Sonntag, 12. Juni 2016

Jasons Familie



Den Lunch nahm ich bei Jasons Familie ein. Seine Mutter hatte gekocht.
Dann drängte ich, nach einer kurzen Ruhephase darauf, mir ein Hotelzimmer zu suchen.
„Ich möchte deiner Familie nicht weiter zur Last fallen.“, hatte ich zu Jason gesagt und der wehrte ab
„Das tust du doch nicht. Die sind doch ganz froh, über die Abwechslung und freuen sich über einen Gast.“
Die kurze Phase der Ruhe hatte offenbar nicht ausgereicht. Ich schlief noch einmal ein und wachte dann erst am frühen Sonntagmorgen wieder auf. Den Sonnenaufgang hatte ich allerdings um gut eine Stunde verpasst.
Jason hatte offenbar kaum geschlafen. Denn ich hörte Lärm aus dem Nebenzimmer, der mich geweckt haben musste.
Ich setzte mich auf, streckte mich und ging dann ein paar Schritte zum Fenster hin. Und als ich so Gedanken versunken in Richtung Sonne sah, fassten mich zwei starke  Hände. Ich drehe so rasch meinen Kopf, dass mich kurz der Schwindel ergriff und fiel so in Jasons Arme.
„Gut geschlafen?“, fragte er und hielt mich fest. Ich nickte und strich zufrieden lächelnd mit meinen Händen über seine muskulösen Unterarme, die meine Hüfte umfingen. „Ja.“ Und obwohl ich die Antwort ahnte, fragte ich ihn: „Und du?“
Er schnaufte. „Kaum.“
„Dann gehe du doch besser schlafen. Das Hotelzimmer suche ich mir allein.“
Jasons Stimme ließ ein brummendes „ho, ho“ hören. „Kommt nicht in Frage. Ich lass dich nicht allein.“ Nun drehte mich Jason in seinen Armen zu sich herum. „Entweder wir gehen JETZT gemeinsam, oder du bleibst mit mir hier. Bleiben wir hier, gibt es auch zwei Möglichkeiten. Du legst dich noch einmal mit mir hin, oder lässt mich zwei, drei Stunden schlafen. Wenn ich wieder munter bin, können wir immer noch ein Hotel für dich suchen. Okay?“
Er schien hier die Zügel in der Hand zu halten und ich ließ ihm die Freude das zu tun. Betrunken schien er mir jedoch erstaunlicher Weise nicht zu sein. Gleichwohl ein wenig angeheitert. Aber das war okay. Schließlich hatte es ein Wiedersehen zu feiern gegeben.
Auf dem Weg zum Bad begegnete ich seinen Brüdern, Cousins oder/und Freunden. So genau kannte ich mich in Jasons Familie noch nicht aus und ich hatte ihn gleichwohl noch nicht einmal danach gefragt. Eigenartig. Es hatte keine Notwendigkeit bestanden. Ich nahm schlicht und einfach.....AN.
„Hallo schöne Frau.“, sagte einer der Männer. Er sah Jason nicht ähnlich. War jedoch genau so groß und kräftig wie er. Wir begannen zu scherzen und mit einem Mal hob er mich hoch. So leicht schien ich für ihn zu sein. Wie eine Feder.
Jason kam hinzu und veranlasste den Mann mich abzusetzen.
„Lass meine Chefin runter. Du bist betrunken. Sonst feuert sie mich noch.“, sagte er und lachte. Klopfte dem Mann auf die Schulter. Der lachte ebenfalls und stellt mich, so vorsichtig er es noch vermochte, mit meinen Füßen wieder auf den Boden.
Jason nahm mich bei der Hand und schob mich in Richtung Restroom.
Die Männer schienen die ganze Nacht hindurch getrunken und geredet zu haben. Jason muss die ganzen Stunden über bei ihnen gewesen zu sein. Er hatte ihnen sicherlich viel zu erzählen. Nahm ich an.
„Viel los hier.“, sagte er ein wenig verlegen und schob mich weiter durch den etwas schmalen Gang. „Ja. In der Tat. Ein wenig zu viel Trubel, für meinen Geschmack.“, erwiderte ich.
Auf dem Rückweg, durch den Gang, begegnete mir Jasons Mutter.
„Sie sind schon wieder auf?“, fragte ich ganz erstaunt.
Sie nickte freundlich. „Komm Kind, ich mach’ dir Frühstück. Was möchtest du denn? Kaffee vielleicht?“
