Samstag, 1. Februar 2014

Manchmal kommt es anders als man denkt



Während Gunnar noch arbeitete, ging ich zu Sarah. Auf dem Weg dorthin traf ich Mads. Er sprach mich an und war dabei ein wenig verlegen. Was ungewöhnlich für ihn ist. „Ich soll dich grüßen. Von Troels. Er sehnt sich nach dir.“
Ich kniff die Lippen zusammen. Sagte jedoch nichts und sah ihm nur flehend in die Augen. Am liebsten hätte ich gefragt wie es ihm geht und Mads umarmt an seiner statt. Nur um das Gefühl zu haben Troels näher zu sein. Aber ich blieb bewegungslos stehen und kaute auf meiner Unterlippe.
„Er liebt dich Rea. Er wollte die andere Frau nicht wirklich haben. Sie blieb ganz einfach bei ihm. Wie ein Klette heftetet sie sich an Troels Körper und brach in sein Leben ein. Sie war so ungestüm und überrollte ihn einfach. Er vermochte sich nicht zu wehren.“
„Oder wollte es nicht.“, entgegnete ich.
Mads sah mich an. Ruhig und geduldig.
„Schließlich bin ich verheiratet und ich kann es Troels nicht verdenken, wenn er jetzt die Gelegenheit ergreift, um eine ernsthafte Beziehung aufzubauen mit einer Frau, die er nicht teilen muss.“
„Das war ihm bisher egal. Er wollte nur dich Rea.“
„Nun hat sich das Schicksal gewendet.“, wurde ich ungeduldig und ein wenig gereizt. Jedoch ärgerte ich mich nicht über Mads, sondern über mich selbst.
Mads ging weiter, ohne ein weiteres Wort zu sagen und ich sah, wie er schweigend den Kopf schüttelte, während er in Richtung seiner Hütte ging.
Natürlich hatte ich seinen alkoholisierten Atem gerochen. Womöglich war dies ebenso ein Grund meiner Verstimmtheit. Nur hatte ich mich bereits lange, lange Zeit mit ihm versöhnt und ihn als einen guten Freund erachtet.

