend besser mit den Schmerzen. Was mich so allmählich entspannen
ließ. Denn zu allem Überfluss kontraktierten kontinuierlich meine Muskeln.
Zogen sich zusammen und bei jedem Mal, schrie ich auf vor Schmerz.
Derek bemühte
sich, mir ein ausgezeichneter Helfer (Pfleger) zu sein. Wechselte die Eis Packs
und rieb zum Schluss, vor dem Schlafengehen, meinen Fuß noch mit einer Mischung
aus zwei verschiedenen Salben ein, die er im Bad gefunden hatte. Es mussten
Gunnars gewesen sein. Und sie waren sicherlich nicht mehr die Jüngsten. Es roch
nach Minze und anderen Kräutern.
Ein wenig später
schlug Derek noch vor, Gunnar anzurufen.
„Nein!“,
herrschte ich ihn an. „Das kommt nicht in Frage.“
Derek tat
verwundert. „Warum?“
Ich antwortete
nicht. Stöhnte stattdessen auf und Derek beließ es dabei.
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Heute Morgen
geht es mir schon besser. Die täglichen Dehn- und Streckübungen zahlen sich
aus.
Selbstredend
vermag ich noch nicht wirklich gut aufzutreten. Jedoch so einigermaßen humpeln
kann ich schon.
Trotz alledem
frühstückten wir im Restaurant. Ich setzte meine Füße, langsam, Schritt für
Schritt und Derek stützte mich.
Ich gedachte nicht
ZU viel zu ruhen. Eher zu erproben, ob und wie weit ich wieder gehen kann.
Während wir
speisten, rief Dereks Mutter an. Am Morgen, so gegen neun, gerade nachdem wir
aufgewacht waren, alldieweil sehr spät ins Bett, hatte bereits Giselle nach ihm
geläutet. Nun begann er eine Debatte mit seiner Mutter und stieß auch sie vor
den Kopf.
Derek war
aufgestanden und hatte sich ein wenig von mir weg gedreht. Dennoch hörte ich,
was er sagte. Seine Worte waren unbeugsam und eindeutig. Er erklärte ihr, dass
er zwar die Verantwortung für das Kind übernahm und sich kümmern würde, jedoch hätte
Giselle keinerlei Rechte an ihm. Schließlich wäre es ihre Entscheidung gewesen.
Nicht die Seine.
„Mutter! Bitte! Jetzt
nicht. Ich gehe später zu ihr. Sie kann mich doch so wie so jeder Zeit anrufen,
wenn sie mich braucht.“
Derek schnaufte
und setzte sich an unseren Tisch zurück.
„Kommst du mit
ins Büro?“, fragte er dann.
„Ich versuche
es.“
Auf dem Weg
dorthin entschloss ich mich jedoch nach Hause zu gehen. Derek begleitete mich.
„Soll ich
bleiben? Gibt mir meine Chefin frei?“, fragte er mit einem breiten Grinsen.
„Wenn nichts
wichtiges zu tun ist.“, antwortete ich ihm und grinste zurück. „Aber ich werde
ein wenig schreiben.“
„Ist okay. Wann
kommt Gunnar zurück.“
Ich zuckte mit
den Achseln. „Das weiß ich nicht.“