„Mein kleiner
fehlt mir.“, sagte Gunnar gestern etwas verträumt lächelnd zu mir. Ragnar war
selbstverständlich gemeint. Sein Sohn.
„Warte lieber
noch ein paar Tage, bevor du wieder zu ihm hinüber gehst.“, riet ich ihm. Alexa
sprach ich ganz bewusst nicht an. Jedoch Gunnar antwortete
auf meine Frage, ohne, dass ich sie ausgesprochen hatte.
„Nein. Ich habe
eigentlich, gefühlt, kaum Verlangen mit Alexa zu schlafen.“
„Wenn du wieder
länger bei ihr bist, wird es wieder kommen.“
„Gunnar lächelte
schief. „Ich dachte, du wolltest, dass ich dir treu bin?“
„Aber ja
natürlich!“ Mit einem euphorisch, erwartungsvollem Lächeln grinste ich ihn an.
„Aber du denkst,
ich schaffe es nicht. Oder?“
Ich verzog den
Mund. Gunnar lachte.
„Na ja. Wäre das
dann nicht wie kalter Entzug von allem?“, mutmaßte ich.
Nun ein Hüsteln
von Gunnar, das schlussendlich in einem ausgewachsenen Bellen endete. „Ja. Ein
wenig so fühlt es sich tatsächlich an.“
Derek hatte mich
gestern Abend noch angerufen und heute Morgen hielt ihn nichts mehr auf. Er
klopfte an unsere Tür und als Gunnar öffnete, trat er einfach ein.
„Es wäre unklug
unsere Viren zu deiner Mutter zu tragen. Meinst du nicht?“, suchte ich ihn
auszubremsen. Denn er kam bereits direkt auf mich zu. Auch das hielt ihn nicht
auf. Er küsste mich auf die Stirn und hockte sich einen Augenblick lang vor
mich hin.
„Geht’s dir denn
immer noch nicht besser?“, fragte er.
„Doch heute
konnte ich das erste Mal seit über einer Woche schlafen.“
Derek setzte sich
neben mich, während Gunnar mit seinem Tee beschäftigt war.
„Du fehlst mir,
Rea. Ich würde gerne mal wieder mit dir zusammen sein.“
„Wie wäre es
jetzt?“, schaltete sich Gunnar ein.
Derek und ich
schauten uns verwundert an und dann zu Gunnar hin, in der Hoffnung, eine
Erklärung zu erhalten.
„Ich dachte, ich
gehe doch mal kurz zu Alexa rüber. Nur, um meinen Sohn zu sehen. Vielleicht von
weitem, dachte ich. Wäre es möglich, dass DU vielleicht in dieser Zeit hier bei
Rea bleibst?“
Derek stutze.
Wunderte sich wohl, ob Gunnars Ansinnen, alldieweil sein Gesamtzustand noch immer
nicht vielversprechend war. Der Gang recht schleppend. Gebückte Haltung. So wie
ich auch.
„Meinst du
nicht, es wäre besser noch zu warten?“, merkte ich in Gunnars Richtung an, der
mir allerdings keine Antwort gab. Stattdessen nippte er an seinem Tee. Der
Blick starr nach unten gerichtet. Wer weiß, wo er in Gedanken war?
„Okay. Kein Problem.“,
ergriff Derek nun die Initiative und blieb, während sich Gunnar Jacke und
Schuhe überzog und ging. Und genau genommen war ich wütend auf ihn. Denn kurz
bevor Derek gekommen war, hatten wir den ersten, kleinen Streit seit einer
Woche, wo es selbstredend um diese Alexa ging. Ich hatte nebenher erwähnt, wie
angenehm es wäre, nach Hawaii zu fliegen, wenn wir genesen sind. Gunnar indes
hatte nichts anderes zu denken, als an einen Aufenthalt in Kalifornien mit Alexa
und klein Ragnar bei deren Eltern.
„Dann spielt mal
schön Mutter, Vater, Kind und ich werde alleine weiter reisen.“,
hatte ich zu ihm gesagt. Denn ich weiß, dass Jason noch auf Hawaii bei seiner
Familie ist. Ohne seine Frau. Gunnar hatte mir darauf nicht mehr geantwortet
und ich beließ es kurzerhand dabei.
Derek hatte
seinen Arm um meine Schulter gelegt und ich ließ das Kuscheln mit ihm zu. Fand
es äußerst angenehm. Obgleich ich dabei an seine jetzt-Ehefrau
Laurianne denken musste. Und wie ich nun einmal so bin, sprach ich aus, was
mich bewegte.
„Weißt du was?
Eigentlich solltest du besser gehen?“
Derek stutzte. „Warum
das
denn? Wegen meiner Mutter? Um ehrlich zu sein, sie hat es selbst erwischt.“
„Oh mein Gott!“,
rief ich aus. „Das ist nicht gut für sie.“
„Ja. Ich weiß.
