Freitag, 31. März 2017

Das „Spiel“ beginnt von neuem




„Mein kleiner fehlt mir.“, sagte Gunnar gestern etwas verträumt lächelnd zu mir. Ragnar war selbstverständlich gemeint. Sein Sohn.
„Warte lieber noch ein paar Tage, bevor du wieder zu ihm hinüber gehst.“, riet ich ihm. Alexa sprach ich ganz bewusst nicht an. Jedoch Gunnar antwortete auf meine Frage, ohne, dass ich sie ausgesprochen hatte.
„Nein. Ich habe eigentlich, gefühlt, kaum Verlangen mit Alexa zu schlafen.“
„Wenn du wieder länger bei ihr bist, wird es wieder kommen.“
„Gunnar lächelte schief. „Ich dachte, du wolltest, dass ich dir treu bin?“
„Aber ja natürlich!“ Mit einem euphorisch, erwartungsvollem Lächeln grinste ich ihn an.
„Aber du denkst, ich schaffe es nicht. Oder?“
Ich verzog den Mund. Gunnar lachte.
„Na ja. Wäre das dann nicht wie kalter Entzug von allem?“, mutmaßte ich.
Nun ein Hüsteln von Gunnar, das schlussendlich in einem ausgewachsenen Bellen endete. „Ja. Ein wenig so fühlt es sich tatsächlich an.“

Derek hatte mich gestern Abend noch angerufen und heute Morgen hielt ihn nichts mehr auf. Er klopfte an unsere Tür und als Gunnar öffnete, trat er einfach ein.
„Es wäre unklug unsere Viren zu deiner Mutter zu tragen. Meinst du nicht?“, suchte ich ihn auszubremsen. Denn er kam bereits direkt auf mich zu. Auch das hielt ihn nicht auf. Er küsste mich auf die Stirn und hockte sich einen Augenblick lang vor mich hin.
„Geht’s dir denn immer noch nicht besser?“, fragte er.
„Doch heute konnte ich das erste Mal seit über einer Woche schlafen.“
Derek setzte sich neben mich, während Gunnar mit seinem Tee beschäftigt war.
„Du fehlst mir, Rea. Ich würde gerne mal wieder mit dir zusammen sein.“
„Wie wäre es jetzt?“, schaltete sich Gunnar ein.
Derek und ich schauten uns verwundert an und dann zu Gunnar hin, in der Hoffnung, eine Erklärung zu erhalten.
„Ich dachte, ich gehe doch mal kurz zu Alexa rüber. Nur, um meinen Sohn zu sehen. Vielleicht von weitem, dachte ich. Wäre es möglich, dass DU vielleicht in dieser Zeit hier bei Rea bleibst?“
Derek stutze. Wunderte sich wohl, ob Gunnars Ansinnen, alldieweil sein Gesamtzustand noch immer nicht vielversprechend war. Der Gang recht schleppend. Gebückte Haltung. So wie ich auch.
„Meinst du nicht, es wäre besser noch zu warten?“, merkte ich in Gunnars Richtung an, der mir allerdings keine Antwort gab. Stattdessen nippte er an seinem Tee. Der Blick starr nach unten gerichtet. Wer weiß, wo er in Gedanken war?
„Okay. Kein Problem.“, ergriff Derek nun die Initiative und blieb, während sich Gunnar Jacke und Schuhe überzog und ging. Und genau genommen war ich wütend auf ihn. Denn kurz bevor Derek gekommen war, hatten wir den ersten, kleinen Streit seit einer Woche, wo es selbstredend um diese Alexa ging. Ich hatte nebenher erwähnt, wie angenehm es wäre, nach Hawaii zu fliegen, wenn wir genesen sind. Gunnar indes hatte nichts anderes zu denken, als an einen Aufenthalt in Kalifornien mit Alexa und klein Ragnar bei deren Eltern.
„Dann spielt mal schön Mutter, Vater, Kind und ich werde alleine weiter reisen.“, hatte ich zu ihm gesagt. Denn ich weiß, dass Jason noch auf Hawaii bei seiner Familie ist. Ohne seine Frau. Gunnar hatte mir darauf nicht mehr geantwortet und ich beließ es kurzerhand dabei.

