Sonntag, 2. Februar 2014

„Delikate“ Situationen



Nachdem ich meinen diary Eintrag beendet und festgestellt hatte, dass ich noch immer allein war, ging ich zurück zu Felicio.
Auf dem Weg dorthin traf ich zuerst und seit langem Norman mit seinem Sohn. Wir unterhielten uns kurz und er offerierte mir, wie glücklich sie beide hier im Zentrum seien.
Als nächster begegnete mir Derek Moore. Ups! Ich war ein wenig verlegen und unsicher. Sollte ich ihn ansprechen? Etwas zu ihm sagen?
Derek war ins Sicherheitsteam aufgenommen worden und ersetzte nun den verunglückten Jonathan Walker. Er zog seine Kreise auf den Wegen des Zentrums in Uniform und mit Walkie Talkie.
„Entschuldigen sie:“, nahm er mir die Entscheidung des Ansprechens ab, und er schien ebenfalls ziemlich befangen. Ich blieb stehen und sah ihm direkt in die wie Sterne funkelnden Augen.
„Ich würde mich gern bei ihnen bedanken. Es ist für mir eine Ehre hier arbeiten zu dürfen.“
Er schien mich nicht zu belügen. Er meinte das ernst.
„Keine Ursache.“, sagte ich lächelnd, als ich meine Stimme wieder gefunden hatte, und es war, als hörte ich sie aus weiter Ferne sprechen. „Ich freue mich, dass es ihnen hier bei uns gefällt.“
Da stand er nun. Verschmitzt lächelnd. Derek Moore. Ein Muskelpaket von 1.83. Nur acht Zentimeter größere als ich selbst. Schokoladen braun mit anmutig geschwungenen Augenbrauen und trat von einem Fuß auf den anderen, gerade so, als erwarte er noch etwas.
Was sollte ich jetzt tun? Ihn um den Hals fallen und küssen? Zumindest kam mir der Gedanke....
Ich griff nach seinem Arm und drückte ihn kurz. Lächelte ihn zwinkernd zu und ging weiter.
Mehr hatte ich in diesem Augenblick ohnehin nicht tun können.

-------

Gunnar kam erst weit nach dem Lunch. Welchen ich noch mit Felicio in seiner Hütte einnahm.
Es ist mir bereits zur Gewohnheit geworden Gunnar KEINE Fragen zu stellen. Ihn schlicht und einfach nur Freude strahlend zu begrüßen. Auch ER schien ehrlich glücklich zu sein, mich zu sehen. Er küsste mich auf den Mund und hielt mich fest in seinen Armen. Sein Atem hatte nicht stark nach Alkohol gerochen wie sonst.
„Wie war die Party?“, fragte ich und strich jeglichen Gedanken an Felicio aus meinem Kopf. Was mir merkwürdiger Weise nicht schwer fiel und in diesem Augenblick bemerkte ich, dass es ausschließlich ein kurzes Intermezzo mit meinem ehemals geliebten und nun verflossenen Ehemann war. Natürlich waren da noch überreichliche Gefühle für ihn. Jedoch Gunnar um seinetwillen verlassen? Nein.
„Phu.“ Gunnar pustete die Luft durch seine gespitzten Lippen. „Wie immer.“
Ich ließ mir nichts merken in den folgenden Stunden mit Gunnar.
Schrieb SMS’n mit Felicio und berichtete von Adams Widerruf seines Besuches und dem von ihm benannten Grund dafür. Gunnar zuckte nur mit den Schultern.
„Okay. Dann gehen wir eben später zu Erik.“, sagte er nur.

-------

Troels hatte mir ebenfalls in der Zwischenzeit eine SMS mit der Frage warum ich gestern nicht zu ihm gekommen wäre gesandt.
`Woher hätte ich wissen sollen, dass du allein bist?, hatte ich ihm geantwortet.
`Ich war nicht allein.´, war seine Erwiderung. Was mich die Kommunikation beenden ließ. 

