Donnerstag, 9. Juni 2016

Die familiäre Pflicht, die nicht zu umgehen ist



Wenn die misslichen Diskussionen um Alexa nicht wären, würde ich sagen, es waren schöne Stunden mit meinem Ehemann.
Wir redeten über das bevorstehende Wochenende, aus dessen Zwängen ich mich zu befreien suchte. Allerdings entlässt mich Gunnar gleichwohl nicht aus der familiären Pflicht, mit ihm, seinen Geschwistern und Alexa nach Gotland, zum Geburtstag seines Vaters zu fliegen. Gleichermaßen ließ er sich nicht dazu überreden, heute bei mir zu bleiben und die Arbeit den Angestellten zu überlassen. Nein. Allerdings blieb Gunnar heute Morgen bis nach dem Lunch. Erst dann ging jeder seiner Arbeit nach.
Natürlich hatten wir ausgeschlafen und noch ein liebevolles Ineinander genossen, samt anschließenden Fellatio, bevor wir aufgestanden waren.

So ungern verbringe ich die Zeit nicht in meinem Büro. Im Allgemeinen vermag ich dort alles zu tun, was ich will. Wie beispielsweise die Beine nach oben legen und lesen. Oder mir einen Film ansehen. Zudem bin ich nahe am Geschehen und jeder kann mich zu jeder Zeit erreichen, wenn Entscheidungen zu treffen sind. Dann wären da selbstverständlich noch Derek und Kevin. Deren Gegenwart ich zumeist als angenehm empfinde.

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Nun, am Nachmittag rief ich unvermittelt die Führungsmitglieder zu mir herein und ebenso Imara Sumei. Sie tat ein wenig schüchtern. Womöglich befürchtete sie ein Entlassungsgespräch. Das Gegenteil war der Fall. Denn ich gedachte ebenso ihre Meinung einzuholen. Hatte ich doch gerade vorher darüber nachgedacht, dass Kevin stets die gesamte Last der Leitung des Zentrums zu tragen hatte, wenn ich und zumeist auch Derek, gerade in der letzten Zeit, nicht anwesend waren. An dieser Stelle musste etwas geschehen. Etwas geändert werden. Kevin besaß mein uneingeschränktes Vertrauen. Darum ging es nicht. Jedoch gedachte ich ihm nicht beständig die volle Verantwortung für alles zu übertragen. Auch er hatte seine Pausen verdient. Dementsprechend war es nötig eine Entscheidung zu fällen und ich kam ohne Umschweife zum Thema, sobald sich alle drei bei mir eingefunden hatten.
„Was meint ihr, wäre es gut, noch jemanden in die Führungsriege zu nehmen? Einzustellen?“
Die drei sahen von einem zum anderen und dann wieder zu mir. Ein einheitliches Nicken war zu sehen.
„Gut. Dann sind wir uns einig. Das ging ja rasch. Hat jemand von euch womöglich eine spontane Idee, die er vorbringen kann, WER es sein könnte? Oder erwägen WIR noch jemanden einzustellen?“
„Schade, dass Tom nicht mehr verfügbar ist.“, hörte ich Derek sagen.
„Was ist mit diesem Sasha Fliess. Er hatte sich fürs Büro beworben und ist prädestiniert dafür.“, führte ich an.
„Vertraust du ihm?“, fragte mich Kevin sofort und er kannte meine Antwort bereits. „Gerade ER sollte hier nicht sein. Denn Kindermädchen kann ich nicht auch noch spielen.“
„Okay.“ Ich sah in die Runde. „Noch Vorschläge?“
Imara verhielt sich ruhig. Aber Derek schien eine Idee zu haben. Man sah es ihm förmlich an und ich bat ihn zu sprechen.
„Wie wäre es mit Mike?“
Ich greuselte die Stirn. „Er ist noch nicht lange hier.“
„Aber ein Genie.“ Derek lachte. „Wozu wir anderen Tage brauchen, hat er im Nu auf dem Schirm. Sein Hirn funktioniert wie ein Hochleistungscomputer.“
„Okay.“ Ich dachte kurz nach und.......schnaufte dann. Sicher wäre mir Sahsa Fliess lieber gewesen. Drei Männer um mich zu haben, die mich mochten, schmeichelte mir. Aber Kevin hatte selbstredend Recht. Ich konnte Sasha nicht vertrauen. Gerade jetzt nicht, wo es hier Unstimmigkeiten mit den Konten gab und sogar Papiere und Dateien fehlten, die bisher noch nicht wieder aufgetauscht waren.
„Kevin, meine Frage richtet sich JETZT vor allem an dich. Denn es liegt mir fern, dich zurückzusetzen und ich möchte keinesfalls, dass du dich übergangen fühlst. Ich vertraue dir, wie mir selbst. Und deine Leistungen bisher, waren überragend. Du warst zu jeder Zeit verfügbar, wenn ich, oder/und Derek andere Dinge zu erledigen hatten. Dennoch denke ich, dass du nicht ständig die gesamte Last der Verantwortung allein tragen musst und ab und an eine Pause verdient hast. Ich hoffe du siehst das ähnlich?“
Kevin grinste und machte große Augen. „Wow! Was für eine Ansprache. Man könnte denken, ich werde entlassen.“
„Hey!“, verwehrte ich mich sogleich gegen diese Anschuldigung. „So ist es selbstverständlich nicht.“
„Ich weiß. Ich weiß.“, beruhigte er mich sogleich. „Du meinst es doch nur gut mit mir.“ Kevin grinste und schnitt eine Grimasse. „Ich stimmte Derek zu und denke, es wäre keine so schlechte Idee.“
„Okay. Danke Imara. Du kannst gehen.“ Mehr musste sie jetzt nicht mehr wissen.
Als sie gegangen war, legte ich Mikes neue Parameter fest und fragte, ob vor allem Kevin damit einverstanden war. Er nickte. Dann rief ich Mike Grey herein.
„Setzen sie sich.“, wies ich ihn an. Der introvertierte Mike setzte sich zaghaft und sah in die Runde. Derek nickte ihm freundlich zu, was ihn zu beruhigen schien.
„Wenn sie damit einverstanden sind, würde ich sie gern in die Führungsriege holen. Wir brauchen Verstärkung hier. Sie haben bestimmt bereits bemerkt, dass ich des Öfteren nicht hier sein kann und Derek ebenfalls zunehmend seiner Arbeit fern bleiben muss. Oder will.“ An dieser Stelle zwinkerte ich Derek zu und ich sah wie Mike lockerer wurde und sogar ein wenig lächelte. „Wie haben beschlossen, und auch Herr Loymaier ist damit einverstanden, wenn SIE die komplette Übersicht, in allen Belangen des Zentrums, sowie deren Leitung mit allen Befugnissen übernehmen. Allerdings MIT mir, Derek UND vor allem Herrn Loymaier zusammen.“
„Phhuu.“, Mike schien überwältigt zu sein.
„Derek meinte, sie schaffen das. Auch wenn sie noch nicht all zu lang bei uns sind. Sie wären ohnehin unterfordert.“
„Ihr Angebot ist in der Tat sehr schmeichelhaft. Wenn sie mir diese Aufgabe tatsächlich übertragen wollen, wäre ich selbstverständlich einverstanden.“
„Gut. Bis Ende des Monats Einarbeitungszeit bei gleichem Lohn. Ab Juli wird ihr Gehalt erhöht.“ Nun wandte ich mich Derek zu. „Derek, du setzt alle Angestellten davon in Kenntnis, dass Mike entscheidungs- und weisungsberechtigt ist.“ Er nickte.
„Dann sind wir fertig hier. Ich danke euch.“

