Als ich gerade mit Kevin skypte, und er endlich dafür
allein gewesen war, kam Gunnar zurück. Es war spät und ich sah ihn verwundert
an. Sagte jedoch nichts. Eine Erklärung von ihm gab es indes ebenso wenig.
Wobei ich es beließ.
Kevin hatte Streit mit seiner Frau und sie war aus dem Haus
gerannt.
War ICH jetzt die Seelentrösterin? Wo ich doch genau
genommen einen Freund zum reden suchte. Ich hörte Kevin zu, und Gunnar
ebenfalls.
„Ich komme zu euch.“, sagte Kevin, als Gunnar sichtbar
hinter mir stand. „Was denkst du Gunnar, lassen wir die Dreiecksbeziehung
wieder aufleben? Wir zwei und Rea.“ Er lachte.
Endlich. Dachte ich. Natürlich auf sein Lachen bezogen, und
ich mag es, wenn Kevin lacht!
Gunnar indes runzelte die Stirn. „Klar. Warum nicht.“,
sagte er schließlich.
„Und wie wäre es, wenn wir noch einen Dritten dazu
nehmen.“, warf ich ein. „Wie schon einmal.“
„Aber doch nicht wieder Ian?“, frage Kevin und wartete auf
meine Reaktion.
„Nein. Wie wäre es mit Wanja?“
„Ha!“, kam ein Aufschrei aus der Box. „Nein. Dem hat keiner
von uns beiden etwas entgegen zu setzen. Weder an Reichtum, noch an
Körpergröße, noch an Kraft.“
„Ich bezweifle, dass der Russe diesem Vorschlag auch nur
erwägen würde.“, sagte Gunnar ein wenig pikiert und sein Blick verriet mir,
dass er Wanja als ernstzunehmenden Gegner ansah.
„In diesem Fall hast du wahrscheinlich Recht.“, stimmte ich
Gunnar ein wenig spöttelnd zu und vermochte ein genugtuendes Grinsen nicht zu
unterdrücken. „Was allerdings in der Tat überaus bedauerlich ist.“, fügte ich
noch betonend hinzu.
„Was willst du mit drei Männern?“, fragte Gunnar, zwinkerte
mir zu und ich wusste genau, worauf er anspielte.
„Denken Männer immer nur ans Ficken?“, erboste ich mich
gespielt. „Ist das tatsächlich das Wichtigste im Leben? Sagest du nichts
selbst, dass man genau darauf keine Beziehung aufbauen kann.“
Gunnar legte demonstrativ seine Arme um meine Schulter und
sah in die Kamera. „Tue ich das etwa?“
„Tust du es?“, trieb ich die Posse weiter.
Gunnar erhob sich und stand nun wieder gerade und etwas
steif hinter mir. „Du willst doch jetzt nicht etwa mit mir streiten?“,
erwiderte er ebenso gespielt provokant. „Unsere Beziehung basiert auf Liebe.
Einer überdimensionalen Liebe, und das im wahrsten Sinne des Wortes.“, wurde
Gunnar nun wieder sachlich und ernster.
„Ja. Du hast Recht.“, gab ich ernst und verstehend zurück
„Und wie definierst du die Beziehung zu den anderen Frauen?“
Gunnar schnaufte und wandt sich kurz ab. Kippte die
Situation jetzt etwa auf Grund meiner letzten Frage?
„Willst du now tatsächlich mit mir über Eifersucht
debattieren?“, kam es ein wenig gereizt zu mir herüber. Vermutlich hatte ich mit
meinen letzten Worten den Bogen des Sarkasmus überspannt und es tat mir leid.
Ich griff nach Gunnars Hand und verzog den Mund ein wenig zu einem bedauernden
Schmollen. Woraufhin ein liebevolles Lächeln Gunnars Mundwinkel umspielten. Er
nahm meine Hand und beugte sich wieder zu mir herunter. Kuschelte seinen Kopf
in meinen Nacken und ich hörte wie er genießerisch meinen Duft ein sog.
„Hey! Ihr beiden. Schluss mit dem Gezänk!“, hörte ich Kevin
mit gespieltem Unmut sagen. „Also, was ist. Kann ich zu euch kommen?“
Ein kurzes Grinsen huschte über Gunnars Gesicht. „Wenn du
es wirklich willst? Es ist deine Entscheidung. Bedenke aber, dass du deiner
Frau versprachst, keinen Kontakt zu Rea
herzustellen.“
„Ich weiß, und ich bin offenkundig zum Feigling geworden.
Denn ich kapituliere bereits an den Stufen der Häuser und den Bordsteinkanten.“
Gunnar nickte mit einem mitfühlenden Blick, richtete sich
auf und winkte Kevin zum Abschied zu. „Mach das mit Rea aus. Bye.“
Natürlich war Kevins Ansinnen nur ein Scherz gewesen.
Zumindest nehme ich das an.....
