Samstag, 11. Januar 2014

Erschöpfungs- Gleichmut



Gunnar hatte bis sechs im Office gearbeitet und gleich danach Inula Castanes und Óðinn Aron besucht. Wir trafen uns dann im Restaurant, dinierten und gingen gemeinsam zurück zum Haus.
„Soll ich dich mitnehmen? Zu Troels?“, fragte er in der Annahme, das sich ihn ohnehin nicht zu seinen Brüdern begleiten würde. Der Gedanke kam mir einen kurzen Augenblick. Ich verwarf ihn jedoch sehr schnell und erwiderte „Nein. Nicht nötig.“
„Ah. Du bleibst also hier?“
„Ich habe mich noch nicht entschieden.“, und genauso war es auch.

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Kurz nachdem Gunnars Wagen davon gebraust war, ging ich duschen und stieg in den Meinen, um selbst nach Stockholm zu fahren.
Während ich mich schminkte, hatte ich den Entschluss gefasst, Troels doch aufzusuchen. Was sollte schon geschehen? Außer, dass ich Wut entbrannt und Tür schlagend seine Wohnung wieder verließ. Falls ich dort etwas vorfand, was mir missfiel.
Nur schnaufte ich nicht vor Wut, und schlug nicht die Tür, als ich diese Anette Christensen dort vorfand.
Es ging mir nicht gut. Mein Magen vermeldete Übelkeit und mein Körper Schwäche. Ich streifte Mantel und Schuhe ab, warf den Schlüsselbund in die Schale auf der  kleinen Kommode und ging auf Troels zu, der mit ihr auf der Couch saß und fernsah. Kapitulierend vor Erschöpfung ließ ich mich neben den beiden nieder sinken. In diesem Moment war mir alles gleichgültig. Ich hatte nur noch den Wunsch auszuruhen.
Bis dahin hatte niemand auch nur einen Ton von sich gegeben. Troels, und ebenso diese Anette hatten nur verwundert geschaut. Und ich, war schlicht und einfach zu müde, mit ihm oder dieser Kuh zu streiten. Natürlich wäre ich am aller liebsten demonstrativ und zornig davon gerannt. Jedoch mein Körper gab das nicht mehr her.
„Hattest du nicht versprochen ihr den Schlüssel abzunehmen?“, wurde Troels von dieser Anette gefragt.
Oh Gott nein! Es ist mir jetzt in der Tat NICHT danach mich mit dieser alten Fregatte anzulegen.
„Bislang versprach ich gar nichts“, hörte ich Troels sagen.
„Das klang gestern aber ganz anders.“, antwortete sie ihm vorwurfsvoll.
Troels schnaufte und ICH ließ meinen Kopf an seine Schulter sinken.
Anette löste sich aus Troels Arm. „Das geht mir aber jetzt doch zu weit. Willst du sie nicht endlich auffordern zu gehen?“
Ich vermochte ein inneres, genugtuendes Lächeln nicht zu verbergen. Mir waren dergleichen Situationen doch eher vertraut. Sodass ich mich viel leichter darauf einzulassen vermochte.
„Nein.“, antwortete Troels trocken.
Nun begann SIE zu keuchen.
Im Grunde amüsierte ich mich darüber, dass SIE jetzt vorzugsweise meinen Part der eifersüchtigen Furie übernahm. Wieso war mir das bloß nicht schon früher als probates Mittel gegen nervende Konkurrentinnen eingefallen. Mich schlicht und einfach von ihrer Gegenwart nicht beeindrucken zu lassen. Nun hatte es sich auf Grund meines gesundheitlichen Zustandes kurzerhand von selbst ergeben.
Troels schien nun nicht mehr genau zu wissen, wie er sich verhalten sollte.
„Ich bräuchte einen Freund zum Reden.“, sagte ich, von Anettes Verhalten unbeeindruckt, um noch einmal nachzusetzen und um Troels Wahl zu erleichtern. Normalerweise hätte ich Troels gereizt gefragt, ob sie nun bereits hier wohne? Aber selbst dazu fehlte mir Kraft und Sinn. Stattdessen sprang SIE nun auf und begann sich hysterisch zu gebärden.
Wie überaus interessant sich das bei jemand anderen mit Abstand anzusehen. Durch ihr Verhalten wurde mir das Meine vor Augen geführt. Wie lächerlich sie aussah. Wie sie da stand. Mit den Armen fuchtelte und eher ohnmächtig als mächtig war. Die Macht, war auf meiner Seite. Und das, obwohl ich nichts weiter getan hatte, als Ruhe zu bewahren. Wenngleich dieser Impuls auch aus Erschöpfung entstanden sein mochte. Hatte er mir erstaunlicher Weise einen Vorteil verschafft.
