Gunnar hatte mich nötigen müssen, ihn zum Geburtstag seines
Bruders zu begleiten. Für gewöhnlich schloss ich mich ihm in dergleichen Fällen
nicht an.
Nun gut. Es war der Geburtstag seines Bruders. Dann sollte
es gleichwohl so sein.
Margot Olsson war zumindest nicht dort. Aber Siv mit ihren
Schwestern und Jessica, die kleine stupsnäsige Kindfrau und Stines
Polizeikollegin. Zu meinem Erstaunen traf ich dort auch Elena. Jedoch
beachteten wir uns nicht weiter und ich tanzte (trotz meines schmerzenden Knies)
sogar an diesem Abend mit Gunnar. Selbst einen Platz zum schlafen fand ich
etwas abseits vom Partylärm. Dort schlief ich allerdings allein. Bis zum
Morgen, wo ich Gunnar, ebenso schlafend, auf einer von Carstens Chaiselongues
vorfand. Hingegen NICHT allein.
Eine junge Frau hatte sich auf halber Körperhöhe an Gunnars
Körper geschmiegt und schnarchte genüsslich.
Was hatte ich erwartet? Genau DAS!
Ich weckte Gunnar nicht. Nahm den Wagenschlüssel aus seiner
Hosentasche und fuhr zum nächsten Cafe´.
Während ich da so saß, meinen Kaffe Latte schlürfte und
darüber nachsann, wer dieses Mädchen (blöde Kuh) nun erneut gewesen war, die
mir am Abend zuvor nicht explizit in Gunnars Nähe aufgefallen war, läutete mein
iPhone. Es war Gunnar, der offensichtlich aufgewacht war und mich (? oder
seinen Wagenschlüssel?) vermisste.
„Wo bist du?“, hörte ich eine verschlafene, heisere Stimme
fragen.
„Wer ist sie?“, platze ich augenblicklich gereizt heraus.
Gunnar antwortete nicht sofort. Er schien darüber
nachzudenken.
„Wen meinst du?“, kam schließlich die Gegenfrage.
„Die, mit der du auf Carstens Couch lagst.“
„Keine Ahnung. Ich kenne sie nicht. Sah sie gestern Abend
zum aller ersten Mal. Ich glaube mich zu erinnern, dass sie Amanda heißt.
Amanda Sjöwall.“
Mit nur wenigen weiteren Worten hatte sich unser Gespräch
zu einem Streit entwickelt. Nein. Genau genommen war ich stink sauer, gab ihm
dies zu verstehen und legte auf.
Als ich zurück zu Carstens Wohnung kam, hatte sich Gunnar
bereits wieder schlafen gelegt. Diesmal jedoch in das Bett, aus welchem ich vor
etwa einer Stunde aufgestanden war. Und er war allein.
Ich weckte ihn. Er stöhnte.
„Ich fahre jetzt nach Hause. Kommst du mit oder nicht.“
Gunnar rieb sich die Augen, pustete laut hörbar die Luft
durch die geöffneten Lippen und erhob sich behäbig.
Kurz nachdem wir losgefahren waren, verließen
Erklärungsversuche Gunnars Mund.
„Ich muss dort wohl irgendwann eingeschlafen sein. Es tut
mir leid. Sie hat sich dann sicherlich ebenfalls dort nur hingelegt, weil sie
müde gewesen war.“ Gunnars schien Mühe zu haben sich wach zu halten. Zwinkerte
wieder und wieder mit beiden Augen, gerade so, als würde er jeden Moment wieder
einschlafen wollen. „Und außerdem magst du es doch nicht, wenn ich neben dir
liege und nach Alkohol stinke.“
„Das ist eine billige Ausrede, und das weißt du auch. Ich
hätte es mir denken können, wie dieser Abend endet. Ist es jedes Mal so? Das du
mit irgendeiner Frau, mit der du wer weiß was getan hast, an was du dich noch
nicht einmal erinnern kannst, aufwachst?“
Gunnar antwortete nicht und schloss die Augen.
Stille. Bis zu diesem Augenblick. Denn als wir hier
ankamen, kroch Gunnar noch einmal ins Bett.
Ich dachte lange über seine Worte nach. Natürlich konnte es
tatsächlich SO gewesen sein. Oder auch nicht.....
Das Erstaunlichste ist, dass es mich im Moment und in der Tat
kaum berührt.
Andererseits könnte es sein, dass ich Gunnar vorbehaltlos Glauben schenke (schenken will). Oder es schlicht und einfach kapitulativ
hinnehme.
Nicht einmal Rachegefühle stellen sich ein.
Gemeinhin hätte ich gedacht, dass ich zumindest und im
Augenblick meine Reise nach Berlin zu Kevin buche. Aber nichts dergleichen geschieht. (?)
Ist es Gleichgültigkeit? Oder ausschließlich eine vorübergehende, gelegentliche Erscheinung?