-------

Felicio sucht mich nach wie vor zu überreden, mit ihm „nach Hause“ zu fliegen.
Wiederholt schüttelte ich seufzend auf diese Frage den Kopf, als ich am Nachmittag noch einmal bei ihm war. „Ich kann nicht.“, sagte ich immer wieder mit bedauernder Miene zu Felicio.
Er schnaufte nur. Wurde jedoch nicht wirklich ärgerlich. Was hatte er denn erwartet?
„Ich komme immer wieder. Lass dir Zeit und denke noch einmal darüber nach.“


Gunnar war nicht lange bei mir geblieben nachdem er zurückgekommen war. Da wäre noch etwas im Office zu erledigen, hatte er gesagt und war mit den Worten: „Wir treffen uns zum Dinner im Restaurant.“, gegangen.
Als ich Felicio verließ, war es etwa halb sechs. Warum Gunnar nicht vom Office abholen? Dachte ich und als ich die wenigen Stufen nach oben ging, kam mir diese Natalja Wassilijew im Flur entgegen. Ich funkelte sie an und ging zu Gunnar ins Büro, der sich gerade sein Jackett überzog.
„Was hat SIE hier zu suchen?“, fragte ich verärgert.
„Sie hat ihren Vertrag abgeholt.“
„Hat sie den nicht bereits bekommen?“
„Sie wollte ihn kopieren lassen.“
„Ich sah keine Papiere in ihrer Hand.“
Gunnar breitete die Arme aus, zuckte mit den Schultern und schüttelte den Kopf. „Was soll denn das?“
„Hast du sie gefickt?“
„Nein. Natürlich nicht.“ Gunnar kam auf mich zu und umarmte mich. „Sei nicht immer so eifersüchtig. Da ist nichts. Und selbst wenn da etwas wäre, hätte es nichts mit uns zu tun und wäre nur von kurzer Dauer.“ Er lachte. Was mir signalisieren sollte, dass seine Worte als Witz zu verstehen waren.
„Du! Wie kannst Du so etwas sagen?!“ Ich klopfte mit meinen Fäusten auf Gunnars Brust. Er hielt mich fest umschlungen und küsste mich auf die Wange. Im selben Moment hatte ich eingeatmet und mir waberte ein merkwürdig bekannter Geruch in die Nase. Gunnar hatte mich nicht auf den Mund geküsst und sich unverzüglich wieder abgewandt.
`Du riechst nach Fotze!´, hätte ich ihm am aller liebsten entgegen geschrieen. Aber womöglich hatte er nur etwas stark Riechendes gegessen und ich gedachte ihn nicht erneut mit meiner Eifersucht zu plagen.
Im nächsten Moment viel mir Sarah und die Gerüchteküche ein, die besagte, dass Natalja Wassilijew seine derzeitige Favoritin sei. Fickte er tatsächlich mit ihr?  Leckte er in der Tat ihre Fotze? Hier im Office? Das wäre unglaublich und konnte einfach nicht sein. Ich hatte mich sicherlich geirrt.

-------

Während des Dinners behielt ich die Tür des Restaurants stehst im Auge und hoffte, dass Felicio nicht gerade jetzt einfiel zu Abend zu speisen. Gunnar musste nicht wissen, dass er hier war. Er wird ohnehin bereits heute wieder abreisen.
Ich hatte „Glück“ und ging Arm in Arm mit meinem Ehemann zurück zu unserem Haus ohne jegliche Zwischenfälle.