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Ich hatte nicht die Absicht bei Sarah lange zu bleiben.
„Was spielen wir?“, fragte sie und öffnete sich eine Bier und mir einen Sprudel.
„Ich dachte, du verrätst mir die aktuellsten Geschichten, die man sich so innerhalb der Belegschaft erzählt.“
Sarah lachte. „Ja. Ja. Da gibt es Einige.“
Sie setze sich neben mich und hielt mir die Flasche unter die Nase, die ich lächelnd und dankend entgegennahm.
„Wo soll ich jetzt anfangen?“, fragte sie und ich zuckte mit den Schultern. „Was willst du denn wissen?“ Sarah setzte ein breites Grinsen auf und sah mich abwartend an.
„Natürlich würde ich gern wissen, was man sich über Gunnar erzählt.“
„HA!“, tönte es laut aus ihrem Mund. „Das dachte ich mir.“ Sie zwinkerte mir zu und feixte weiter. „Na ja“, begann sie, „ihm wird so ziemlich mit jeder Möse, und besonders den Neuen“, bei diesen Worten hob sie als Achtungszeichen ihren Zeigefinger, „ein Techelmechtel zugeschrieben. Man sah ihn wieder des Nachts bei Ellen Parker und in den Vorratsräumen mit der mexikanischen Riege. Aber seine absolute Favoritin ist derzeit Natalja Wassilijew. Er soll mit ihr in den Räumen über dem Office gewesen sein. Auch diese Sylvia Romero und Akuma Lee sah man dort bereits.“
Trotz meines inneren Widerstandes blieb ich ruhig und fragte weiter. „Was ist mit den Nannys?“
„Die Junge, Anna Vanderhoof, ist im Visier der Gespräche.“ Sie zuckte mit den Schultern. „War doch klar. Jede von denen wäre froh bei Gunnar zu landen.“ Sie trank einen kräftigen Zug aus ihrer Flasche. „Aber man erzählt sich auch, dass keine eine wirkliche Chance hätte. Es wäre nur Spielerei und er würde seine Position als Chef nutzen, und sich des reichlichen Angebots nur zu gern bedienen.“
Ich schüttelte mit dem Kopf. Nur war es genug. „Ich kann das nicht glauben. Gunnar sagt es seien nur Gerüchte und ich solle ihm vertrauen.“
Ein schallendes Lachen ertönte. „Du traust einem Mann?“ Ein zweifelnder Blick traf mich. „Du müsstest eigentlich wissen wie Männer sind. Gunnar mag dich lieben. Das bestreitet keiner. Aber er geht seinen Gelüsten nach und seinen Neigungen so wie so.“
„Was weißt du über das Nachgehen seiner Neigungen.“, bohrte ich nach.  „Ich habe Siv lange Zeit nicht gesehen.“
„Na ja, womöglich gibt es unter den jungen Damen einige, die auch gerne spielen. Außerdem hat man Siv, ich glaube am vorigen Wochenende, hier gesehen. Es war mitten in der Nacht, als sie und Gunnar den Wagen am Office parkten und gemeinsam in das Gebäude gingen. Kurz darauf brannte im oberen Stockwerk Licht.“
Ich schnaufte.
„Was hast du denn gedacht Rea? Gunnar ist wie viele Männer. Trennt Sex und Liebe säuberlich und nimmt sich was er will.“
„Nein. Nein, Nein! Nein! Das kann nicht sein.“ Ein heißer Schwall der Emotionen stieg in mir auf. „ Natürlich bin ich nicht so naiv zu glauben, dass er um meinet Willen seine Neigungen vergisst. Jedoch noch andere ficken?“ Ich schüttelte erneut mit dem Kopf. „Selbstredend sehe ich, wie die jungen Dinger ihn ermutigen. Jedoch versichert er mir immer wieder, dass da nichts ist.“
Sarah sah mich zweifelnd an. „Du bist naiv.“
Eine Zeit lang saßen wir still nebeneinander und nippten wieder und wieder an unseren Flaschen.
„Was ist eigentlich mit dir und Troels?“, brach Sarah das Schweigen.
„Nichts mehr.“, antwortet ich leise.
„Hm.“ Sie verzog das Gesicht. „Schade. Wie kannst du so einen guten Kerl ziehen lassen?“
„Er hat eine andere.“
„Ja. Und?“
„Was und?“
„Du hättest zumindest mit ihm in Kontakt bleiben können. Meinst du nicht auch?“
„Ja. Vielleicht.“, beendete ich das Thema.
Des Weiteren erzählte sie mir, was sie über die Neuen noch alles so wusste und dass sie sich bei den Herren wachsender Beleibtheit erfreuen. Ebenso bei den Mitgliedern unseres Sicherheitsteams, denen einige der jungen Damen gerne zu Willen wären. Es gäbe reichlich Bewegung in den Nächten zwischen den Hütten. Daher wäre man auch so gut über alles informiert. Denn man sprach untereinander über alles was man sah.
Die australische Claire hätte ihrem Vorhaben, Gunnar für sich zu gewinnen, noch immer nicht abgeschworen. Nur mit ihr hätte man ihn noch nicht gesehen.
Akuma Li hätte sich über die Zudringlichkeit von Gunnar beschwert. Sagte Sarah tief einatmend, als würde sie an der Glaubhaftigkeit dieser Aussage zweifeln. Auch, das man heimlich über Paula Diaz feixte, weil sie Gunnar offenbar ZU aufdringlich geworden war und er sie daraufhin im Warenlagen mit einer Gurke befriedigt hätte. Jetzt wäre sie stink sauer. Aber nichts desto trotz hätte sie ihm erneut den Schwanz gelutscht.
Mir schrillten die Ohren von diesen Übertreibungen, wie ich fand. Das konnte schlicht und einfach alles nicht der Wahrheit entsprechen. Basta!
(Und den Rest, war ich bereit zu ignorieren. Zumindest für den Augenblick.)

Gunnar wusste selbstredend genau wo ich war, holte mich bei Sarah ab und wir gingen so gegen sechs zu unserem Haus, wo sich Gunnar duschte, rasierte und parfümierte um auszugehen. In diesem Augenblick dachte ich an Troels. Die Zufälle hatten sich gehäuft, welche meine Gedanken wieder und wieder in seine Richtung lenkten. DAS konnte nur Bestimmung sein! Infolgedessen sandte ich ihm eine SMS:
`Vergasest du mich schon? Oder liebst du mich immer noch?´
Bereits im nächsten Augenblick kam ein dickes, klopfendes Herz zurück und ich wusste, dass ich ihn, zumindest als Freund nicht verloren hatte.  