Nun war es diese Anette, die den Platz für mich räumte. Troels stand auf und folgte ihr, als sie sich Schuhe und Mantel überzog. „Bleib doch. Du musst doch nicht gehen.“
„Was soll das werden?“, fauchte sie wütend. „Gedenkst du etwa mit zwei Frauen zu schlafen?“
Troels antwortete nicht.
„Ah. Du denkst, sie geht ohnehin wieder fort.“
Wie merkwürdig einem streitenden Paar zu zusehen. Jedoch als ein Paar konnte, wollte ich sie noch nicht bezeichnen. Seit wann wohnte sie eigentlich hier? Seit Sylvester? Oder erst seit einigen Tagen? Dass sie es tat, stand allemal fest. Denn überall in der Wohnung lagen ihre Sachen.
Da ich Troels bereits eine Weile lang kannte, wusste ich, dass ER mit Sicherheit NICHT der Initiator gewesen war, und dass er sich gleichermaßen nicht so leicht ihrer Invasion ergeben haben mochte. Obwohl er sie in der Tat zu mögen schien.
Nun, sie ließ sich jedenfalls von Troels nicht davon abhalten zu gehen. Umso besser für mich!
Troels lief nervös hin und her. Kratzte sich am Kopf. Lief zur Tür und rief ihr hinterher.
Ich sah wie unangenehm die Situation für ihn war.
„Es tut mir leid.“, sagte ich schließlich. „Ich hätte sogleich wieder gehen sollen, als ich dich mit ihr sah. Ich verdarb dir den Abend mit deiner Freundin.“
Nun kam Troels auf mich zu und setzte sich wieder neben mich. Legte seinen Arm um meine Schulter und küsste mich auf die Wange. „Nein. Nein. Es ist alles in Ordnung so wie es ist.“
„Nein. Das ist es nicht.“
Troels stutzte.
„Du hast ein Recht auf dein eigenes Leben auch ohne mich. Sieh nur, ich bin verheiratet und komme nur alle Nase lang bei dir vorbei. Du bist einsam. Sehnst dich womöglich nach einer Familie und....“
Troels ließ mich nicht mehr weiter reden und küsste mich stattdessen auf den Mund.
„Lass gut sein. Ich bin froh darüber, dass du da bist.“, sagte er schließlich.
„Und sie? Sie wohnt bereits bei dir. Oder?“, fragte ich mit ruhiger Stimme.
„Nein. Nicht wirklich.“
„Was heißt das?“
„Sie ist einfach hier geblieben.“
Okay. Das musste ich nun nicht weiter hinterfragen. Sicherlich waren sie gemeinsam essen gewesen und er hatte sie noch auf einen Trink eingeladen. Jedoch war mir dies im Augenblick ziemlich gleichgültig. Ich wollte mich nur noch ihm und seinen Armen anvertrauen. Mich sicher und geborgen fühlen, um in Ruhe einzuschlafen.
„Was hast du denn als Freund mit mir zu bereden?“, wechselte er das Thema.
„Ich bin zu müde zum reden und es geht mir gleichwohl nicht gut. Lass uns noch ein wenig fernsehen und dann zu Bett gehen.“
Troels lächelte und drückte mich an sich. Jedoch vermochte ich mich des Eindrucks nicht zu erwehren, dass er noch immer an diese Anette dachte.
Ich atmete einige Male tief ein und aus. „Mach dir keinen Sorgen um deine Freundin.“, sagte ich dann leise. „Sie wird wieder kommen.“
Troels sah mich erstaunt an. „Woher kannst du das wissen.“
Ich lächelte milde und sagte bestimmt: „Ich weiß es.“ Sollte ich jetzt die Unterhaltung mit seinem Bruder erwähnen? Nein! Besser nicht.
Diese Anette schien Troels jedoch keine Ruhe zu lassen. „Wo wird sie schlafen?“, fragte er beunruhigt und sprach offensichtlich mit sich selbst.
„Wo schlief sie denn vorher?“, fragte ich, und Troels sah mich versonnen an. Antwortete mir jedoch nicht.
„Im Hotel. Oder?“, fragte ich weiter. Denn ich wollte nicht, dass sich Troels um sie sorgte.
„Ja. Im Wellington. Aber...“
„In jedem Fall hat sie vorsorglich ihre Tasche mit sich genommen. Infolgedessen brauchst du dich nicht mehr um sie zu sorgen.“
„Ja. Du hast Recht Rea.“
Troels schien erleichtert. Er drückte mich lächelnd an sich und wir küssten uns innig.
Ich weiß nicht, was an diesem Abend in mich gefahren war. Ich hatte weder gekämpft noch geflucht. Sondern schlicht und einfach den Dingen ihren Lauf gelassen. Troels sah dies offensichtlich anders. Er dachte, ich hätte mit Ruhe und Vehemenz meinen Platz in seinem Leben verteidigt. Was eigentlich nicht der Wahrheit entsprach. Ich war einfach nur erschöpft. Beließ es jedoch bei seiner Sicht der Dinge.