„Oh nein. Danke. Eine Tasse Tee wäre jetzt ganz angenehm. Dafür wäre ich ihnen überaus dankbar.“
Sie lächelte herzlich und ich folgte ihr ein Stück weit im Gang.
„Ja. Die Frauen dieser Welt schlafen oft kaum und leisten so viel. Sind für jedermann eine Dienstleistungsstelle.“, sagte ich eher für mich und in Gedanken versunken.
Mit einem Mal drehte sie sich um und drückte mich fast schluchzend an sich. Ließ mich dann wieder los und trat einen Schritt zurück. Sie sah mich an und wischte sich mit der Hand eine Träne von der Wange. „Du bist eine gute Frau.“
„Oh!“, rief ich erstaunt. Das hatte ich nicht erwartet. Ich schüttelte mit dem Kopf. „Das würden nicht jeder von mir behaupten.“
Sie griff noch einmal nach meinem Arm und drückte ihn. „Die irren sich.“, sprach es, wendete und lenkte ihre Schritte in die Küche.
Als ich zurück ins Zimmer kam, saß Jason auf dem Bett.
„Also, für welche Variante hast du dich entschieden?“
„Ich würde schon gern ein Hotelzimmer suchen gehen. Wenn es dir nichts ausmacht.“ Ich war zu ihm gegangen und hatte mich direkt vor ihm hingestellt.
„Okay. Dann gehen wir jetzt ein Hotelzimmer für dich suchen. Ich lass’ dich dort. Da hast du ein wenig Zeit für dich. Kannst meditieren.“ Jason grinste mich an. „Oder sonst was tun. Und ich komme hier her zurück und ruh’ mich erst einmal ein wenig aus.“
„Jason.“, unterbrach ich ihn. „Ich würde dich bitten, mich heute Abend nicht allein zu lassen und dann wieder zu mir ins Hotel zu kommen. Wäre das möglich?“
„Ja. Wenn ich die Kinder ins Bett gebracht habe. Aber warum bleibst du nicht einfach hier. Das wäre einfacher.“
„Nein, nein. Ich kann nicht einfach das Bett eines deiner Familienmitglieder in Beschlag nehmen.“
„Das ist doch hier überhaupt kein Problem. Sie freuen sich doch alle, dass sie dich hier begrüßen durften.“
Ich dachte kurz an Jasons Mutter und hörte ihre Worte in meinem Kopf wieder hallen – du bist eine gute Frau. Wie emotional sie war. War diesen einen Augenblick lang in Gedanken versunken und starrte in die Luft.
„Hey. Was ist los?“, hörte ich Jasons Stimme fragen.
„Deine Mutter ist eine so freundliche Frau. Überhaupt deine ganze Familie....“
Jason lachte laut und ich stutze. Fragte nach, was sei.
„Das ist nicht meine Mutter.“
„W-a-s? Ich nahm an......“
„Nein. Sie ist meine Stiefmutter. Der alte Mann ist mein Vater. Das stimmt. Und die anderen Männer und Frauen hier sind meine Stiefbrüder, Cousins und Cousinen.“
„Und wo ist deine Mutter?“
„Meine Mutter ist eine Amerikanerin. Hat deutsche“, bei diesem Wort legte sich ein breites Grinsen über Jasons Gesicht, „irische und indianische Wurzeln. Sie lebt in Iowa.“
„Warum hast du Deine Kinder nicht zu ihr gebracht?“
Nun wurde Jason nachdenklich. Bevor er mir antwortete, tat er einen tiefen Atemzug. „Ich habe darüber nachgedacht. Wäre kürzer gewesen.“ Bei diesen Worten lächelte er wieder ein wenig und sah kurz zu mir auf. Ich stand noch immer vor ihm und er saß auf dem Bett. „Aber sie hat meinen Vater verlassen in einer Nacht und Nebel Aktion. Hat mich mitgenommen nach Iowa. Später heiratete sie dann dort wieder einen Amerikaner. Er ist kein guter Mann. Weißt du. Dort möchte ich meine Kinder nicht lassen.“ Jasons Blick sah nun eher traurig aus und war recht durchdringend.
„Ja. Das verstehe ich durchaus.“
„Also bedeutet das, dass deine Mutter hier auf Hawaii mit deinen Vater gelebt hat.“
„Ja. Ich wurde hier geboren.“
„Und warum verließ sie ihn dann, wenn ich fragen darf?“
„Sie kam mit der Hawaiianischen Lebensweise nicht zurecht. So sagte sie es mir immer.“

