Mittwoch, 1. November 2017

Ahnungen und Pläne



Ich vermag Gunnar noch immer nicht zu erreichen………was meine größte Sorge ist.
Auch Erik hat nichts von ihm gehört. Was genau genommen eigenartig ist.
Vielleicht sollte ich seinen Vater oder einen seiner Brüder anrufen. Nur Erik meinte, ich sollte Gunnar noch ein wenig Zeit und Ruhe zur Besinnung gönnen, was offenbar am vernünftigsten ist. (Solange bleibe ich hier bei Sasha.)

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Sashas Eltern kamen gestern noch zu uns. Der Besuch verlief ohne Probleme. Niemand drängte mich zu irgendetwas. Small talk. Freundlichkeit. Judith schenkte mir anerkennende Blicke ob meiner (wenigen) häuslichen Fähigkeiten und vor allem, dass ich nun doch bereitwillig (?) ihre Kette trug.

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Kevin rief an. Es handelte sich um Belange des Zentrums. Und als ich davon sprach, womöglich doch noch etwas länger in Kanada zu bleiben, beschwerte er sich, dass ich kaum noch in Schweden war.
„Über Weihnachten und Sylvester bin ich in Deutschland. Da kannst du tun was du willst.“
„Dann muss Mike in die Bresche springen.“, entgegnete ich.
„Er hat ebenfalls Urlaub eingereicht.“
„Nun, vielleicht ist bis dahin alles wieder geklärt. Aber irgendwie habe ich da so ein Gefühl, so eine Ahnung, dass Gunnar dieses Mal länger abwesend sein wird als bisher.“
„Du richtest dich offenbar bereits häuslich ein, in Montreal bei deinem Juden.“, was mehr eine Feststellung als eine Frage von Kevin war.
„Wie wäre es denn, wenn du, Janina und dein Sohn am Wochenende zu uns kämen?“, offerierte ich Kevin meine Idee, welche gerade meines Hirnes entsprungen war.
Er lachte. „Ich habe nicht vor, mich stundenlang durch die Kontrollen am Flughafen zu quälen.“
„Musst du nicht.“, schaltete sich Sasha ins Gespräch mit ein, der mitgehört hatte. „Ich schickte dir unseren Flieger. Und zurück natürlich das Gleiche.“
Ich sah Sasha voller Erstaunen an. Und gleichwohl etwas fragend. Er grinste nur.
Kevin zögerte. „Ich muss noch mit Janina darüber reden und rufe dich Morgen wieder an. Ist das okay?“
„Ja. Selbstverständlich.“, tönte Sasha von Weitem und nickte mir dabei freundlich lächelnd zu.

Kevin begann nun von selbst über die Fortschritten seines Gehens zu erzählen. Worüber ich überaus zufrieden war. Vor allem, dass es ihn glücklich macht, gibt mir eine gewisse Erleichterung.
„Weißt du was?“, fragte ich ihn abschließend. (Noch eine glorreiche (fixe) Idee.) „Wie wäre es denn, wenn ich dir das Zentrum schenke, sollte ich womöglich doch…….“
„Wow! Wow! Wow! Jetzt aber mal langsam Rea. Was soll DAS denn bitteschön bedeuten? Das du nicht wiederkommst?“
Ich atmete tief ein und schnaufte durch. „Du weißt, da ist dieses Gefühl, dass ich Gunnar möglicherweise längere Zeit nicht wiedersehe. Ich meine, er hat mich immer, zumindest nach Tagen, angerufen und informiert. Hat sich um mich gesorgt. Aber er stieß mich weg, als ich ihm helfen wollte und er zusammengekrümmt am Boden lag. Er hatte gerade vom Tod seines Sohnes erfahren.“
„Rea, das musst du verstehen. Wenn meine Sohn……“, Kevin stockte. „Ich wüsste nicht, wie ICH reagieren würde.“
„Ja schon. Aber er hätte sich zumindest einmal melden können.“
„Lass ihm Zeit.“   

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Drei Geschäftsreisen stehen demnächst für Sasha und seinen Vater an. Die erste ist bereits Morgen. Ich werde ihn nach Tokio begleiten. Nach Saudi Arabien selbstverständlich nicht. Und sollte ich tatsächlich noch länger bei ihm sein, werde ich natürlich ebenso mit ihm nach Namibia fliegen (wo die Mienen sind).

Sasha mutierte vom kleinen Sicherheitsteam-Angestellten in meinem spirituellen Zentrum zum Boss einer Firma. Was seine selbstbewusste, stolze Art erklärt, welche er zu Beginn an den Tag gelegt hatte, als ich ihn kennenlernte. Es war also doch nicht gespielt.

„Sasha, ich muss noch einige Rechnungen zahlen.“, rechtfertigte ich mein nicht abschalten wollen des Computers.
„Lass mich das tun.“, sagte er zu mir.“
Ich wehrte energisch ab. „Nein.“
„Als Ausgleich so zu sagen, für die Probleme, die ich dir bereitete. Und genau genommen war es schließlich aus Liebe zu dir und die Verzweiflung nicht bei dir sein zu können.“
„Dann tue es.“, sagte ich zufrieden lächelnd zu ihm.
(Was soll es schon schaden? Ich ergebe mich der derzeitigen Situation. Und womöglich hat gleichwohl das Tragen der Halskette etwas mit meiner gemilderten Stimmung zu tun.)

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Heute Morgen war ich schon beizeiten auf. Ein Arzttermin war geplant gewesen, welchen ich allerdings dann doch absagen musste, während Sasha laufen war. Gleich nach dem Frühstück ist er zu seinem Vater gefahren, um die morgige Reise vorzubereiten, auf welcher ich ihn begleiten werde. Am Freitag sind wir zurück und wenn Kevin dann doch in Erwägung zieht uns zu besuchen, könnte Sasha ihm dann den Flieger schicken, nachdem er gewartet wurde.
Aber vielleicht greife ich vor mit meiner Planung und alles kommt ganz anders………………wer weiß.