-------

Am Abend kam Elena kurz zu uns. Während der Tage ihrer Ausbildung hier im Zentrum besucht sie uns zuweilen und übernachtet dann ebenfalls hier.
Gunnar erbot sich Elena zu ihrer Hütte zu begleiten, was ich allerdings nicht verstand. Jedoch wischte ich den Gedanken beiseite und unterstellte ihm nichts.
Kurz nachdem die beiden gegangen waren erhielt ich einen Anruf von Troels, den ich entgegennahm. Er schien aufgewühlt. Ich vermochte seine Emotionen förmlich zu spüren. „Ich bitte dich, den Schlüssel zu meiner Wohnung wieder an dich zu nehmen.“, sagte er.
Ich fragte ihn nach Anette und er antwortete mit den Worten: „Ich liebe DICH Rea.“
„Warum kommst du nicht vorbei und bringst ihn mir?“, schlug ich (provokativ) vor. „Bei dieser Gelegenheit kannst du gleich deinen Bruder besuchen.“
„Ja. Das ist in der Tat eine ausgezeichnete Idee. Ich werde dann Gunnar den Schlüssel geben, wenn er mir die Tür öffnet.“
„Warum nicht? Er weiß doch ohnehin Bescheid und scheint bezüglich unserer Freundschaft keine Einwände zu haben.“
„Nur Freundschaft?“
„Dann erkläre mir bitte deine Beziehung zu dieser Anette.“, forderte ich ihn auf.
„Freundschaft.“, antwortete er trocken.
„Nur Freundschaft?“, fragte ich zurück.
„Intime Freundschaft?“, antwortete eher und dem Ton zufolge, waren seine Worte eher als Frage gedacht.
„Also gibt es keinen Unterschied zwischen deiner Beziehung zu mir und dieser Anette.“
„Doch.“
„Welchen?“
„Ich liebe DICH und sie nicht.“
„Du liebst sie nicht mehr.“, fügte ich an. „Und es war eine unerfüllte Liebe, vor der du weg ranntest. Nicht wahr?“
„Ja. Womöglich war das so.“
„Und das sind die Dauerhaftesten, welche am meisten schmerzen, die man nie vergisst und welche man bei Gelegenheit gern reaktiviert. Ist es nicht so?“
Ich hörte Troels schnaufen. „Natürlich vergaß ich sie nie. Dachte jedoch auch nicht ständig daran sie zu suchen.“
„Jetzt hat sie dich gefunden und du sagst mir, dass du damit nicht glücklich bist? Das nehme ich dir nicht ab.“
„Natürlich ist es angenehm eine Frau um sich haben, die ernsthafte Absichten hat.“
„Ah!“, unterbrach ich ihn. „Es liegt also doch an den ERNSTHAFTEN ABSICHTEN. Die ich nun offensichtlich nicht vorzuweisen in der Lage bin.“
„Du bist verheiratet. Nicht oft bei mir.“
„Und du fühlst dich einsam? Brauchst eine GEFÄHRTIN für die einsamen Nächte?“
Ein tiefer Seufzer war von Troels Seite zu vernehmen. „Was soll ich tun Rea? Sage mir ich soll sie wegschicken und dass du zu mir kommst und ich werde es tun.“
„Es gibt also eine Bedingung für deine Liebe zu mir?“
„Nein. Nur für den Rest meines Lebens. DEN ich nur zu gern mit DIR verbringen würde. WEIL ich dich liebe.“
„Alles in allem läuft es darauf hinaus, dass ich die Schuld daran trage, dass sie jetzt bei dir ist.“
„Nein. Du verdrehst es. Es gibt keine Schuld.“
Während ich mit Troels so redete, bemerkte ich nicht, wie die Zeit verflog. Wo blieb eigentlich Gunnar? Dauerte es tatsächlich so lange Elena zu ihrer Hütte zu begleiten und den gleichen, kurzen Weg zurück zu gehen? Oder fickte er jetzt auch gleich noch mit ihr?
Nein. Das waren absurde Fantasien. Ich konnte Gunnar wohl kaum unterstellen täglich mit mehreren Frauen zu ficken. Er mag zuweilen derartigen Gelüsten nachgehen. Jedoch nicht tagaus tagein und dauerhaft. Das wäre in der Tat aberwitzig.
Andererseits vermag ich mir vorzustellen, dass es Phasen geben mag, in denen er seinen Gelüsten nachgeht und sie auslebt. Möglicherweise ist gerade JETZT eine dieser Perioden, da das Angebot so über reichlich ist. Womöglich ist es für ihn gleichermaßen belastend und er empfindet (beständige?) Reue auf Grund seiner Liebe zu mir. Welche ich keinesfalls anzweifle. Anderenfalls könnte ich nur vermuten, dass er sich selbst belügt. Jedoch wie könnte das sein? ER, der Magier, der durch Zeit und Raum reist wie Einer, der nicht von dieser Welt ist. Aber DAS sagte Jesus bereits und er meinte sicherlich damit, dass wir alles NICHT von dieser Welt sind. Denn unser zu Hause ist in der Tat auf einer anderen Ebene.
Phu! Jetzt bin ich weit vom eigentlichen Thema abgewichen.....
Gunnar brauchte tatsächlich eine gute Stunde, bis er zurückkam. Ich ging jedoch nicht weiter darauf ein. War froh und glücklich, dass er zurück war und sah mit ihm kuschelnder Weise fern bis er mich auf seinen Armen ins Bett trug.

-------

Heute Morgen ein kurzes Entsetzen. Felicio im Restaurant. Gunnar schien ihn jedoch nicht zu bemerken. Was ich mir nicht erklären kann. Überaus eigenartig!
Hatte Felicio jetzt urplötzlich einen magischen Schutz? Eine Art „Tarnkappe“ übergezogen?
Ach! Zum Teufel! Was denke ich da eigentlich?
Da Felicio heute noch abreisen wird, würde ich es begrüßen mich zumindest noch von ihm verabschieden zu können. Allerdings versprach mit Gunnar (gerade) heute nicht von meiner Seite zu weichen.
Wie ärgerlich.......wie verworren.....