Samstag, 4. Januar 2014

Gerüchte?



Meinen Ehemann sah ich gestern tagsüber nur wenige Stunden. Er sagte mir, er sei vormittags in Stockholm und nachmittags im Büro gewesen.
Nun, den Lunch nahm ich jedenfalls mit Emilia Stephansdottir ein.


  Wir schmusten eine Weile, nachdem Gunnar so gegen halb acht zurück- und aus der Dusche gekommen war. Zumindest hatten wir das Dinner gemeinsam eingenommen. Danach war ich allerdings allein zum Haus zurückgegangen und Gunnar noch einmal ins Office. Angeblich wäre dort noch etwas zu erledigen gewesen.

„Alles was du willst.“, sagte Gunnar und sah mir liebevoll in die Augen, nachdem wir uns innig geküsst hatte. Genau genommen war das stets mein Satz gewesen. Aber WAS wollte ICH eigentlich?
Da ich gedachte meine ohnehin bereits medikamentös überreizte Scheide nicht noch über zu strapazieren, entschied ich mich für Felation und griff mit meiner Hand nach Gunnars nacktem Penis. Er grinste. „Tatsächlich?“, fragte er mit nach oben gezogener Augenbraue.
„Was? Tatsächlich?“
Natürlich wusste ich, dass er meine Gedanken gelesen hatte und es ihm nicht entgangen war, woran ich dachte.
Gunnar verzog das Gesicht. „Du weißt, dass ich es weiß. Ich dachte nur, du magst es nicht sonderlich.“
„Tue ich auch nicht. Aber...“
„Ich weiß.“, unterbrach er mich. „Das würde deine Beschwerden nur noch schlimmer machen.“ Er leckte sich die Lippen, lächelte und machte mit seiner Hand eine einladende Bewegung. „Mir soll das Recht sein.“

(Mein neues Orakel)