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Kurz entschlossen, und da ich Adam ohnehin vom Flughafen hatte abholen wollte, fuhr ich gleich nachdem mich Gunnar verlassen hatte, selbst mit den Wagen gen Stockholm.
Auf der Fahrt dorthin beschloss ich an Troels Wohnung vorbei zu fahren. Wenn ich schon einmal hier in der Gegend war. Ich parkte den Wagen direkt vor seinem Haus. Blieb einen Augenblick sitzen. Schaute zu den Fenstern hinauf wo ich Licht brennen sah. Sie war sicherlich mit ihm da oben. Diese Anette. Ich griff nach dem Knopf, um meinen Gurt zu öffnen. Hielt jedoch inne und sah mir die Bilder an, welche in mir aufstiegen. Troels mit ihr auf der Couch in trauter Zweisamkeit. Wie er sie küsste. Betatschte. Nein! Diese Szenen in der Realität direkt vor mir zu sehen, danach gelüstete es mich nicht. Ich startete den Wagen und fuhr zum Flughafen.
Dort angekommen, ging ich zum Restaurant, um zumindest meinen Hunger nach Nahrung zu stillen. Nach einiger Zeit bekam ich eine SMS von Adam, in der er mir mit knappen Worten erklärte, dass er sich kurzfristig entschlossen hätte erst dann nach Schweden zu kommen, wenn Marie aus New Orleans zurück sei. Er wolle die Scheidung so schnell als möglich vollziehen. `Sorry. Bis später.´
Verdammt! Nun ärgerte ich mich, dass ich nicht doch bei Troels geläutet hatte, und just im selben Augenblick, als ich begann Adam frustriert eine Antwort zu tippen, küsste mich jemand von hinten in den Nacken. „Wie schön, dass du mich abholen kommst.“, flüsterte es in mein Ohr und ich erkannte sofort seine Stimme.
Felicio!
Er hatte sich verändert. Die Haare kurz. Ein drei Tage Bart.
Seine Arme umschlangen mich und er hielt mich fest. „Bewege dich nicht.“, sagte er lächelnd und küsste mich auf Wange und Lippen, als ich ihm mein Gesicht entgegen wandt. Ich wehrte mich nicht. Ließ es einfach so geschehen und fragte stattdessen, was er hier tue.
„Ich will zu euch ins Zentrum.“
„Marie ist aber nicht dort.“, sagte ich ein wenig zynisch.
Er lachte. „Ich habe mit ihr nur gefickt, um dir weh zu tun. Weil du dich gegen mich entschieden hattest. Mein Stolz war verletzt! Kannst du das nicht verstehen?“, kam die prompte Antwort und sein Blick traf mich mitten ins Herz. Er küsste mich erneut und ich hörte seinen schneller werdenden Atem.
„Diesen Blick kenne ich.“, sagte ich zu ihm.
„Und was sagte er dir?“
Ich schwieg und er beantwortete seine frage selbst. „Das ich dich noch immer liebe Rea! Was du mir vermutlich nicht glauben wirst.“

Wir fuhren gemeinsam zum Zentrum.
Während Felicio eincheckte, stellte ich den Wagen ab und ging dann zu ihm. Hektische Küsse und leidenschaftliche Berührungen überfluteten mich, als ich das Zimmer betrat.
„Sei vorsichtig mit mir.“, hauchte ich leise und ließ es geschehen. Dachte währenddessen daran, dass ich gerade jetzt meine Menses hatte. Was sollte ich tun?
Felicio ließ jedoch nach einigen Minuten von selbst von mir ab. Womöglich hatte er die kaum merkbare Nuance des Widersetzens bemerkt, bei meinen Gedanken an das Blut. Andererseits war ihm mit Sicherheit die Tatsache nicht entgangen, dass mein Herz im zu folgen schien. Ich war immerhin hier, bei ihm, in seinem Zimmer, und das völlig freiwillig. Ohne das er hätte Gewalt anwenden müssen. Was gleichwohl für mich erstaunlich war.
Wie kam das? Wie konnte das geschehen?
Ich glaube,  Felicio war schlicht und einfach nur zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Gerade in dem Augenblick, wo ich allein gelassen im Nirgendwo saß.
„Glücklich?“, fragte er, als ich mich lachend auf seinen Schoss fallen ließ.
„Für den Augenblick.“, antwortete ich bereitwillig und beinahe dankbar für seine Gegenwart.

Wir schliefen an diesem Abend noch miteinander. Ohne meine Menses weiter zu beachten. So, wie wir es früher oft getan hatten.
Ich hatte es nicht für möglich gehalten, dass es so leicht sein würde mich erneut in seinen Armen so wohl zu fühlen. Ich hatte alles vergangene vergessen. Wollte an nichts denken, was dieser Situation hätte abträglich sein können. Es war alles so vertraut und doch so neu in diesem Augenblick.
„Lass uns gemeinsam nach Spanien fliegen. Jetzt!“
„Ich kann nicht.“, antwortete ich zögerlich.
„Warum? Wegen ihm?“
„Ja. Auch. Aber ebenfalls wegen dieser vermaledeiten Krankheit. Es ist für mich nicht mehr wie früher. Ich bin nicht mehr so leistungsfähig, wie du mich vielleicht in Erinnerung hast. Mir fehlt die Kraft, um zu reisen, um mit dir mitzuhalten. Du würdest beizeiten aufgeben und mich zurücklassen.“
Felicio sah mich durchdringend und lange an. „Nein. Das denke ich nicht. Überdies bin ich kein Kind mehr und verstehe, was mit dir ist.“
„Tatsächlich?“, fragte ich behutsam und wage lächelnd, um die entstehende Anspannung aufzulockern.
Er stöhnte nur und schloss mich in seine Arme.
Ja. Er diskutierte mit mir nicht gern über Liebe. Er zeigte mir besser, was er fühlte. Nur musste ich davon ausgehen, dass es ausschließlich den Moment betraf.

