Freitag, 28. November 2014

Das Leben verändert.....




Ich scheiß auf das „wahre Leben“ ....mit all’ seinem mannigfaltigem Leid!
Leid verändert. Das ist selbstverständlich klar. Aber wohin???
Und wenn mir noch einmal jemand erzählt, dass man sich nur durch Schmerzen lebendig fühlen kann, dem ramme ich meine Faust in den Magen! (..und mein Knie in die Eier!) Dann weiß er, oder auch sie, was Schmerzen sind.
Verfluchte, verklärte Heuchler, die keinerlei Ahnung von demselben haben!

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Nun, das Gespräch zwischen Gunnar und seiner Mutter Christin hatte nicht nur dem abgereisten Wanja gegolten. Nein. Da war noch etwas anderes passiert.

Gunnar druckste herum und ich sah ihm an, dass etwas nicht in Ordnung war.
„Was hast du? Ist etwas geschehen?“
Er zog die linke Augenbraue nach oben und schnaufte. Ich ahnte, dass es nichts Gutes sein konnte. „Also, was ist?“, fragte ich noch einmal ungeduldig nach.
„Kevin...“, begann er. „Und jetzt reg’ dich bloß nicht auf.“
Ich sah Gunnar entgeistert und den Atem anhaltend an. „Was? Sag’ schon!“, forderte ich ihn auf es endlich auszusprechen.
„Kevin war unbemerkt von seinen Pflegern des Nachts und aller Wahrscheinlichkeit nach auch betrunken, allein zum See hinunter gefahren. Sein Rollstuhl hielt nicht an, oder sollte es nicht. Man weiß es nicht genau.“
Ich hielt mir mit großen Augen vor Schreck die Hand vor den Mund.
„Nur gut, dass Max ins Bad gegangen war und bemerkt hatte, dass der Rollstuhl nicht mehr im Zimmer stand. Er bemerkte, dass die Tür offen war und rannte hinaus.
„Er ist doch nicht etwa.....“
„Nein. Nein. Max hat ihn rechtzeitig erreicht. Allerdings war er schon fast gänzlich untergetaucht. Nur noch sein Kopf wäre zu sehen gewesen. Der Körper war bereits im Wasser versunken.“
„Und?“, fragte ich ungeduldig.
„Man hat ihn sogleich nach Stockholm ins Hospital gebracht.“
„Wir müssen zu ihm fahren.“, wurde ich unruhig und Gunnar griff nach meiner Schulter und hielt sie fest.
„Sei vernünftig....“
„Nein!“, widersetze ich mich im ersten Moment.
Er zog mich zu sich heran und hielt mich fest. „Beruhige dich. Es wird doch jetzt gut für ihn gesorgt.“
Ich atmete schwer und ließ meine Muskeln in Gunnars Armen entspannen.....
„Und bitte, ruf ihn auch jetzt nicht mehr an. Wir fahren gleich Morgen früh, wenn du magst.“
So wurde es selbstredend eine unruhige Nacht in welcher ich an Kevin dachte.
Was hatte er vor? Wollte er sich etwa das Leben nehmen? Und wenn ja, warum???