Sie tut was sie kann. Ist aber auch sehr schwach, wie du Rea.“
„Ich hoffe
nicht, dass wir es waren, die….“
Nein, nein.“
Derek wehrte ab. „Es liegt wohl derzeit in der Luft. Viele Leute hier sind
erkältet. Huste. Schniefen. Da bleibt es nicht aus, dass sich auch meine Mutter
einmal ansteckt.“ Derek schien betrübt. Er legte seinen Kopf an den Meinen an. „Dir
geht es doch genauso Rea. Schau nur, wie du immer auf alles achtest und schlussendlich
konntest du es nicht vermeiden, dich wer weiß wo anzustecken.“ Nun breitete er
seine Arme wie Flügel aus. „Wir sind nun mal täglich unter Menschen. Da kann
das schon passieren.“
Ich schnaufte, was
selbstverständlich in einem Hustenanfall endete.
„Ich will nicht,
wegen deiner Mutter, dass du gehst. Sondern, weil du verheiratet bist.“
„Jetzt hör‘ aber
auf Rea.“ Er lachte und schüttelte mit dem Kopf.
„Du wohnst bei
ihr. Du schläfst mit ihr und wer weiß, ob sie nicht noch mehr haben möchte, als
nur eine Scheinehe, oder eine Ehe auf Zeit.“
„Ja. Das ist gut
möglich. Aber wenn schon. Ich will dich nicht verlieren Rea.“, plädierte er.
„Besuchst du
eigentlich noch Giselle.“
„Aber natürlich.
Sie war schließlich die Mutter meines Kindes. Das vergesse ich nicht so leicht.“
„Oh.“, tat ich
betroffen. „Verzeih. Aber du schläfst doch nicht noch mit ihr? Oder?“
Derek lächelte
nun wieder. „Warum denn nicht?“, sagte er eher leise zu mir.
Ich war
entrüstet. Löste mich von ihm. „Du bist jetzt noch schlimmer als Gunnar es ist!“,
rief ich aus.
„Ist er
denn nun wenigstens geheilt?“
„Bis zu diesem
Zeitpunkt hält Eriks Zauber. Wenn er Alexa besucht und wieder länger bleibt,
kann ich nicht sagen, was geschehen wird.“ Und dann fiel mir eine eher
irrwitzige Frage ein. „Würdest du denn jetzt, wo du verheiratet bist, noch mit
mir verreisen können?“
Derek
schmunzelte. „Natürlich!“
„Wie sieht eure
Vereinbarung eigentlich aus? Du bist mit Laurianne verheiratet und kannst
weiterhin tun und lassen was immer du magst?“
„So in etwa. Ja.“
Derek hatte seinen Kopf kurz ein wenig schief gelegt und wiegte ihn nun hin und
her.
„Sehr bequem für
dich. Nicht wahr?“
„Ja. Das weiß
ich auch. Aber ich übernehme Verantwortung. Sorge für sie, wenn sie es möchte.“
„Arbeitet sie
denn nun schon hier?“
„Nein. Noch
nicht.“
„Also was? Will
sie nun einen Job? Oder versorgst du sie?“
„Sie sähe es
wohl gern, wenn ich sie versorge.“
„Kannst du
das denn? Und willst du es?“
„Ja natürlich tue
ich es, wenn sie es will.“
„Okay. Dann soll
sie sich entscheiden. Lässt sie dieser alte Mann denn nun in Ruhe?“
„Es hat sie
niemand mehr bedrängt.“
„Dann war die
Liebe zu ihr offenbar nicht groß.“
„Er wollte sie
nur besitzen. Ein Schmuckstück. Gut sichtbar an seiner Seite. Nicht mehr.“
„Da ist sie mit
dir in jedem Fall tausendmal besser bedient. ICH vermag dich allerdings jetzt
nicht mehr zu heiraten.“
„Du wollest mich
doch so wie so nie wirklich haben.“
„DAS IST NICHT
WAHR DEREK!“, reagierte ich etwas lauter und pikiert. „Was denkst du nur?!
Natürlich hätte ich gewollt!“
Derek nickte
leicht in Gedanken versunken mit dem Kopf. „Schon gut. Ich glaube dir ja. Aber
was hat dich dann daran gehindert? Gunnar. Aller Wahrscheinlichkeit nach. Du
liebst ihn viel zu sehr.“, gab er sich sogleich selbst die Antwort auf seine
Frage.
Gunnar kam nach
etwa einer halben Stunde wieder. Derek ging.
Mit Gunnar
redete ich bisher nicht über diese Action und habe es gleichwohl nicht vor.
Geschehen ist
geschehen.
Denn genau
genommen bin ich der Meinung, er sollte sich noch schonen. Es geht ihm noch
nicht so gut.