„Ich hätte nie gedacht, dass wir beide noch einmal miteinander schlafen.“, sagte ich nach einer Weile. Denn ich hatte, wie gewöhnlich, nicht unverzüglich einschlafen können. Alldieweil jede Unmenge Adrenalin durch meinen Körper strömte, wenn ich nur daran dachte, wie er, Felicio, mich berührte und in mich eindrang. Ich hatte nie vergessen, was für ein ausgezeichneter Liebhaber er gewesen war. Er ging auf jede meiner Bewegungen ein, sodass es mir leicht fiel mich ihm hinzugeben. Es war ohne Zweifel ein einzigartiger Genuss mit ihm zu ficken. Jedes einzelne Mal!
Wir schliefen jedoch nur einmal miteinander. Er drängte mich nicht. Auch heute Morgen nicht. Was sicherlich auf das strömende Blut zurückzuführen ist.
Felicio bestellte unser Frühstück und ich begab mich ins Bad. War nicht darauf aus, dass mich hier jemand sah. Die Gerüchte verbreiten sich erfahrungsgemäß auf  üppigen und flinken Schwingen. Man musste mich nicht mit, und schon gar nicht bei ihm sehen.

„Ist es nicht verrückt? Wir beide wieder zusammen?“, sagte Felicio. Hielt mich mit beiden Händen an den Schultern. Sah mir in die Augen und wollte mich nicht gehen lassen.
„Aber nur für diese eine Nacht.“
„Rea. Ich habe die Hoffnung nie aufgegeben. Bin immer wieder hier her gekommen.“
Wir hatten in den wenigen Stunden unseres Zusammenseins über so vieles gesprochen. Über das Zentrum, die Menschen hier, Gunnar und gleichwohl über seine Neigungen.
„Du akzeptiert, dass er sie auslebt?“, hatte er gefragt.
„Was bleibt mir übrig? Er hatte es versucht sie zu negieren. Schaffte es natürlich nicht. Gestand mir alles. Wollte mich sogar mit einbeziehen. Als er jedoch bemerkte, dass mir dergleichen missfiel, glitten diese Handlungen ins Verborgene und ich beließ es dabei. Ignoriere es mehr oder minder erfolgreich. Natürlich gibt auch ebenso Gerüchte, welche besagen, dass er noch einige kurzweilige Verhältnisse mit den hier angestellten Frauen hat. Aber ich glaube das nicht. Er sagte, es sei nur Gerede und ich solle ihm vertrauen.“
Jetzt lachte Felicio. „Ich dachte, du würdest uns Männer besser kennen.“
„Ja. Ich weiß. Du hast mich völlig offen betrogen. Ich fand dich mit deinen Mätressen im Bett. In unserem Haus “
„Und er macht es heimlich. Wo ist da der Unterschied? Er genau genommen nicht wirklich BESSER als ich. Oder?“
Sollte mich Gunnar tatsächlich mit anderen Frauen betrügen, hatte Felicio selbstverständlich Recht. Aber ich glaube nicht daran. Oder will es nicht.....

„Wie lange bleibst du?“
„Nur dieses Wochenende.“
„Es wird mir schwer fallen dich zu sehen wenn Gunnar an meiner Seite ist.“
„Was denkst du erst, wie mir es geht?“
„Es wäre zweifellos besser, wir begegnen uns nicht.“
„Aber du kommst zu mir. Vielleicht in der Nacht?“
Ich seufzte. „Ich will es versuchen. Aber es wird nicht leicht. Denke daran, dass er meine Gedanken zu lesen vermag.“
„Hast du noch immer nicht gelernt sie vor ihm zu verbergen?“
„Aber wenn sie doch so derart emotionsgeladen sind!“, schrie es aus mir heraus.
Noch einmal schloss mich Felicio, nach diesem Gefühlsausbruch in seine Arme und drückte mich fest an sich. „Du liebst mich ja doch noch.“, sagte er lachend und mit einer genugtuenden Zufriedenheit.

Nun schreibe ich hier und warte auf die Rückkehr meines Ehemannes. Nicht wissend, was ER in den vergangenen Stunden tat......und ich denke, ich habe beschlossen mich NICHT schlecht zu fühlen.