Gleich am nächsten Morgen, in aller Frühe, fuhren wir los. Verließen Erik, Viggo und den Zauberwald.
Kevin war schon wieder „auf den Beinen“. Nun ja, zumindest bester Laune, als er mich sah. Und er tat, als sei nichts weiter geschehen. Entschuldigte sich sogar.
„Tut mir leid, wenn ich dir einen Schrecken einjagte. War nur ein Versehen.“
„Ein Versehen?“
„Ja. Ich hatte etwas getrunken und konnte den Rollstuhl nicht mehr anhalten.“ Kevin lächelte schief und sah mich mit diesem Hundeblick an, der um Verzeihung flehte.
„Was hattest Du vor? Was hast du überhaupt allein da draußen getan?“
„Es war mir nur zu heiß geworden.“
„Ach, erzähle mir nichts!“, wurde ich ärgerlich.
Gunnar stand indes beinahe unbeteiligt einfach so neben uns und sah dem ganzen Spektakel einfach nur zu.
„Wolltest du etwa im See ertrinken?“
„Nein. Nein.“
„Und warum hast du dann nicht geschrieen?“
Betretene Stille stellte sich ein. Ich war fassungslos.
„Oh nein! Du wolltest nicht etwa doch.....Bist du verrückt geworden? Warum?“
„Nein. Nein. Es ist alles okay.“
Ich vermochte ausschließlich mit dem Kopf zu schütteln. Weitere Vermutungen, oder ganz und gar Vorwürfe wären jetzt mitnichten produktiv. Also ließ ich das Geschwafel. Ging auf ihn zu und umarmte ihn.
Kevin hielt und drückte mich fest an sich.
„Vielleicht, wenn du magst, könnten wir ein wenig später miteinander reden.“, hauchte ich ihm ins Ohr und er nickte leicht. Gerade so, dass ich es noch bemerken konnte. Und schon hatte seine gespielte, witzige Seite wieder die Oberhand.
„Ihr nehmt mich doch mit nach Hause. Oder?“ Kevin grinste uns beide an. Gunnar nickte, nahm ohne Worte Kevins Tasche und ging. Wir folgten ihm und Kevin schien glücklich zu sein. Infolgedessen bohrte ich nicht weiter nach und beließ es für den Augenblick dabei. Nur würde ich nicht umhin kommen, ihn zu einem späteren Zeitpunkt aufzusuchen und mit ihm über alles zu reden. Wenn,....er es denn zuließ. Denn ich hatte den Eindruck, dass es ihm peinlich war und es ihm lieber gewesen wäre, wenn die ganze Begebenheit schlicht und einfach wieder in Vergessenheit geriet.


Wir sind wieder im Zentrum und eigentlich gab es zwischen Gunnar und mir die Diskussion, ob wir nicht doch noch für ein, zwei Tage zurück zu Erik fahren sollten. Aber nun,....sind wir hier.
Wir hatten Kevin an seiner Hütte und bei seinen beiden Pflegern abgesetzt und waren gemeinsam zum Restaurant gegangen um zu speisen. Ich ging gleich anschließend nach Hause und Gunnar zu seiner Mutter Christine ins Büro.
Ja natürlich, innerhalb der „Familie“ musste sich selbstredend ausgetauscht werden. Und ich vermute es ging um Wanjas Abreise von hier. Vor allem darum, WIE sie es bewerkstellig hatten und unter welchen Umständen und Bedingungen er letztendlich zugestimmt hatte. Was mir ohnehin ein Rätsel ist.
Werde ich es je erfahren? Bei Christine und Gunnar wollte ich mitnichten nachfragen. Und bei Wanja gedachte ich mich schon ganz und gar nicht zu erkundigen/melden. Ich vermute so wie so, dass ich ihn nun sehr lange Zeit nicht mehr sehen werde......

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Selbstredend kam Gunnar nicht umhin bei Lara vorbeizuschauen (nachdem er bei seinen Kindern war). Nur über „Genaueres“ vermochte ich die beiden Detektive nicht mehr zu fragen. Man hat sie ....entlassen während wir bei Erik waren.....und dies, ohne meine Zustimmung.

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Es hat sich einiges verändert, seitdem ich das letzte Mal hier im Zentrum war.
Wanja ist fort und es gibt keinerlei Nachricht von ihm. Überdies traue ich mich so wie so nicht ihn überhaupt zu kontaktieren. Alldieweil er mit großer Sicherheit darauf bestehen würde, mich alsbald zu sich zu holen. (Zumindest vermute ich das?!) Was ich natürlich nicht wirklich möchte......da ich mich doch offensichtlich immer wieder, bewusst oder unbewusst, für Gunnar entscheide.
Die Detektive sind fort. Meine Augen und Ohren.....was nun? Vertrauen auf Gunnars Wort? Womöglich sollte auch ich einmal öfter tun, wonach mir ganz einfach im Augenblick ist.......Aber da kommt mir meine Kränklichkeit und Feigheit in den Sinn.....
Und WAS sollte das eigentlich mit Kevin gewesen sein? Will er so meine Aufmerksamkeit erhaschen? Indem er versucht sich zu ersäufen???
Ich vermag durchaus seine Verzweiflung zu verstehen. Es ist nicht leicht als junger Mann an den Rollstuhl gefesselt zu werden und kurz darauf, zu allem Überfluss, noch seine Frau durch einen Unfall zu verlieren. Dennoch mangelt es ihm weder an Geld noch an Attraktivität. Und sein Sohn wird ihn zukünftig sicherlich ebenso noch  brauchen!
Vielleicht war es auch nur.....eine Alkohol bedingte „Kurzschlussreaktion“......

Und ergeben die Worte zu Beginn des Posts jetzt einen Sinn????