„Derek!“, rief ich meinen Liebhaber noch einmal zu mir herein. „Wir sehen uns heute Abend?“
Derek grinste breit. „Ja.“
Ich streckte meine Hand nach ihm aus und er griff nach ihr. Drückte sie kurz und in DEM Augenblick, in welchen er sie wieder fallen ließ, traf mich eine visionelle Intonation. Ich hielt Dereks Hand noch einmal fest und wartete auf seine Reaktion. Er drehte sich um zu mir und sah mich fragend an.
„Wie wäre es, wenn wir noch heute nach Honolulu fliegen?“
Einige Sekunden der Stille traten ein. Ich hatte ihn offensichtlich überrascht. Dann seine Frage: „Wann?“
„In den nächsten zwölf Stunden. Und ich möchte deine Entscheidung JETZT.“
Derek tat einen tiefen Atemzug und blies die Luft zischend durch seine leicht geöffneten Lippen. „Pffff. Wow! Was willst du nur dort?“
„Ich sagte dir doch, auf irgendeine Weise hat man mir New Orleans genommen und ich gedenke mir dort womöglich eine neue Oase zu schaffen, wo ich, wir“, bei diesen Worten kniff ich voller Zuversicht beide Augen kurz zusammen, „gegebenenfalls bleiben können. Dazu wäre schon ein Apartment, ein Haus oder ganz und gar ein Anwesen nötig.“ Ich lächelte leicht. „Zudem würde ich dem familiären Wochenende entkommen und der Gegenwart von Alexa.“ Andererseits würde ich ihr damit erneut das Feld überlassen. Führte ich meinen Gedanken im Stillen weiter.
„Aber meine Mutter.......“, versuchte Derek einzuwerfen.
„Vielleicht kommt sie ja mit?“, fiel ich ihm ins Wort. „Wenn ich es schaffe, wird sie es ebenfalls können. Selbstverständlich fliegen wir first class.“
Kevin näherte sich uns und meiner offenen Bürotür. Er rollte herein. Derek machte ihm Platz.
„Welche Verschwörungen plant ihr denn?“ Er lachte laut. Ich sagte nichts und gab Derek zu verstehen, dass er noch umgehend seine Mutter fragen solle. Er ging.
Kevin ließ mir keine Ruhe. „Also, WAS war das gerade?“
Ich schnaufte. Tat gespielt genervt. „Vielleicht willst DU mit mir nach Honolulu kommen?“
„Honolulu? Was willst du denn dort?“
„Oh Göttin! Jeder fragt mich, was ich dort will.“
„Bisher war noch nie die Rede davon.“, verteidigte sich Kevin.
„Ja. Das ist mir durchaus bewusst. Ich würde mich nur dort sehr gern nach einem Haus umsehen.“
Kevin stutzte. „Wie das?“
Hier erklärte ich IHM das Gleich, wie Derek zuvor. Nur ein wenig ausführlicher. Alldieweil er meine Beweggründe noch nicht kannte.
„Deine Janina würde es ohnehin nicht zulassen.“
„Wir tarnen es als Dienstreise.“
„Eine Dienstreise nach Honolulu?“, ich verdrehte die Augen. „Das nimmt sie uns nicht ab.“
„Würdest du denn wirklich mit mir fliegen?“ Kevin wurde ernst.
„Ja natürlich! Warum denn nicht?“
„Ich dachte nur.“ Kevin sah an sich hinunter und wies auf seine (nicht mehr funktionierenden) Beine.
Ich machte eine abwehrende Handbewegung und schüttelte mit dem Kopf. „Ich würde mich freuen, wenn du mit mir kommst.“
„Aber auch nur, wenn Derek nicht will.“
Oh, oh! Jetzt betrat Kevin gefährliches Terrain, was er bemerkte. Denn ich antwortete ihm nicht. Sah ihn nur mit hochgezogenen Brauen an.
„Entschuldige. Blöde Frage.“
„Ja! In der Tat!“
„Dann müssten mich, uns aber zumindest Max oder/und Matthias begleiten.“ Kevin  wurde nachdenklich. Er zog diese Möglichkeit, mit mir zu verreisen, nun fürwahr in Betracht. Was mich beinahe amüsierte. Jedoch nicht auf eine niederträchtige Art. Im Gegenteil. Es war fabelhaft zu sehen, wie Kevin regelrecht bei dem Gedanken, mit mir einige Tage zu verbringen, aufblühte. Es erfüllte mich regelrecht mit Freude. Obgleich wir beide doch wussten, dass es zu 99% eine Illusion bleiben würde.