Als ich mit Troels zu Bett ging, dachte ich darüber nach, dass kurz zuvor diese Anette hier mit ihm gelegen haben muss. Selbst DAS war mir in diesem Augenblick gleichgültig. Mein Körper schmerzte und mein Hirn befand sich bereits im Schlafmodus. Ich schmiegte mich an meinen väterlichen Freund und sank kapitulierend in einen sanften, weichen Schlaf.

Natürlich hatte ich daran gedacht mit ihm zu ficken. Seinen angenehmen, dünnen, schlanken Penis in mir zu spüren. Jedoch war ich schlicht und einfach zu Müde gewesen. Und auch am Morgen blieb keine Zeit.
Wir schliefen verhältnismäßig lange. Bis neun. Dann mahnte Troels zur Eile.
„Es tut mir leid. Aber Heizungsmonteure haben sich für heute Morgen angesagt. Es ging nicht anders. Sorry.“
„Nun. Dann wird es offensichtlich nichts mit weiteren, intimeren Zärtlichkeiten?“
Troels stöhnte. „Crap!“
„Was nun aber nicht weiter von Belang ist. Denn ich nehme an, dass du dich diesbezüglich bereits in den letzten Tagen mit deiner Freundin vergnügtest.“, vermochte ich mir die Bemerkung nicht zu verkneifen.
Troels räusperte sich.
„Du hast doch mit ihr geschlafen. Oder?“ Genau diese Frage bereute ich im nächsten Augenblick. Denn sie implizierte ein gewisses Maß an Eifersucht. Was meiner gestrigen Ausgeglichenheit entgegenlief.
Troels nickte betreten und ich ging nun nicht weiter darauf ein.
„Ich dachte, du begleitest mich.“, sagte ich nach einer Weile des Schweigens lächelnd zu ihm. Als hätte ich zuvor nicht über das Ficken mit einer anderen Frau gesprochen.
„Wohin? Etwas ins Zentrum?“
„Ja.“
„Aber nur, wenn wir deine Sachen abholen und du sie zu mir bringst.“, antwortete er Augen zwinkernd.
Phhuu. Gut. Die Situation war gemeistert.

Während mich Troels verabschiedete, gab ich ihm noch zu verstehen, dass Gunnar meist von seinen Brüdern irgendwelche abstrusen, neuen Ideen mitzubringen pflegte. Was wahrscheinlich erneut zur Folge haben könnte, dass wir demnächst einige Tage oder ganz und gar ein bis zwei Wochen für uns hätten.
In Erwartung dieser gemeinsamen Zeit schien er bei unserem Abschied zu strahlen.
Andererseits dachte ich beinahe die gesamte Fahrt darüber nach, ob er sich gleich im Anschluss wieder um diese Anette bemühte. Sie anrief. Sich entschuldigte. Sie zu sich einlud......

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Gunnar ist bislang noch immer nicht wieder hier eingetroffen. Was überaus ungewöhnlich ist. Im Allgemeinen kommt er wenigstens vor dem Lunch zurück.