Derek hatte seinen Arm um meine Schulter gelegt und ich ließ das Kuscheln mit ihm zu. Fand es äußerst angenehm. Obgleich ich dabei an seine jetzt-Ehefrau Laurianne denken musste. Und wie ich nun einmal so bin, sprach ich aus, was mich bewegte.
„Weißt du was? Eigentlich solltest du besser gehen?“
Derek stutzte. „Warum das denn? Wegen meiner Mutter? Um ehrlich zu sein, sie hat es selbst erwischt.“
„Oh mein Gott!“, rief ich aus. „Das ist nicht gut für sie.“
„Ja. Ich weiß. Sie tut was sie kann. Ist aber auch sehr schwach, wie du Rea.“
„Ich hoffe nicht, dass wir es waren, die….“
Nein, nein.“ Derek wehrte ab. „Es liegt wohl derzeit in der Luft. Viele Leute hier sind erkältet. Huste. Schniefen. Da bleibt es nicht aus, dass sich auch meine Mutter einmal ansteckt.“ Derek schien betrübt. Er legte seinen Kopf an den Meinen an. „Dir geht es doch genauso Rea. Schau nur, wie du immer auf alles achtest und schlussendlich konntest du es nicht vermeiden, dich wer weiß wo anzustecken.“ Nun breitete er seine Arme wie Flügel aus. „Wir sind nun mal täglich unter Menschen. Da kann das schon passieren.“
Ich schnaufte, was selbstverständlich in einem Hustenanfall endete.
„Ich will nicht, wegen deiner Mutter, dass du gehst. Sondern, weil du verheiratet bist.“
„Jetzt hör‘ aber auf Rea.“ Er lachte und schüttelte mit dem Kopf.
„Du wohnst bei ihr. Du schläfst mit ihr und wer weiß, ob sie nicht noch mehr haben möchte, als nur eine Scheinehe, oder eine Ehe auf Zeit.“
„Ja. Das ist gut möglich. Aber wenn schon. Ich will dich nicht verlieren Rea.“, plädierte er.
„Besuchst du eigentlich noch Giselle.“
„Aber natürlich. Sie war schließlich die Mutter meines Kindes. Das vergesse ich nicht so leicht.“
„Oh.“, tat ich betroffen. „Verzeih. Aber du schläfst doch nicht noch mit ihr? Oder?“
Derek lächelte nun wieder. „Warum denn nicht?“, sagte er eher leise zu mir.
Ich war entrüstet. Löste mich von ihm. „Du bist jetzt noch schlimmer als Gunnar es ist!“, rief ich aus.
„Ist er denn nun wenigstens geheilt?“
„Bis zu diesem Zeitpunkt hält Eriks Zauber. Wenn er Alexa besucht und wieder länger bleibt, kann ich nicht sagen, was geschehen wird.“ Und dann fiel mir eine eher irrwitzige Frage ein. „Würdest du denn jetzt, wo du verheiratet bist, noch mit mir verreisen können?“
Derek schmunzelte. „Natürlich!“
„Wie sieht eure Vereinbarung eigentlich aus? Du bist mit Laurianne verheiratet und kannst weiterhin tun und lassen was immer du magst?“
„So in etwa. Ja.“ Derek hatte seinen Kopf kurz ein wenig schief gelegt und wiegte ihn nun hin und her.
„Sehr bequem für dich. Nicht wahr?“
„Ja. Das weiß ich auch. Aber ich übernehme Verantwortung. Sorge für sie, wenn sie es möchte.“
„Arbeitet sie denn nun schon hier?“
„Nein. Noch nicht.“
„Also was? Will sie nun einen Job? Oder versorgst du sie?“
„Sie sähe es wohl gern, wenn ich sie versorge.“
„Kannst du das denn? Und willst du es?“
„Ja natürlich tue ich es, wenn sie es will.“
„Okay. Dann soll sie sich entscheiden. Lässt sie dieser alte Mann denn nun in Ruhe?“
„Es hat sie niemand mehr bedrängt.“
„Dann war die Liebe zu ihr offenbar nicht groß.“
„Er wollte sie nur besitzen. Ein Schmuckstück. Gut sichtbar an seiner Seite. Nicht mehr.“
„Da ist sie mit dir in jedem Fall tausendmal besser bedient. ICH vermag dich allerdings jetzt nicht mehr zu heiraten.“
„Du wollest mich doch so wie so nie wirklich haben.“
„DAS IST NICHT WAHR DEREK!“, reagierte ich etwas lauter und pikiert. „Was denkst du nur?! Natürlich hätte ich gewollt!“
Derek nickte leicht in Gedanken versunken mit dem Kopf. „Schon gut. Ich glaube dir ja. Aber was hat dich dann daran gehindert? Gunnar. Aller Wahrscheinlichkeit nach. Du liebst ihn viel zu sehr.“, gab er sich sogleich selbst die Antwort auf seine Frage.

Gunnar kam nach etwa einer halben Stunde wieder. Derek ging.
Mit Gunnar redete ich bisher nicht über diese Action und habe es gleichwohl nicht vor.
Geschehen ist geschehen.
Denn genau genommen bin ich der Meinung, er sollte sich noch schonen. Es geht ihm noch nicht so gut.