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Kurze Zeit darauf, Kevin hatte mein Büro bereits verlassen, kam Derek herein und.......gab mir bezüglich Honolulu einen Korb. Wie es zu erwarten war. Er blieb der Vernünftige. Was allerdings bedeutete, dass ich mit Gunnar, seinen Geschwistern und Alexa nicht entkam.
„Warum?“, fragte ich leise.
„Meine Mutter. Sie sagte nein. Und ich kann sie nicht allein lassen.“
„Es wäre doch nur für ein paar Tage.“ Ich senkte den Kopf. Hob ihn wieder und sah Derek an. „Schade eigentlich. Wir hätten gut eine Woche dort bleiben können und wären dann gleich zusammen nach New Orleans geflogen. Die Zwillinge haben zur Sommersonnenwende Geburtstag und Gunnar will zu dieser Zeit dort sein.“
Ein kurzes, zynisches Lächeln huschte über Dereks Gesicht, als er den Namen meines Ehemannes hörte.
„Wenn wir zusammen verreisen, wird Gunnar sicherlich Alexa mit nach New Orleans nehmen.“, merkte er an.
„Vielleicht tut er das so wie so.“
„Schon möglich. Vielleicht rede ich doch noch einmal mit meiner Mutter.“
„Wie wäre es beim Dinner?“
Derek nickte.
Aber auch da vermochte ich sie nicht davon zu überzeugen. Sie wehrte kategorisch ab und ich gedachte sie nicht weiter zu bedrängen. Somit war meine Reise nach Honolulu an diesem Wochenende gestorben und ich hatte mich der familiären Pflicht zu unterziehen.
Derek schien hin- und her gerissen zu sein. Einerseits fühlte er sich seiner Mutter verpflichtet und andererseits bekümmerte es ihn, mich zu enttäuschen. Nicht leicht für meinen Geliebten........
Er entschied sich, wie es zu erwarten war. Erneut für seine Mutter.