Es scheint mir zur Gewohnheit zu werden, mich vormittags bei anderen Frauen (Freundinnen) aufzuhalten.
Da Gunnar nach dem Breakfast im Restaurant, den Weg zum Office einschlug, bog ich auf dem Rückweg zu unserem Haus zu Sarahs Hütte ab. Natürlich saß sie nicht auf der Veranda. Es ist schließlich Winter und nur fünf Grad.
Ich ging zur Tür und klopfte. Wartete eine Weile und wollte bereits wieder gehen, als Sarah den Kopf aus dem geöffneten Spalt der Tür heraus streckte und als sie mich sah ein breites Grinsen aufsetzte.
„Komm rein.“, forderte sie mich auf und  öffnete mir nun die Tür zur Gänze.
Gut. Ich hätte ein „Sie“ bevorzugt. Jedoch kannten wir uns bereits eine Weile. Also, warum auf Formalitäten achten. Ich lächelte ebenfalls und folgte ihrer Einladung.
„Setz dich doch.“, sagte sie und griff hastig nach Hemd und Hose, welche auf der Couch lagen, um für mich Platz zu schaffen.
„Was liegt an?“
Ich räusperte mich und zog die Brauen nach oben. Was soll schon „anliegen“. Die Gerüchte, hätte ich am aller liebsten geantwortet. Jedoch gedachte ich nicht „mit der Tür ins Haus zu fallen“ und setzte mich vorerst schweigend auf den mir zugewiesenen Platz und sah mich um.
Ich brauchte nicht lange zu warten. Sarah begann von ganz allein mit dem „Rapport“.
„Man spricht unter dem Personal von Gunnar Liebeserklärung zu Sylvester. Kam gut an bei den Leuten. Aber....“ Sie hielt mitten im Satz inne und sah mich prüfend an, während sie sich eine dünne Jacke über streifte.
„Aber was?“, fragte ich.
Sie verzog das Gesicht zu einer Grimasse, hüstelte und sog laut hörbar die Luft durch die Nase. „Na ja. Man erzählt aber auch davon, dass er immer wieder am Haus von dieser Ellen Parker gesehen wird.“ Sie atmete noch einmalt tief ein und hob die Hand um ein Achtungs- und Aufmerksamszeichen zu setzen, denn an DEM, was nun gleich ihren Mund verließ, konnte ich nur zweifeln. „Aber seine neue Favoritin soll diese Paula Diaz sein.“
Ich stutzte und kräuselte die Stirn. „Wer in der Götter Namen ist Paula Diaz? Etwa DIE, die die Speisen anbrennen ließ?“
„Nein. Sie ist Kellnerin im Restaurant und bedient vorzugsweise“, bei diesem Wort machte sie eine viel sagende Geste, „den Tisch des Chefs.“
Ah ja! Jetzt fiel es mir ein. Ich wusste, wen sie meinte. „Gibt es womöglich noch mehr Anwärterinnen auf den Thron der Favoritin?“, fragte ich Sarah und sah sie abwartend an.
„Aber natürlich. Der Chef ist immer das begehrte Ziel der jungen Mädchen hier.“
„Also wer?“, fragte ich ungeduldig.
Sie antwortete nicht direkt auf meine Frage. „Hast du nicht bemerkt, welche Veränderungen im Personal vor sich gehen? Die Älteren fürchten sich vor der Entlassung. Man stellt nur noch junge Mädchen ein, wie diese Brita Hershel. Oder Sylvia Romero, Peggy Westwood, Alma Bergmann, Kathrine Jansson, Nina und Anastasia irgendwas.“
„Was heißt hier Mann? Und sind sie alle tatsächlich an Gunnar interessiert?“  
„Mann heißt Dahl Lindqvist, der seine Befehle von Gunnar bekommt.“
Das war MEIN Grund mich zu räuspern. Aber mir blieb vorerst der Mund offen stehen und ich schaute Sarah mit großen Augen an. „Natürlich bemerkte ich eine personelle Veränderung. Dass sie jedoch auf Gunnar zurückzuführen ist, war mir mitnichten bewusst.“
„Ich weiß nicht, wo diese Mädchen herkommen. Jedenfalls bekamen sie hier alle einen Job.“ Sarah blickte ein wenig verdrießlich drein.
„Die Männer vom Sicherheitsteam sind doch sicherlich ebenso heiß begehrt?“, versuchte ich einen Faden zu spinnen.
Sarah blies die Luft aus ihren geschürzten Lippen. „Ja. Klar. Aber der Chef ist der Chef. Und wer die Chance hat bei ihm zu landen, hat das große Los gezogen.“
„Dies sind in der Tat ganz besonders heitere Aussichten. Aber im Grunde völlig normal. Nur“, und in diesem Augenblick erinnerte ich mich daran, dass ich dies bereits schon längst hatte tun wollen, „werde ich mich mit Dahl Lindquvist unterhalten müssen, um zu fragen, was da vor sich geht.“
Sarah lachte. „Wenn er dir die Wahrheit sagt. Die Männer stecken doch alle unter einer Decke. Besonders wenn es um Frauen geht. Da lügen sie wie gedruckt.“
„Schlechte Erfahrungen?“, frage ich ein wenig zögerlich, alldieweil ich ihr nicht zu nahe treten wollte.
„Ja.“, antwortete sie knapp.
Eine kleine Pause entstand.
„Was erzählt man sich denn eigentlich über Alicia Rice und meinen Ehemann?“, fragte ich, um die Richtung des Gesprächs zu ändern und von Saras privatem Leben abzulenken.
„Ach.“, sie winkte ab. „Die ist gleich am ersten Januar wieder abgereist. Aber es heißt, sie hat den Norden Europas nicht verlassen und kommt noch einmal nach Stockholm zurück.“
„Infolgedessen nehme ich an, Gunnar steht mit ihr in Verbindung und wartet, bis sie nach Schweden zurückkommet.“, sagte ich leise und eher zu mir selbst.
„Dann hätte ich noch etwas überaus interessantes“, sagte Sarahs grinsend. „Aber erst mache ich dir einen Tee.“
Ich wartete geduldig. Nahm mir die Metro vom Tisch. Eine Gazette für den Raum Stockholm. Kam jedoch nicht dazu darin zu blättern. Denn Sarah kam bereits mit zwei Tassen und setzte sich neben mich. Ohnehin wären mir die schrecklichen Nachrichten zuwider gewesen, die jedes Titelblatt dieser Zeitungen augenscheinlich schmückten.
„Troels.“, begann sie und ich wurde hellhörig. „Er stritt am Sylvesterabend mit seinem Bruder. Es war eine heftige Auseinandersetzung. Beinahe wären sie sich noch an die Kehlen gegangen, und es ging dabei um eine Frau.“
„Eine Frau?“
„Ja. Eine Blondine. Schon etwas älter. Aber gut aussehend. Troels hatte sie mitgebracht. Aber offensichtlich bekundete sie ebenso Interesse an seinem Bruder.“
„Ich kenne sie.“, sagte ich fast unbedacht. „Nun ja. Nicht wirklich kennen. Ich sah sie einmal in Troels Wohnung, als Mads dort seinen Geburtstag feierte.“ Ich dachte darüber nach, ob ich jetzt noch weiter ausführen sollte, oder ob ich besser schwieg.
Schweigen ist besser. Das eröffnete den Raum für Sarahs weitere Ausführungen.
„Man erzählt sich auch, dass es vor langer Zeit schon einmal einen Streit um diese Frau gegeben haben soll. Wonach Troels in die Armee eingetreten ist. Und später dann Mads. Aber der hatte andere Gründe.“
„Herr Gott noch eins!“, warf ich lachend ein. „Woher in aller Welt wissen die Leute das nur alles?“
Sie zuckte mit den Schultern und wir lachten beide.
„Meinst du wirklich, da ist etwas dran? An den Gerüchten um Gunnar und diese Frauen.“, fragte ich und nippte an meiner Tasse.
„Ein Körnchen Wahrheit ist immer dabei.“, antwortete Sarah und zwinkerte mir zu.

Bin ich tatsächlich zu vertrauensselig (geworden)?
Sollte ich Gunnar etwa auf Schritt und Tritt überwachen? Aus Eifersucht hinterher schleichen, um zu sehen, wo er sich herum treibt?
Aber genau DAS wollte ich nicht mehr!
Ich vermag mich  in diesem Zusammenhang an ein Wort zu erinnern, dass sich VERTRAUEN nennt.