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„War es nötig vor Kevin den Russen zu erwähnen und einer
Dreiecks- oder ganz und gar Vierecksbeziehung, wenn auch nur hypothetisch,
zuzustimmen?“, fragte Gunnar während wir im Restaurant zu Abend speisten.
Ups. Hatte meine unbedachte Bemerkung und mein Sarkasmus
ihn mehr verletzt als ich dachte? Natürlich musste Gunnar auf Wanja
eifersüchtig sein. Wollte ich mich doch noch vor kurzem seinetwegen von ihm
trennen. Nur seine bloße Erwähnung schien Gunnar Mannesehre zu beeinträchtigen.
Ich räusperte mich kurz und sah ihm mit ernstem und ebenso
verständigem Blick entgegen. „Es tut mir leid. Das hätte ich womöglich in der
Tat nicht ansprechen sollen. Aber andererseits ignoriere und schweige ich über
deinen kleinen Seitensprünge.“
„Die neigungsbedingt sind. Und wollten wir uns nicht gerade
diesbezüglich vertrauen? “
„Nicht alle.“, kam ich auf die Seitensprünge zurück.
„Du spielst doch nicht etwa erneut auf die Gerüchte der
Belegschaft an? Das ist Unsinn Rea, und das weißt du. Über dich wird dort
ebenso geredet. Chef und Chefin sind stets die Zielscheibe von Klatsch und
Tratsch. Das stellten wir doch bereits fest.“
„Was erzählt man sich denn von mir?“, fragte ich
augenzwinkernd.
Gunnar atmete tief und hörbar ein. Lächelte kurz, wobei
sich seine Mundwinkel und seine linke Augenbraue nach oben zogen. „Warum fragst
du nicht Sarah Sjögren?“ Gunnar lachte. Und ich konnte mich seiner ansteckenden
Heiterkeit nicht entziehen.
„Im Ernst. Was besagen die Gerüchte über mich?“
Gunnar grinste noch immer. „Das Übliche. Verhältnisse mit
diesem und jenem. Genau wie bei mir.“
„Mit wem?“, setzte ich vorsichtig nach.
„Lass gut sein Rea. Es ist mir gleichgültig, da ich weiß,
das sie in keinster Weise der Wahrheit entsprechen.“ Gunnar lächelte mir
zufrieden entgegen. „Du siehst, es ist unnötig über dergleichen überhaupt
nachzudenken. Jeder von uns hat seine kleinen Geheimnisse, von denen der andere
weiß und die er toleriert. Oder etwas nicht? Ich bringe dich sogar zu Troels
Wohnung. Wer nun allerdings wem mehr zumutet, bleibt dahingestellt. Überdies
wollten wir uns vertrauen, da wir ohnehin alles voneinander wissen.“
„Tun wir das wirklich?“
„Ich zumindest tue das.“, sagte Gunnar und ein zufriedener,
sanftmütiger Blick wanderte in meine Richtung.
„Weil du stets zu ergründen vermagst was ich denke.“,
erwiderte ich beinahe vorwurfsvoll.
Gunnar lächelte mitfühlend. „Wenn du es nur wolltest,
würdest du diese Kunst ebenso auszuüben verstehen.“
Gunnar versicherte mir auf dem Weg zurück zu unserem Haus,
weiterhin an diesem Abend und darüber hinaus seine Liebe, Zuneigung und ebenso
seine Loyalität. Woraufhin ich ihm mit ebensolcher Liebe und Zuversicht begegnete,
um mich mit einem Gefühl der Geborgenheit in seine Arme sinken zu lassen.
Andererseits vermochte ich dies alles in ähnlichem Maße bei
Wanja zu finden. Oder womöglich bei Troels (Kevin?) oder noch jemand anderen,
den ich noch nicht kannte.
Ich bin noch immer der Meinung, dass ALLES möglich ist.
Krankheit hin oder her!
Trotz alledem wäre es mir am liebsten, hier mit meinem
Ehemann, den ich lieben lernte und an welchen ich mich nunmehr bereits gewöhnte,
in Ruhe, Frieden und Harmonie zu leben.
Ich weiß nicht, ob Gunnar in diesem Augenblicke meine
Gedanken las. In jedem Fall fühlte ich, dass jedweder Sarkasmus, Zweifel und
oder ganz und gar Misstrauen zwischen uns verfolgen war.
Und ist
es nicht DAS, was wahre Liebe zu einem anderen Menschen überhaupt ausmacht? Ob
nun zu Mann oder Frau. Vorurteilsfrei aufeinander zuzugehen. Offen und ehrlich
zu sein. Den anderen in seiner Einzigartigkeit zu respektieren und seine Unzulänglichkeiten zu
tolerieren. Ihn so annehmen, wie er ist. Nichts zu erwarten. Nichts zu fordern.
Nicht formen oder verändern zu wollen. Sich gegenseitig Freiräume zu gestatten
und sich in diesen zu vertrauen.