Kurze Zeit darauf packte ich meine Sachen, bedanke mich für die Gastfreundschaft und verabschiedete mich.
„Wir werden uns bestimmt noch einmal wieder sehen.“, sagte Jasons Stiefmutter zu mir und lächelte mich so freundlich an, dass sie mein Herz berührte. Was mich meinerseits dazu veranlasste noch einmal einen Schritt auf sie zu gehen und sie zu umarmen.

Im Taxi dann, während wir fuhren, immer wieder das gelegentliche Spiel der Wörter um die Frage, was wäre wenn.......obwohl wir beide wussten, dass es nie eine Zukunft für uns geben wird.

Ich checkte im „Outrigger Reef Waikiki Beach Resort“ ein. Nahm „Diamod Head Ocean View“. Schließlich gedachte ich hier gut eine Woche zu bleiben. Wenn nicht sogar noch länger.
Jason kam mit mir aufs Zimmer.
Wir scherzten miteinander während ich meine Sachen aus den zwei Koffern nahm und vorerst auf das Bett legte. In seinen Augen sah ich Lust auf......m-e-h-r und fragte ihn danach: „Lust?“ Ich wiegte den Kopf leicht hin und her.
Jasons tiefe Stimme halte lachend durch den Raum. „Ja. Ohhh ja.“
Ich sah ihn lächelnd an und hob die Brauen. Machte eine eindeutige Geste. „Ich auch.“
Nun kam Jason zu mir hin und sah mir tief in die Augen. „Weist du, ich bin zu müde. Wir müssen ja nichts übereilen. Wir haben die ganze nächste Woche Zeit dafür.“ Er gab mir einen Kuss und grinste.
„Du hast Recht. Geh’ schlafen. Ich bleibe hier.“
Das Eigenartige daran war, dass Jason offenbar doch nicht jede beliebige Gelegenheit nutzte, um mit Frauen ins Bett zu steigen. Was er heute unter Beweis gestellt hatte. Gunnar hätte solch Gelegenheit nicht verstreichen lassen, Da war ich mir sicher. Womöglich wäre Jason doch der bessere Mann. Auch wenn er sicherlich andere Eigenarten besaß, die vertragen werden wollten.

Als Jason gegangen war, begab ich mich ins Restaurant um zu essen. Ich wählte ein thailändisches Gericht mit Hühnerfleisch und Reis. Gleich anschließend ein kleiner Spaziergang nach draußen und dann richtete ich mich auf meinem Zimmer ein. Setzte mich auf den Balkon und ließ meine Blicke in die Ferne schweifen. Dachte an Gunnar und Derek und rief Letzteren an. Oh Göttin! Vergaß ich doch ganz und gar, so Gedanken versunken wie ich war, die zwölfstündige Zeitverschiebung. In Schweden war es nachts um vier. Rasch legte ich auf und hoffte Derek nicht geweckt zu haben. Keine zwei Minuten später rief er an.
„Warst du das eben?“
Ich biss mir auf die Lippe. „Verzeih. Ich war in Gedanken.“
„Nicht so schlimm. Wie geht es dir?“
„Ganz gut.“, antwortete ich und erzählte ihm, was geschehen war. Alles was Jason betraf, ließ ich selbstverständlich aus. (Da blieb nicht viel in den letzten vierundzwanzig Stunden. Infolgedessen dichtete ich einiges hinzu.)
Gleich anschließend nach dem Gespräch mit Derek, begann ich meinen Post zu schreiben.......bis jetzt. Und bevor Jason wieder kommt, denke ich noch darüber nach, Gunnar anzurufen. (Damit er mir dann späterhin nicht dazwischen kommt.)